Man verwechselt manchmahl so wohl bey dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi- gungen des Criminis laesae den Menschen mit dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was nur jenen angeht.
Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich, einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die der, zu welchem man spricht, nicht auch -- sondern wohl gar das Gegentheil davon hat. Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei- genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz- liche Spottrede; lässt es den lobenden unange- nehm empfinden, und, wann er kann und darf, rächt er sich wohl desswegen.
Die Könige loben selten anders, als mit de- nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine Schuldigkeit gethan. Sie meynen immer, sie entziehen und vergeben sich selbst was, wenn sie andere loben; und es ist noch immer wahr, was vor bald hundert Jahren die Frau von Maintenon an den Marschall von Noailles, schrieb": Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a donne de louanges, et il n'en sort gueres de
Man verwechselt manchmahl so wohl bey dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi- gungen des Criminis laesæ den Menschen mit dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was nur jenen angeht.
Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich, einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die der, zu welchem man spricht, nicht auch — sondern wohl gar das Gegentheil davon hat. Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei- genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz- liche Spottrede; läſst es den lobenden unange- nehm empfinden, und, wann er kann und darf, rächt er sich wohl deſswegen.
Die Könige loben selten anders, als mit de- nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine Schuldigkeit gethan. Sie meynen immer, sie entziehen und vergeben sich selbst was, wenn sie andere loben; und es ist noch immer wahr, was vor bald hundert Jahren die Frau von Maintenon an den Marschall von Noailles, schrieb„: Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a donné de louanges, et il n’en sort gueres de
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0098"n="92"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Man <hirendition="#i"><hirendition="#g">verwechselt</hi></hi> manchmahl so wohl bey<lb/>
dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi-<lb/>
gungen des <hirendition="#i"><hirendition="#g">Criminis laesæ</hi></hi> den Menschen mit<lb/>
dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was<lb/>
nur jenen angeht.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich,<lb/>
einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die<lb/>
der, zu welchem man spricht, nicht auch —<lb/>
sondern wohl gar das Gegentheil davon hat.<lb/>
Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei-<lb/>
genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz-<lb/>
liche Spottrede; läſst es den lobenden unange-<lb/>
nehm empfinden, und, wann er kann und darf,<lb/>
rächt er sich wohl deſswegen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Könige loben selten anders, als mit de-<lb/>
nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine<lb/><hirendition="#i"><hirendition="#g">Schuldigkeit</hi></hi> gethan. Sie meynen immer, sie<lb/>
entziehen und vergeben sich selbst was, wenn<lb/>
sie andere loben; und es ist noch immer wahr,<lb/>
was vor bald hundert Jahren die Frau <hirendition="#i"><hirendition="#g">von<lb/>
Maintenon</hi></hi> an den Marschall <hirendition="#i"><hirendition="#g">von Noailles</hi>,</hi><lb/>
schrieb„: Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a<lb/>
donné de louanges, et il n’en sort gueres de<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[92/0098]
Man verwechselt manchmahl so wohl bey
dem Loben der Fürsten als bey den Beschuldi-
gungen des Criminis laesæ den Menschen mit
dem Fürsten, und rechnet diesem zu gut, was
nur jenen angeht.
Es ist immer gewagt, zuweilen gefährlich,
einen Fürsten wegen Tugenden zu loben, die
der, zu welchem man spricht, nicht auch —
sondern wohl gar das Gegentheil davon hat.
Er sieht ein solches Lob als einen stillschwei-
genden Vorwurf, wo nicht gar als eine vorsetz-
liche Spottrede; läſst es den lobenden unange-
nehm empfinden, und, wann er kann und darf,
rächt er sich wohl deſswegen.
Die Könige loben selten anders, als mit de-
nen Worten: Er hat als ein braver Mann seine
Schuldigkeit gethan. Sie meynen immer, sie
entziehen und vergeben sich selbst was, wenn
sie andere loben; und es ist noch immer wahr,
was vor bald hundert Jahren die Frau von
Maintenon an den Marschall von Noailles,
schrieb„: Enfin le Roi (Louis XIV.) Vous a
donné de louanges, et il n’en sort gueres de
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/98>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.