Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Weltbekannt ist, wie wenig K. Friedrich II.
in Preussen, genannt der Einzige, seinen Thron-
folger, den jezigen König, geliebet, wie we-
nig Regierungs-Talent er ihm zugetraut, wie
viele Spott- und Stichelreden er sich über ihn
erlaubt hat. Der alte Cammerherr von Poellniz
war unter allen der einzige, der es wagte, dem
eifersüchtigen alten König vor die Stirne hin
zu sagen: Ew. Majestät irren sich an dem Cron-
Prinzen; er ist besser, als Sie denken. Hingegen
hielt der König den von Poellniz auch nicht
vor das, was er doch war, machte sich oft über
ihn lustig, und hielt ihn nicht selten würklich zum
Besten; das dann den Eindruck wieder schwäch-
te, den es ausser dem billig hätte haben sollen.


In der Türkey soll es Mode seyn, dass ein
Bassa den Strick küsst, mit dem er auf Befehl sei-
nes Gross-Sultans strangulirt werden soll. So,
just so, ist es mit allem Lobpreisen monar-
chisch-militarisch-despotischer Verfas-
sungen
. Man muss in denselben gebohren und
erzogen seyn, es nicht anders wissen, nicht
besser gesehen haben; nur alsdann ist das Prah-
len mit seinen eigenen Ketten für einen sonst
verständigen Mann entschuldbar.

Weltbekannt ist, wie wenig K. Friedrich II.
in Preussen, genannt der Einzige, seinen Thron-
folger, den jezigen König, geliebet, wie we-
nig Regierungs-Talent er ihm zugetraut, wie
viele Spott- und Stichelreden er sich über ihn
erlaubt hat. Der alte Cammerherr von Poellniz
war unter allen der einzige, der es wagte, dem
eifersüchtigen alten König vor die Stirne hin
zu sagen: Ew. Majestät irren sich an dem Cron-
Prinzen; er ist besser, als Sie denken. Hingegen
hielt der König den von Poellniz auch nicht
vor das, was er doch war, machte sich oft über
ihn lustig, und hielt ihn nicht selten würklich zum
Besten; das dann den Eindruck wieder schwäch-
te, den es ausser dem billig hätte haben sollen.


In der Türkey soll es Mode seyn, daſs ein
Bassa den Strick küſst, mit dem er auf Befehl sei-
nes Groſs-Sultans strangulirt werden soll. So,
just so, ist es mit allem Lobpreisen monar-
chisch-militarisch-despotischer Verfas-
sungen
. Man muſs in denselben gebohren und
erzogen seyn, es nicht anders wissen, nicht
besser gesehen haben; nur alsdann ist das Prah-
len mit seinen eigenen Ketten für einen sonst
verständigen Mann entschuldbar.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0097" n="91"/>
          <p>Weltbekannt ist, wie wenig K. Friedrich II.<lb/>
in Preussen, genannt der Einzige, seinen Thron-<lb/>
folger, den jezigen König, geliebet, wie we-<lb/>
nig Regierungs-Talent er ihm zugetraut, wie<lb/>
viele Spott- und Stichelreden er sich über ihn<lb/>
erlaubt hat. Der alte Cammerherr <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">von Poellniz</hi></hi><lb/>
war unter allen der einzige, der es wagte, dem<lb/>
eifersüchtigen alten König vor die Stirne hin<lb/>
zu sagen: Ew. Majestät irren sich an dem Cron-<lb/>
Prinzen; er ist besser, als Sie denken. Hingegen<lb/>
hielt der König den <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">von Poellniz</hi></hi> auch nicht<lb/>
vor das, was er doch war, machte sich oft über<lb/>
ihn lustig, und hielt ihn nicht selten würklich zum<lb/>
Besten; das dann den Eindruck wieder schwäch-<lb/>
te, den es ausser dem billig hätte haben sollen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>In der Türkey soll es Mode seyn, da&#x017F;s ein<lb/>
Bassa den Strick <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">&#x017F;st</hi>,</hi> mit dem er auf Befehl sei-<lb/>
nes Gro&#x017F;s-Sultans strangulirt werden soll. So,<lb/>
just so, ist es mit allem Lobpreisen <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">monar-<lb/>
chisch-militarisch-despotischer Verfas-<lb/>
sungen</hi></hi>. Man mu&#x017F;s in denselben gebohren und<lb/>
erzogen seyn, es nicht anders wissen, nicht<lb/>
besser gesehen haben; nur alsdann ist das Prah-<lb/>
len mit seinen eigenen Ketten für einen sonst<lb/>
verständigen Mann entschuldbar.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0097] Weltbekannt ist, wie wenig K. Friedrich II. in Preussen, genannt der Einzige, seinen Thron- folger, den jezigen König, geliebet, wie we- nig Regierungs-Talent er ihm zugetraut, wie viele Spott- und Stichelreden er sich über ihn erlaubt hat. Der alte Cammerherr von Poellniz war unter allen der einzige, der es wagte, dem eifersüchtigen alten König vor die Stirne hin zu sagen: Ew. Majestät irren sich an dem Cron- Prinzen; er ist besser, als Sie denken. Hingegen hielt der König den von Poellniz auch nicht vor das, was er doch war, machte sich oft über ihn lustig, und hielt ihn nicht selten würklich zum Besten; das dann den Eindruck wieder schwäch- te, den es ausser dem billig hätte haben sollen. In der Türkey soll es Mode seyn, daſs ein Bassa den Strick küſst, mit dem er auf Befehl sei- nes Groſs-Sultans strangulirt werden soll. So, just so, ist es mit allem Lobpreisen monar- chisch-militarisch-despotischer Verfas- sungen. Man muſs in denselben gebohren und erzogen seyn, es nicht anders wissen, nicht besser gesehen haben; nur alsdann ist das Prah- len mit seinen eigenen Ketten für einen sonst verständigen Mann entschuldbar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/97
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/97>, abgerufen am 24.11.2024.