Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste
und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn
sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu-
chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis-
sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be-
theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer
Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge-
meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht
mehr glauben.

Halb oder ganz böse Fürsten können immer
nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem
Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue-
bergang vom Denken zum Reden und von die-
sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll-
tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge-
drücktes Volk durch Mund und Feder seiner
Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten
und Plager, heimlich und offentlich durch blu-
tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif-
ten jeder Gattung, durch die anschaulichste
Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch
unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah-
rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf-
tigungen dieser Art nie abgeben, sondern der-
gleichen Arbeiten den litterarischen Abdeckern
überlassen, und, selbst bey gereiztestem Unwil-

an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste
und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn
sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu-
chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis-
sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be-
theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer
Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge-
meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht
mehr glauben.

Halb oder ganz böse Fürsten können immer
nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem
Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue-
bergang vom Denken zum Reden und von die-
sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll-
tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge-
drücktes Volk durch Mund und Feder seiner
Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten
und Plager, heimlich und offentlich durch blu-
tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif-
ten jeder Gattung, durch die anschaulichste
Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch
unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah-
rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf-
tigungen dieser Art nie abgeben, sondern der-
gleichen Arbeiten den litterarischen Abdeckern
überlassen, und, selbst bey gereiztestem Unwil-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0122" n="116"/>
an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste<lb/>
und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn<lb/>
sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu-<lb/>
chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis-<lb/>
sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be-<lb/>
theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer<lb/>
Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge-<lb/>
meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht<lb/>
mehr <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">glauben</hi></hi>.</p><lb/>
          <p>Halb oder ganz böse Fürsten können immer<lb/>
nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem<lb/>
Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue-<lb/>
bergang vom Denken zum Reden und von die-<lb/>
sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll-<lb/>
tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge-<lb/>
drücktes Volk durch Mund und Feder seiner<lb/>
Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten<lb/>
und Plager, heimlich und offentlich durch blu-<lb/>
tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif-<lb/>
ten jeder Gattung, durch die anschaulichste<lb/>
Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch<lb/>
unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah-<lb/>
rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf-<lb/>
tigungen dieser Art nie abgeben, sondern der-<lb/>
gleichen Arbeiten den litterarischen Abdeckern<lb/>
überlassen, und, selbst bey gereiztestem Unwil-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0122] an ihm rächen, sind unzählige. Der unterste und glimpflichste Grad ist wohl der, wenn sie, nebst dem stummen Tadel, ihren erheu- chelten öffentlichen Zusicherungen, Verheis- sungen und Versprechen, ihren erlogenen Be- theurungen von landesväterlicher Liebe ihrer Unterthanen, ihrer unwahren Sorge vor das ge- meine Beste, kurz allen ihren Worten nicht mehr glauben. Halb oder ganz böse Fürsten können immer nooh von Glück sagen, wenn es nur bey diesem Nichtglauben bleibt; wie leicht ist aber der Ue- bergang vom Denken zum Reden und von die- sem zum Schreiben! Wie plötzlich, wie voll- tönigt, wie fürchterlich rächt sich oft ein ge- drücktes Volk durch Mund und Feder seiner Sprecher und Werkzeuge, an seinem Despoten und Plager, heimlich und offentlich durch blu- tende Epigrammen, durch Spott- und Strafschrif- ten jeder Gattung, durch die anschaulichste Darstellung ihres eigenen lasterhaften oder doch unrühmlichen Lebens. Ein religioser, ein wah- rer Ehren-Mann, wird sich freilich mit Beschäf- tigungen dieser Art nie abgeben, sondern der- gleichen Arbeiten den litterarischen Abdeckern überlassen, und, selbst bey gereiztestem Unwil-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/122
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/122>, abgerufen am 22.11.2024.