Wie man durch eine geschickte Mäßigung des Bo- gens den guten Ton auf einer Violin suchen und recht hervor bringen solle.
§. 1.
Es mag etwa einigen scheinen, als wäre gegenwärtige Abhandelung am un- rechten Orte angebracht, und hätte dieselbe vielmehr gleich anfangs sollen eingeschaltet werden; um den Schüler schon bey dem Ergreifen der Violin zu der Hervorbringung eines reinen Tones geschickt zu machen. Doch wenn man erwäget, daß ein Anfänger um zu geigen auch nothwendig eine Strichart wissen muß; und wenn man betrachtet, daß er genug zu thun hat alle die vorgeschrie- benen nothwendigen Regeln genau zu beobachten, und mit vieler Sorge bald auf den Strich, bald auf die Noten, bald auf den Tact und auf alle die übri- gen Zeichen sehen muß: so wird man mirs nicht verargen, daß ich diese Abhan- delung hieher ersparet habe.
§. 2.
Daß man gleich anfangs die Geige etwas stark beziehen solle, ist schon oben im zweyten Hauptstücke §. 1. gesagt worden; und zwar darum: damit durch das starke Niederdrücken der Finger, und kräftige Anhalten des Bogens die Glieder abgehärtet und dadurch ein starker und männlicher Bogenstrich erobe- ret werde. Denn was kann wohl abgeschmackters seyn, als wenn man sich nicht getrauet die Geige recht anzugreifen; sondern mit dem Bogen (der oft nur mit zweenen Fingern gehalten wird) die Seyten kaum berühret, und eine so künst- liche Hinaufwispelung bis an den Sattel der Violin vornimmt, daß man nur da und dort eine Note zischen höret, folglich nicht weiß, was es sagen will:
weil
N 3
Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.
Wie man durch eine geſchickte Maͤßigung des Bo- gens den guten Ton auf einer Violin ſuchen und recht hervor bringen ſolle.
§. 1.
Es mag etwa einigen ſcheinen, als waͤre gegenwaͤrtige Abhandelung am un- rechten Orte angebracht, und haͤtte dieſelbe vielmehr gleich anfangs ſollen eingeſchaltet werden; um den Schuͤler ſchon bey dem Ergreifen der Violin zu der Hervorbringung eines reinen Tones geſchickt zu machen. Doch wenn man erwaͤget, daß ein Anfaͤnger um zu geigen auch nothwendig eine Strichart wiſſen muß; und wenn man betrachtet, daß er genug zu thun hat alle die vorgeſchrie- benen nothwendigen Regeln genau zu beobachten, und mit vieler Sorge bald auf den Strich, bald auf die Noten, bald auf den Tact und auf alle die uͤbri- gen Zeichen ſehen muß: ſo wird man mirs nicht verargen, daß ich dieſe Abhan- delung hieher erſparet habe.
§. 2.
Daß man gleich anfangs die Geige etwas ſtark beziehen ſolle, iſt ſchon oben im zweyten Hauptſtuͤcke §. 1. geſagt worden; und zwar darum: damit durch das ſtarke Niederdruͤcken der Finger, und kraͤftige Anhalten des Bogens die Glieder abgehaͤrtet und dadurch ein ſtarker und maͤnnlicher Bogenſtrich erobe- ret werde. Denn was kann wohl abgeſchmackters ſeyn, als wenn man ſich nicht getrauet die Geige recht anzugreifen; ſondern mit dem Bogen (der oft nur mit zweenen Fingern gehalten wird) die Seyten kaum beruͤhret, und eine ſo kuͤnſt- liche Hinaufwiſpelung bis an den Sattel der Violin vornimmt, daß man nur da und dort eine Note ziſchen hoͤret, folglich nicht weiß, was es ſagen will:
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Das fuͤnfte Hauptſtuͤck.
Wie man durch eine geſchickte Maͤßigung des Bo-
gens den guten Ton auf einer Violin ſuchen
und recht hervor bringen ſolle.
§. 1.
Es mag etwa einigen ſcheinen, als waͤre gegenwaͤrtige Abhandelung am un-
rechten Orte angebracht, und haͤtte dieſelbe vielmehr gleich anfangs ſollen
eingeſchaltet werden; um den Schuͤler ſchon bey dem Ergreifen der Violin zu
der Hervorbringung eines reinen Tones geſchickt zu machen. Doch wenn man
erwaͤget, daß ein Anfaͤnger um zu geigen auch nothwendig eine Strichart wiſſen
muß; und wenn man betrachtet, daß er genug zu thun hat alle die vorgeſchrie-
benen nothwendigen Regeln genau zu beobachten, und mit vieler Sorge bald
auf den Strich, bald auf die Noten, bald auf den Tact und auf alle die uͤbri-
gen Zeichen ſehen muß: ſo wird man mirs nicht verargen, daß ich dieſe Abhan-
delung hieher erſparet habe.
§. 2.
Daß man gleich anfangs die Geige etwas ſtark beziehen ſolle, iſt ſchon
oben im zweyten Hauptſtuͤcke §. 1. geſagt worden; und zwar darum: damit
durch das ſtarke Niederdruͤcken der Finger, und kraͤftige Anhalten des Bogens
die Glieder abgehaͤrtet und dadurch ein ſtarker und maͤnnlicher Bogenſtrich erobe-
ret werde. Denn was kann wohl abgeſchmackters ſeyn, als wenn man ſich nicht
getrauet die Geige recht anzugreifen; ſondern mit dem Bogen (der oft nur mit
zweenen Fingern gehalten wird) die Seyten kaum beruͤhret, und eine ſo kuͤnſt-
liche Hinaufwiſpelung bis an den Sattel der Violin vornimmt, daß man nur
da und dort eine Note ziſchen hoͤret, folglich nicht weiß, was es ſagen will:
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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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