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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Auf die Briefe und Berichte, die unmittelbar
an den König abgiengen, wurde nur gesezt:
Au Roi! Weil ein jeder seiner Unterthanen
die Erlaubniss hatte, an Ihn zu schreiben, auch
auf den Brief und die Schrift, wenn er es ent-
weder für nöthig oder doch für nützlich hielt,
sagen konnte: Zu Seiner Majestät eigenhändi-
ger Eröfnung; und weil er in diesem Fall alles
selbst eröfnete, und alles, was für ihn bestimmt
war, auf den Posten von den Cabinets-Räthen
und von seinen Domestiken angenommen, und
ihm zugeschickt und überreicht werden musste,
so konnten diejenigen, welche entweder etwas
bey ihm angaben oder jemand verklagten, ganz
frey schreiben. Also war kein Minister, kein
General, kein Collegium u. s. w. vor Angaben
und Klagen sicher; und fand der König Grund
und Ursache zu unmittelbaren Verfügungen,
so geschahen sie mit einer solchen Lebhaftig-
keit, auch wohl Heftigkeit, das diejenigen, an
welche sie ergiengen, dadurch in starke Bewe-
gung gesezt und erschüttert wurden. Zuwei-
len litt ein Angeklagter auch wohl ohne Ver-
schulden nicht wenig; allein im Ganzen war
diese Regierungs- und Verfahrens-Art des Mo-
narchen ein vortrefliches Mittel gegen den Mi-

Auf die Briefe und Berichte, die unmittelbar
an den König abgiengen, wurde nur gesezt:
Au Roi! Weil ein jeder seiner Unterthanen
die Erlaubniſs hatte, an Ihn zu schreiben, auch
auf den Brief und die Schrift, wenn er es ent-
weder für nöthig oder doch für nützlich hielt,
sagen konnte: Zu Seiner Majestät eigenhändi-
ger Eröfnung; und weil er in diesem Fall alles
selbst eröfnete, und alles, was für ihn bestimmt
war, auf den Posten von den Cabinets-Räthen
und von seinen Domestiken angenommen, und
ihm zugeschickt und überreicht werden muſste,
so konnten diejenigen, welche entweder etwas
bey ihm angaben oder jemand verklagten, ganz
frey schreiben. Also war kein Minister, kein
General, kein Collegium u. s. w. vor Angaben
und Klagen sicher; und fand der König Grund
und Ursache zu unmittelbaren Verfügungen,
so geschahen sie mit einer solchen Lebhaftig-
keit, auch wohl Heftigkeit, das diejenigen, an
welche sie ergiengen, dadurch in starke Bewe-
gung gesezt und erschüttert wurden. Zuwei-
len litt ein Angeklagter auch wohl ohne Ver-
schulden nicht wenig; allein im Ganzen war
diese Regierungs- und Verfahrens-Art des Mo-
narchen ein vortrefliches Mittel gegen den Mi-

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[42/0048] Auf die Briefe und Berichte, die unmittelbar an den König abgiengen, wurde nur gesezt: Au Roi! Weil ein jeder seiner Unterthanen die Erlaubniſs hatte, an Ihn zu schreiben, auch auf den Brief und die Schrift, wenn er es ent- weder für nöthig oder doch für nützlich hielt, sagen konnte: Zu Seiner Majestät eigenhändi- ger Eröfnung; und weil er in diesem Fall alles selbst eröfnete, und alles, was für ihn bestimmt war, auf den Posten von den Cabinets-Räthen und von seinen Domestiken angenommen, und ihm zugeschickt und überreicht werden muſste, so konnten diejenigen, welche entweder etwas bey ihm angaben oder jemand verklagten, ganz frey schreiben. Also war kein Minister, kein General, kein Collegium u. s. w. vor Angaben und Klagen sicher; und fand der König Grund und Ursache zu unmittelbaren Verfügungen, so geschahen sie mit einer solchen Lebhaftig- keit, auch wohl Heftigkeit, das diejenigen, an welche sie ergiengen, dadurch in starke Bewe- gung gesezt und erschüttert wurden. Zuwei- len litt ein Angeklagter auch wohl ohne Ver- schulden nicht wenig; allein im Ganzen war diese Regierungs- und Verfahrens-Art des Mo- narchen ein vortrefliches Mittel gegen den Mi-

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/48>, abgerufen am 21.11.2024.