Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Das neunte Hauptstück.
Man könnte freylich alle die absteigenden Vorschläge in grosse Noten setzen
und in den Tact austheilen. Allein wenn ein Spieler darüber kömmt, der
nicht kennet, daß es ausgeschriebene Vorschläge sind, oder der alle Noten zu
verkräuseln schon gewohnet hat, wie sieht es alsdann sowohl um die Melodie
als Harmonie aus? Jch wette darauf ein solcher schenket noch einen langen Vor-
schlag
darzu und spielt es also:
[Abbildung]
welches doch nimmer natürlich, sondern schon übertrieben und verwirret läßt (b).
Es ist nur schade, daß Anfänger so leicht in diesen Fehler verfallen.

§. 4.

Die zwote Art der langen Vorschläge, die man die längern Vor-
schläge
nennen mag, findet man erstlich bey punctierten Noten; zweytens,
bey halben Noten, wenn sie im Tacte gleich Anfangs stehen, oder wenn im
Zweyviertheil oder Vierviertheiltacte nur eine oder höchstens zwo vorkommen,
davon eine mit dem Vorschlage bemerket ist. Jn diesen Fällen wird der
Vorschlag länger gehalten. Bey den punctierten Noten hält man den
Vorschlag so lang, als die Zeit der Note austrägt; anstatt des Puncts
hingegen nimmt man erst den Ton der Note, doch so, als wenn ein Punct
dabey stünde: denn man erhebt den Bogen, und spielt die letzte Note so spät,
daß durch eine geschwinde Abänderung des Strichs die darauf kommende Note
gleich daran gehöret wird. Z. E.

[Abbildung]

Es
(b) Neu desis Operae, nevae immoderatus abundes. Horat. Lib. III. Sat. V.
B b 2

Das neunte Hauptſtuͤck.
Man koͤnnte freylich alle die abſteigenden Vorſchlaͤge in groſſe Noten ſetzen
und in den Tact austheilen. Allein wenn ein Spieler daruͤber koͤmmt, der
nicht kennet, daß es ausgeſchriebene Vorſchlaͤge ſind, oder der alle Noten zu
verkraͤuſeln ſchon gewohnet hat, wie ſieht es alsdann ſowohl um die Melodie
als Harmonie aus? Jch wette darauf ein ſolcher ſchenket noch einen langen Vor-
ſchlag
darzu und ſpielt es alſo:
[Abbildung]
welches doch nimmer natuͤrlich, ſondern ſchon uͤbertrieben und verwirret laͤßt (b).
Es iſt nur ſchade, daß Anfaͤnger ſo leicht in dieſen Fehler verfallen.

§. 4.

Die zwote Art der langen Vorſchlaͤge, die man die laͤngern Vor-
ſchlaͤge
nennen mag, findet man erſtlich bey punctierten Noten; zweytens,
bey halben Noten, wenn ſie im Tacte gleich Anfangs ſtehen, oder wenn im
Zweyviertheil oder Vierviertheiltacte nur eine oder hoͤchſtens zwo vorkommen,
davon eine mit dem Vorſchlage bemerket iſt. Jn dieſen Faͤllen wird der
Vorſchlag laͤnger gehalten. Bey den punctierten Noten haͤlt man den
Vorſchlag ſo lang, als die Zeit der Note austraͤgt; anſtatt des Puncts
hingegen nimmt man erſt den Ton der Note, doch ſo, als wenn ein Punct
dabey ſtuͤnde: denn man erhebt den Bogen, und ſpielt die letzte Note ſo ſpaͤt,
daß durch eine geſchwinde Abaͤnderung des Strichs die darauf kommende Note
gleich daran gehoͤret wird. Z. E.

[Abbildung]

