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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Es ist ein herzrührender Anblick, einen alten
König oder Fürsten und neben ihm seinen Grau-
kopf von Minister, einen Heinrich IV. und ihm
zur Seite seinen Sülly zu sehen; es ist erbau-
lich zu lesen, was Luther *) von einem ehe-
maligen Chur-Sächsischen Saatsdiener, der Al-
ters halben seinen Abschied forderte, erzählet.
"Friedrich von Thuna, Ritter", sagt er, "ein
verständiger weiser Mann in Churfürst Friedrichs
zu Sachsen Diensten, verlangte endlich seinen
Abschied von seinem Herrn. Dieser antwor-
tete ihm aber: Lieber Thun, du siehest, dass
Regieren ein schwer Ding ist, und ich bedarf
dazu geschickter Leute; ich kann deiner nicht
entbehren; wiewohl es dein Alter nicht länger
ertragen will, dass du zu Hofe seyest, so must
du doch Gedult haben, gleichwie ich auch muss
geduldig seyn. Denn wenn ich es nicht thun
will und du auch nicht, wer wills denn thun?
Darum kann ich dich nicht von mir lassen.
Es ist lieblich zu hören, wenn ein Fürst (wie
ich dieser Rede Zeuge bin) zu einem um sein

falligkeit gegen ihn dem Staat selbst geschadet habe".
Memoir. de Noailles T. VI. p. 271.
*) In seinen Tischreden, nach Lindners Auszügen II. B.
S. 205.

Es ist ein herzrührender Anblick, einen alten
König oder Fürsten und neben ihm seinen Grau-
kopf von Minister, einen Heinrich IV. und ihm
zur Seite seinen Sülly zu sehen; es ist erbau-
lich zu lesen, was Luther *) von einem ehe-
maligen Chur-Sächsischen Saatsdiener, der Al-
ters halben seinen Abschied forderte, erzählet.
„Friedrich von Thuna, Ritter„, sagt er, „ein
verständiger weiser Mann in Churfürst Friedrichs
zu Sachsen Diensten, verlangte endlich seinen
Abschied von seinem Herrn. Dieser antwor-
tete ihm aber: Lieber Thun, du siehest, daſs
Regieren ein schwer Ding ist, und ich bedarf
dazu geschickter Leute; ich kann deiner nicht
entbehren; wiewohl es dein Alter nicht länger
ertragen will, daſs du zu Hofe seyest, so must
du doch Gedult haben, gleichwie ich auch muſs
geduldig seyn. Denn wenn ich es nicht thun
will und du auch nicht, wer wills denn thun?
Darum kann ich dich nicht von mir lassen.
Es ist lieblich zu hören, wenn ein Fürst (wie
ich dieser Rede Zeuge bin) zu einem um sein

falligkeit gegen ihn dem Staat selbst geschadet habe„.
Memoir. de Noailles T. VI. p. 271.
*) In seinen Tischreden, nach Lindners Auszügen II. B.
S. 205.
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[166/0172] Es ist ein herzrührender Anblick, einen alten König oder Fürsten und neben ihm seinen Grau- kopf von Minister, einen Heinrich IV. und ihm zur Seite seinen Sülly zu sehen; es ist erbau- lich zu lesen, was Luther *) von einem ehe- maligen Chur-Sächsischen Saatsdiener, der Al- ters halben seinen Abschied forderte, erzählet. „Friedrich von Thuna, Ritter„, sagt er, „ein verständiger weiser Mann in Churfürst Friedrichs zu Sachsen Diensten, verlangte endlich seinen Abschied von seinem Herrn. Dieser antwor- tete ihm aber: Lieber Thun, du siehest, daſs Regieren ein schwer Ding ist, und ich bedarf dazu geschickter Leute; ich kann deiner nicht entbehren; wiewohl es dein Alter nicht länger ertragen will, daſs du zu Hofe seyest, so must du doch Gedult haben, gleichwie ich auch muſs geduldig seyn. Denn wenn ich es nicht thun will und du auch nicht, wer wills denn thun? Darum kann ich dich nicht von mir lassen. Es ist lieblich zu hören, wenn ein Fürst (wie ich dieser Rede Zeuge bin) zu einem um sein *) *) In seinen Tischreden, nach Lindners Auszügen II. B. S. 205. *) falligkeit gegen ihn dem Staat selbst geschadet habe„. Memoir. de Noailles T. VI. p. 271.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/172>, abgerufen am 21.11.2024.