Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Dr. Joachim Lütkemann war im Jahr 1608.
in der Vor-Pommerischen Stadt Demmin geboh-
ren, und wurde 1643. auf der Universität zu Ro-
stock Professor der Physik und Metaphysik. In
einer im Jahr 1649 gehaltenen Disputation behaup-
tete er die sonderbare Meinung: Dass Christus die
drey Tage über, die er im Grab gelegen, nicht
wahrer Mensch gewesen sey. Darüber fieng
ein dortiger Professor der Theologie Feuer, und
trug auf das Verbot und Confiscation der Dispu-
tation an. Lütkemann wandte ein: Diss wären
philosophische Fragen, in welche sich die Theo-
logen nicht mischen möchten. Die Disputation
gieng also zwar vor sich; damit fieng aber der
Lerm erst an. Die Sache ward an Hof berich-
tet, und der orthodoxe Herzog Adolph Friedrich
darüber so entrüstet, dass er, biss zu näherer Un-
tersuchung des Handels, den Professor Lütke-
mann seines Amts entsezte und von allen Geistli-
chen des ganzen Landes über diese scholastische


Dr. Joachim Lütkemann war im Jahr 1608.
in der Vor-Pommerischen Stadt Demmin geboh-
ren, und wurde 1643. auf der Universität zu Ro-
stock Professor der Physik und Metaphysik. In
einer im Jahr 1649 gehaltenen Disputation behaup-
tete er die sonderbare Meinung: Daſs Christus die
drey Tage über, die er im Grab gelegen, nicht
wahrer Mensch gewesen sey. Darüber fieng
ein dortiger Professor der Theologie Feuer, und
trug auf das Verbot und Confiscation der Dispu-
tation an. Lütkemann wandte ein: Diſs wären
philosophische Fragen, in welche sich die Theo-
logen nicht mischen möchten. Die Disputation
gieng also zwar vor sich; damit fieng aber der
Lerm erst an. Die Sache ward an Hof berich-
tet, und der orthodoxe Herzog Adolph Friedrich
darüber so entrüstet, daſs er, biſs zu näherer Un-
tersuchung des Handels, den Professor Lütke-
mann seines Amts entsezte und von allen Geistli-
chen des ganzen Landes über diese scholastische

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0287" n="[281]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>r. Joachim <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Lütkemann</hi></hi> war im Jahr 1608.<lb/>
in der Vor-Pommerischen Stadt Demmin geboh-<lb/>
ren, und wurde 1643. auf der Universität zu Ro-<lb/>
stock Professor der Physik und Metaphysik. In<lb/>
einer im Jahr 1649 gehaltenen Disputation behaup-<lb/>
tete er die sonderbare Meinung: Da&#x017F;s Christus die<lb/>
drey Tage über, die er im Grab gelegen, nicht<lb/>
wahrer Mensch gewesen sey. Darüber fieng<lb/>
ein dortiger Professor der Theologie Feuer, und<lb/>
trug auf das Verbot und Confiscation der Dispu-<lb/>
tation an. Lütkemann wandte ein: Di&#x017F;s wären<lb/>
philosophische Fragen, in welche sich die Theo-<lb/>
logen nicht mischen möchten. Die Disputation<lb/>
gieng also zwar vor sich; damit fieng aber der<lb/>
Lerm erst an. Die Sache ward an Hof berich-<lb/>
tet, und der orthodoxe Herzog Adolph Friedrich<lb/>
darüber so entrüstet, da&#x017F;s er, bi&#x017F;s zu näherer Un-<lb/>
tersuchung des Handels, den Professor Lütke-<lb/>
mann seines Amts entsezte und von allen Geistli-<lb/>
chen des ganzen Landes über diese scholastische<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[281]/0287] Dr. Joachim Lütkemann war im Jahr 1608. in der Vor-Pommerischen Stadt Demmin geboh- ren, und wurde 1643. auf der Universität zu Ro- stock Professor der Physik und Metaphysik. In einer im Jahr 1649 gehaltenen Disputation behaup- tete er die sonderbare Meinung: Daſs Christus die drey Tage über, die er im Grab gelegen, nicht wahrer Mensch gewesen sey. Darüber fieng ein dortiger Professor der Theologie Feuer, und trug auf das Verbot und Confiscation der Dispu- tation an. Lütkemann wandte ein: Diſs wären philosophische Fragen, in welche sich die Theo- logen nicht mischen möchten. Die Disputation gieng also zwar vor sich; damit fieng aber der Lerm erst an. Die Sache ward an Hof berich- tet, und der orthodoxe Herzog Adolph Friedrich darüber so entrüstet, daſs er, biſs zu näherer Un- tersuchung des Handels, den Professor Lütke- mann seines Amts entsezte und von allen Geistli- chen des ganzen Landes über diese scholastische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/287
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. [281]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/287>, abgerufen am 24.11.2024.