Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich- keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü- gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil- derung leider nur allzutreffend.
Tief zu graben und fest zu bauen ist wohl schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie- derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher, möchte man fragen, der schleunige Uebergang der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un- empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte? Die wahre Ursache liegt ganz nahe: In ihrer Gottes-Vergessenheit, in der Misskennung ih- rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott, als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts und Berufs, kurz in ihrem practischen Un- glauben, kraft dessen sie in ihrem Herzen sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna- den, Knechte Gottes, seine Statthalter auf Er- den seyn und heissen wollen. Und dann wun-
Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich- keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü- gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil- derung leider nur allzutreffend.
Tief zu graben und fest zu bauen ist wohl schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie- derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher, möchte man fragen, der schleunige Uebergang der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un- empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte? Die wahre Ursache liegt ganz nahe: In ihrer Gottes-Vergessenheit, in der Miſskennung ih- rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott, als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts und Berufs, kurz in ihrem practischen Un- glauben, kraft dessen sie in ihrem Herzen sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna- den, Knechte Gottes, seine Statthalter auf Er- den seyn und heissen wollen. Und dann wun-
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Wie froh wollte ich mich über die Unähnlich-
keit dieses Bildes von der Wahrheit selbst lü-
gen strafen lassen; besorglich ist aber die Schil-
derung leider nur allzutreffend.
Tief zu graben und fest zu bauen ist wohl
schon lange her, in keinem Sinn, mehr eine
Sache unserer Fürsten gewesen; schnell nie-
derreissen und eben so flüchtig zu bauen, war
mehr nach ihrem Geschmack. Aber woher,
möchte man fragen, der schleunige Uebergang
der fast unbegreiflichen Fühllosigkeit und Un-
empfindlichkeit so vieler unter ihnen gegen
Lob und Tadel, gegen gute und böse Gerüchte?
Die wahre Ursache liegt ganz nahe: In ihrer
Gottes-Vergessenheit, in der Miſskennung ih-
rer Abhängigkeit und Verantwortlichkeit gegen
Gott, in der stolzen Verachtung ihres von Gott,
als seine Stellvertreter, tragenden hohen Amts
und Berufs, kurz in ihrem practischen Un-
glauben, kraft dessen sie in ihrem Herzen
sprechen: Es ist kein Gott! kraft dessen sie
lieber den Staat zu ihrem Götzen machen und
dessen Verwalter seyn, als: Von Gottes Gna-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/129>, abgerufen am 22.11.2024.
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