allem diesem kann ganz oder zum Theil wahr seyn; es kann ein Fürst durch eigene Noth, Schuld und Schaden, oder durch erschütternde Beyspiele seiner Vorfahren und Agnaten wo nicht gründlich gebessert, doch gewitzigt wor- den seyn. Wenn man aber von jener innern geänderten Gesinnung keine probhaltige Beweise hat, so ist es immer am Besten, lieber gar zu schweigen, und es Gott, dem Herzenskündiger und eben so gerechten als barmherzigen Rich- ter aller Menschen zu überlassen, als ein unbe- dachtes und ungeprüftes Lob zu verschwenden.
Wie vieles wäre nun noch von der eigentli- chen Seelen-Krankheit der Könige und Für- sten, von ihrer Lob- und Ruhmsucht, Ehrbe- gierde, Ehrgeiz, von ihrer Selbstliebe und Ei- genlob zu sagen, und mit Thatsachen, mit ihren eigenen, ungezwungen und ungekünstelten, aus den innersten Drang und innigsten Gefüh- len ihres Herzens geschöpften Bekenntnissen, zu belegen und eben dadurch ganz anders zu beweisen, als man es in denen übrigens viel Gutes, Schönes und Wahres enthaltenden, ge- wöhnlichen moralischen Schriften findet. Ein verständiger Baumeister, wenn er auch plan- mässig nach seinem Riss arbeitet, lässt immer das Fundament sich erst setzen, ehe er mit dem Ueberbau eilt; ein weiser Arzt überladet seine Kranken nie mit Arzneyen und ist Diener der
(II. Band.) O
allem diesem kann ganz oder zum Theil wahr seyn; es kann ein Fürst durch eigene Noth, Schuld und Schaden, oder durch erschütternde Beyspiele seiner Vorfahren und Agnaten wo nicht gründlich gebessert, doch gewitzigt wor- den seyn. Wenn man aber von jener innern geänderten Gesinnung keine probhaltige Beweise hat, so ist es immer am Besten, lieber gar zu schweigen, und es Gott, dem Herzenskündiger und eben so gerechten als barmherzigen Rich- ter aller Menschen zu überlassen, als ein unbe- dachtes und ungeprüftes Lob zu verschwenden.
Wie vieles wäre nun noch von der eigentli- chen Seelen-Krankheit der Könige und Für- sten, von ihrer Lob- und Ruhmsucht, Ehrbe- gierde, Ehrgeiz, von ihrer Selbstliebe und Ei- genlob zu sagen, und mit Thatsachen, mit ihren eigenen, ungezwungen und ungekünstelten, aus den innersten Drang und innigsten Gefüh- len ihres Herzens geschöpften Bekenntnissen, zu belegen und eben dadurch ganz anders zu beweisen, als man es in denen übrigens viel Gutes, Schönes und Wahres enthaltenden, ge- wöhnlichen moralischen Schriften findet. Ein verständiger Baumeister, wenn er auch plan- mäſsig nach seinem Riſs arbeitet, läſst immer das Fundament sich erst setzen, ehe er mit dem Ueberbau eilt; ein weiser Arzt überladet seine Kranken nie mit Arzneyen und ist Diener der
(II. Band.) O
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[209/0215]
allem diesem kann ganz oder zum Theil wahr
seyn; es kann ein Fürst durch eigene Noth,
Schuld und Schaden, oder durch erschütternde
Beyspiele seiner Vorfahren und Agnaten wo
nicht gründlich gebessert, doch gewitzigt wor-
den seyn. Wenn man aber von jener innern
geänderten Gesinnung keine probhaltige Beweise
hat, so ist es immer am Besten, lieber gar zu
schweigen, und es Gott, dem Herzenskündiger
und eben so gerechten als barmherzigen Rich-
ter aller Menschen zu überlassen, als ein unbe-
dachtes und ungeprüftes Lob zu verschwenden.
Wie vieles wäre nun noch von der eigentli-
chen Seelen-Krankheit der Könige und Für-
sten, von ihrer Lob- und Ruhmsucht, Ehrbe-
gierde, Ehrgeiz, von ihrer Selbstliebe und Ei-
genlob zu sagen, und mit Thatsachen, mit ihren
eigenen, ungezwungen und ungekünstelten,
aus den innersten Drang und innigsten Gefüh-
len ihres Herzens geschöpften Bekenntnissen,
zu belegen und eben dadurch ganz anders zu
beweisen, als man es in denen übrigens viel
Gutes, Schönes und Wahres enthaltenden, ge-
wöhnlichen moralischen Schriften findet. Ein
verständiger Baumeister, wenn er auch plan-
mäſsig nach seinem Riſs arbeitet, läſst immer
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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