bey seinem Leben, oder nach seinem Hingang aus der Zeit, für gross erklären.
Wer das grösste Reich oder Land und die beste und zahlreicheste Armee hat, ist nicht nur gross, sondern auch unter andern von geringern Kräf- ten der Grösste; desswegen aber heisst er noch nicht der Grosse.
Doch ist heut zu Tag auch ein jeder Fürst, so lang er lebt, gross, den seine Hof-Dich- ter, Hofleute, zuweilen auch die Hofprediger und die Professoren auf Universitäten und Gym- nasien dazu machen. Ist er todt, so machen sie ihm, nach K. Josephs II. gewohntem Aus- druck, alle aufs Grab.
Es ist ein, obgleich nur grammaticalischer, jedoch wesentlicher Unterschied: Ob die Benen- nung: Gross, vor oder hinter dem Namen eines Königs oder Fürsten steht; indem sonst ein Missverstand und Doppelsinn daraus entsteht, der sich nicht allemahl so vereinigen lässt, als wenn man z. B. sagte: Friedrich der Grosse war ein grosser Religions-Spötter; sondern es wür- de daraus die Kezerey folgen: Dass jeder von
Adel
bey seinem Leben, oder nach seinem Hingang aus der Zeit, für groſs erklären.
Wer das gröſste Reich oder Land und die beste und zahlreicheste Armee hat, ist nicht nur groſs, sondern auch unter andern von geringern Kräf- ten der Gröſste; deſswegen aber heiſst er noch nicht der Groſse.
Doch ist heut zu Tag auch ein jeder Fürst, so lang er lebt, groſs, den seine Hof-Dich- ter, Hofleute, zuweilen auch die Hofprediger und die Professoren auf Universitäten und Gym- nasien dazu machen. Ist er todt, so machen sie ihm, nach K. Josephs II. gewohntem Aus- druck, alle aufs Grab.
Es ist ein, obgleich nur grammaticalischer, jedoch wesentlicher Unterschied: Ob die Benen- nung: Groſs, vor oder hinter dem Namen eines Königs oder Fürsten steht; indem sonst ein Miſsverstand und Doppelsinn daraus entsteht, der sich nicht allemahl so vereinigen läſst, als wenn man z. B. sagte: Friedrich der Grosse war ein groſser Religions-Spötter; sondern es wür- de daraus die Kezerey folgen: Daſs jeder von
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bey seinem Leben, oder nach seinem Hingang
aus der Zeit, für groſs erklären.
Wer das gröſste Reich oder Land und die beste
und zahlreicheste Armee hat, ist nicht nur groſs,
sondern auch unter andern von geringern Kräf-
ten der Gröſste; deſswegen aber heiſst er noch
nicht der Groſse.
Doch ist heut zu Tag auch ein jeder Fürst,
so lang er lebt, groſs, den seine Hof-Dich-
ter, Hofleute, zuweilen auch die Hofprediger
und die Professoren auf Universitäten und Gym-
nasien dazu machen. Ist er todt, so machen
sie ihm, nach K. Josephs II. gewohntem Aus-
druck, alle aufs Grab.
Es ist ein, obgleich nur grammaticalischer,
jedoch wesentlicher Unterschied: Ob die Benen-
nung: Groſs, vor oder hinter dem Namen eines
Königs oder Fürsten steht; indem sonst ein
Miſsverstand und Doppelsinn daraus entsteht,
der sich nicht allemahl so vereinigen läſst, als
wenn man z. B. sagte: Friedrich der Grosse war
ein groſser Religions-Spötter; sondern es wür-
de daraus die Kezerey folgen: Daſs jeder von
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/182>, abgerufen am 24.11.2024.
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