Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

und Hochachtung zuzumuthen, so lange sie
sich selbst deren nicht besser, als bisher, wür-
dig machen. Denn wie viele sind noch unter
ihnen, denen im Grund nicht gleichgültig ist,
ob man sie liebt oder hasst; ob man sie lobt
oder tadelt? Die vielmehr innerlich sich mit
dem: Oderint, dum metuant, beruhigen; die
sich daran genügen lassen, ihr Reich, Land
oder Ländgen zu haben und es nach ihren Ge-
lüsten und Phantasien geniessen zu können;
die zufrieden sind, wenn es nur hält, so lang
sie leben; die sich um die Nachkommen, die
sonst immer das zweyte Wort in den Mund
und Sinn alter guter Fürsten waren, nichts be-
kümmern; die sich über das Urtheil der Welt,
ihrer Zeitgenossen und der Geschichte, mit ei-
ner unverschämten Fühllosigkeit hinwegsetzen;
die nichts mehr rührt, als ihr Stolz, Ehrgeiz,
und unersättliche Habsucht; die, wo es noch
am erträglichsten geht, mit dem alten Fabulisten,
Reineke Fuchs, denken und sprechen:

Johannes, der fromm heilig Mann
Zeigt uns den Weg zur Wahrheit an,
Den wir ja billig hören sollen;
Wir thun darnach, was wir wollen.

und Hochachtung zuzumuthen, so lange sie
sich selbst deren nicht besser, als bisher, wür-
dig machen. Denn wie viele sind noch unter
ihnen, denen im Grund nicht gleichgültig ist,
ob man sie liebt oder haſst; ob man sie lobt
oder tadelt? Die vielmehr innerlich sich mit
dem: Oderint, dum metuant, beruhigen; die
sich daran genügen lassen, ihr Reich, Land
oder Ländgen zu haben und es nach ihren Ge-
lüsten und Phantasien geniessen zu können;
die zufrieden sind, wenn es nur hält, so lang
sie leben; die sich um die Nachkommen, die
sonst immer das zweyte Wort in den Mund
und Sinn alter guter Fürsten waren, nichts be-
kümmern; die sich über das Urtheil der Welt,
ihrer Zeitgenossen und der Geschichte, mit ei-
ner unverschämten Fühllosigkeit hinwegsetzen;
die nichts mehr rührt, als ihr Stolz, Ehrgeiz,
und unersättliche Habsucht; die, wo es noch
am erträglichsten geht, mit dem alten Fabulisten,
Reineke Fuchs, denken und sprechen:

Johannes, der fromm heilig Mann
Zeigt uns den Weg zur Wahrheit an,
Den wir ja billig hören sollen;
Wir thun darnach, was wir wollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0128" n="122"/>
und Hochachtung zuzumuthen, so lange sie<lb/>
sich selbst deren nicht besser, als bisher, wür-<lb/>
dig machen. Denn wie viele sind noch unter<lb/>
ihnen, denen im Grund nicht gleichgültig ist,<lb/>
ob man sie liebt oder ha&#x017F;st; ob man sie lobt<lb/>
oder tadelt? Die vielmehr innerlich sich mit<lb/>
dem: <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Oderint, dum metuant</hi>,</hi> beruhigen; die<lb/>
sich daran genügen lassen, ihr Reich, Land<lb/>
oder Ländgen zu haben und es nach ihren Ge-<lb/>
lüsten und Phantasien geniessen zu können;<lb/>
die zufrieden sind, wenn es nur hält, so lang<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">sie</hi></hi> leben; die sich um die Nachkommen, die<lb/>
sonst immer das zweyte Wort in den Mund<lb/>
und Sinn alter guter Fürsten waren, nichts be-<lb/>
kümmern; die sich über das Urtheil der Welt,<lb/>
ihrer Zeitgenossen und der Geschichte, mit ei-<lb/>
ner unverschämten Fühllosigkeit hinwegsetzen;<lb/>
die nichts mehr rührt, als ihr Stolz, Ehrgeiz,<lb/>
und unersättliche Habsucht; die, wo es noch<lb/>
am erträglichsten geht, mit dem alten Fabulisten,<lb/>
Reineke Fuchs, denken und sprechen:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Johannes, der fromm heilig Mann</l><lb/>
            <l>Zeigt uns den Weg zur Wahrheit an,</l><lb/>
            <l>Den wir ja billig hören sollen;</l><lb/>
            <l>Wir thun darnach, was wir wollen.</l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0128] und Hochachtung zuzumuthen, so lange sie sich selbst deren nicht besser, als bisher, wür- dig machen. Denn wie viele sind noch unter ihnen, denen im Grund nicht gleichgültig ist, ob man sie liebt oder haſst; ob man sie lobt oder tadelt? Die vielmehr innerlich sich mit dem: Oderint, dum metuant, beruhigen; die sich daran genügen lassen, ihr Reich, Land oder Ländgen zu haben und es nach ihren Ge- lüsten und Phantasien geniessen zu können; die zufrieden sind, wenn es nur hält, so lang sie leben; die sich um die Nachkommen, die sonst immer das zweyte Wort in den Mund und Sinn alter guter Fürsten waren, nichts be- kümmern; die sich über das Urtheil der Welt, ihrer Zeitgenossen und der Geschichte, mit ei- ner unverschämten Fühllosigkeit hinwegsetzen; die nichts mehr rührt, als ihr Stolz, Ehrgeiz, und unersättliche Habsucht; die, wo es noch am erträglichsten geht, mit dem alten Fabulisten, Reineke Fuchs, denken und sprechen: Johannes, der fromm heilig Mann Zeigt uns den Weg zur Wahrheit an, Den wir ja billig hören sollen; Wir thun darnach, was wir wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/128
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/128>, abgerufen am 22.11.2024.