Es
(b) Neu deſis Operæ, nevæ immoderatus abundes. Horat. Lib. III. Sat. V.
B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0223" n="195"/><fw place="top" type="header">Das neunte Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck. </fw><lb/>
Man ko&#x0364;nnte freylich alle die <hi rendition="#b">ab&#x017F;teigenden Vor&#x017F;chla&#x0364;ge</hi> in gro&#x017F;&#x017F;e Noten &#x017F;etzen<lb/>
und in den Tact austheilen. Allein wenn ein Spieler daru&#x0364;ber ko&#x0364;mmt, der<lb/>
nicht kennet, daß es ausge&#x017F;chriebene Vor&#x017F;chla&#x0364;ge &#x017F;ind, oder der alle Noten zu<lb/>
verkra&#x0364;u&#x017F;eln &#x017F;chon gewohnet hat, wie &#x017F;ieht es alsdann &#x017F;owohl um die <hi rendition="#b">Melodie</hi><lb/>
als <hi rendition="#b">Harmonie</hi> aus? Jch wette darauf ein &#x017F;olcher &#x017F;chenket noch einen langen <hi rendition="#b">Vor-<lb/>
&#x017F;chlag</hi> darzu und &#x017F;pielt es al&#x017F;o:<lb/><figure/><lb/>
welches doch nimmer natu&#x0364;rlich, &#x017F;ondern &#x017F;chon u&#x0364;bertrieben und verwirret la&#x0364;ßt <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">Neu de&#x017F;is Operæ, nevæ immoderatus abundes. Horat. Lib. III. Sat. V.</hi></note>.<lb/>
Es i&#x017F;t nur &#x017F;chade, daß Anfa&#x0364;nger &#x017F;o leicht in die&#x017F;en Fehler verfallen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.</head><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#b">zwote</hi> Art der <hi rendition="#b">langen Vor&#x017F;chla&#x0364;ge,</hi> die man die <hi rendition="#b">la&#x0364;ngern Vor-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge</hi> nennen mag, findet man er&#x017F;tlich bey punctierten Noten; <hi rendition="#b">zweytens,</hi><lb/>
bey halben Noten, wenn &#x017F;ie im <formula notation="TeX">\substack{3\\4}</formula> Tacte gleich Anfangs &#x017F;tehen, oder wenn im<lb/>
Zweyviertheil oder Vierviertheiltacte nur eine oder ho&#x0364;ch&#x017F;tens zwo vorkommen,<lb/>
davon eine mit dem <hi rendition="#b">Vor&#x017F;chlage</hi> bemerket i&#x017F;t. Jn die&#x017F;en Fa&#x0364;llen wird der<lb/><hi rendition="#b">Vor&#x017F;chlag</hi> la&#x0364;nger gehalten. Bey den <hi rendition="#b">punctierten Noten</hi> ha&#x0364;lt man den<lb/>
Vor&#x017F;chlag &#x017F;o lang, als die Zeit der Note austra&#x0364;gt; an&#x017F;tatt des Puncts<lb/>
hingegen nimmt man er&#x017F;t den Ton der Note, doch &#x017F;o, als wenn ein Punct<lb/>
dabey &#x017F;tu&#x0364;nde: denn man erhebt den Bogen, und &#x017F;pielt die letzte Note &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t,<lb/>
daß durch eine ge&#x017F;chwinde Aba&#x0364;nderung des Strichs die darauf kommende Note<lb/>
gleich daran geho&#x0364;ret wird. Z. E.<lb/><figure/><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0223] Das neunte Hauptſtuͤck. Man koͤnnte freylich alle die abſteigenden Vorſchlaͤge in groſſe Noten ſetzen und in den Tact austheilen. Allein wenn ein Spieler daruͤber koͤmmt, der nicht kennet, daß es ausgeſchriebene Vorſchlaͤge ſind, oder der alle Noten zu verkraͤuſeln ſchon gewohnet hat, wie ſieht es alsdann ſowohl um die Melodie als Harmonie aus? Jch wette darauf ein ſolcher ſchenket noch einen langen Vor- ſchlag darzu und ſpielt es alſo: [Abbildung] welches doch nimmer natuͤrlich, ſondern ſchon uͤbertrieben und verwirret laͤßt (b). Es iſt nur ſchade, daß Anfaͤnger ſo leicht in dieſen Fehler verfallen. §. 4. Die zwote Art der langen Vorſchlaͤge, die man die laͤngern Vor- ſchlaͤge nennen mag, findet man erſtlich bey punctierten Noten; zweytens, bey halben Noten, wenn ſie im [FORMEL] Tacte gleich Anfangs ſtehen, oder wenn im Zweyviertheil oder Vierviertheiltacte nur eine oder hoͤchſtens zwo vorkommen, davon eine mit dem Vorſchlage bemerket iſt. Jn dieſen Faͤllen wird der Vorſchlag laͤnger gehalten. Bey den punctierten Noten haͤlt man den Vorſchlag ſo lang, als die Zeit der Note austraͤgt; anſtatt des Puncts hingegen nimmt man erſt den Ton der Note, doch ſo, als wenn ein Punct dabey ſtuͤnde: denn man erhebt den Bogen, und ſpielt die letzte Note ſo ſpaͤt, daß durch eine geſchwinde Abaͤnderung des Strichs die darauf kommende Note gleich daran gehoͤret wird. Z. E. [Abbildung] Es (b) Neu deſis Operæ, nevæ immoderatus abundes. Horat. Lib. III. Sat. V. B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/223
Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/223>, abgerufen am 19.05.2024.