diesem Jahrhundert, Ludwigs des Vierzehenden in Frankreich, eine ganze Wolke minderer Zeu- gen aufwiegen kann. Als nehmlich in denen unruhigen ersten Regierungs-Jahren des Kö- nigs Philipps V. in Spanien, zwischen Paris und Madrit eine beständige Ebbe und Fluth von wechselsweisen Lügen, Verläumdungen und Historienträgereyen war, und der junge Kö- nig sich darüber bey seinem Grossvater be- schwerte, gab ihm dieser die aus dem Munde eines alten Königs merkwürdige Antwort *): "Ich wünschte, dass man die Discurse aufhö- ren machen könnte, worüber fich Ew. Majestät beklagen. Es ist aber unmöglich, dem Pub- liko die Freyheit zu reden zu nehmen. Es hat sich solche zu allen Zeiten, in allen Ländern und in Frankreich noch mehr, als anderwärts, herausgenommen. Man muss eben suchen, der Welt nur Gelegen- heit zu Lob und Beyfall zu geben; und ich hoffe, Sie werden während Ihrer Regierung häufige Veranlaassungen dazu finden".
Die Arten, wie sich die Zeitgenossen eines bösen Regenten noch bey seines Leibes Leben
*)Memoir. de Noailles T. III. p. 269.
diesem Jahrhundert, Ludwigs des Vierzehenden in Frankreich, eine ganze Wolke minderer Zeu- gen aufwiegen kann. Als nehmlich in denen unruhigen ersten Regierungs-Jahren des Kö- nigs Philipps V. in Spanien, zwischen Paris und Madrit eine beständige Ebbe und Fluth von wechselsweisen Lügen, Verläumdungen und Historienträgereyen war, und der junge Kö- nig sich darüber bey seinem Groſsvater be- schwerte, gab ihm dieser die aus dem Munde eines alten Königs merkwürdige Antwort *): „Ich wünschte, daſs man die Discurse aufhö- ren machen könnte, worüber fich Ew. Majestät beklagen. Es ist aber unmöglich, dem Pub- liko die Freyheit zu reden zu nehmen. Es hat sich solche zu allen Zeiten, in allen Ländern und in Frankreich noch mehr, als anderwärts, herausgenommen. Man muſs eben suchen, der Welt nur Gelegen- heit zu Lob und Beyfall zu geben; und ich hoffe, Sie werden während Ihrer Regierung häufige Veranlaaſsungen dazu finden„.
Die Arten, wie sich die Zeitgenossen eines bösen Regenten noch bey seines Leibes Leben
*)Memoir. de Noailles T. III. p. 269.
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diesem Jahrhundert, Ludwigs des Vierzehenden
in Frankreich, eine ganze Wolke minderer Zeu-
gen aufwiegen kann. Als nehmlich in denen
unruhigen ersten Regierungs-Jahren des Kö-
nigs Philipps V. in Spanien, zwischen Paris
und Madrit eine beständige Ebbe und Fluth von
wechselsweisen Lügen, Verläumdungen und
Historienträgereyen war, und der junge Kö-
nig sich darüber bey seinem Groſsvater be-
schwerte, gab ihm dieser die aus dem Munde
eines alten Königs merkwürdige Antwort *):
„Ich wünschte, daſs man die Discurse aufhö-
ren machen könnte, worüber fich Ew. Majestät
beklagen. Es ist aber unmöglich, dem Pub-
liko die Freyheit zu reden zu nehmen. Es
hat sich solche zu allen Zeiten, in allen
Ländern und in Frankreich noch mehr,
als anderwärts, herausgenommen. Man
muſs eben suchen, der Welt nur Gelegen-
heit zu Lob und Beyfall zu geben; und ich
hoffe, Sie werden während Ihrer Regierung
häufige Veranlaaſsungen dazu finden„.
Die Arten, wie sich die Zeitgenossen eines
bösen Regenten noch bey seines Leibes Leben
*) Memoir. de Noailles T. III. p. 269.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/121>, abgerufen am 22.11.2024.
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