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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Das zehente Hauptstück.
[Abbildung]
§. 8.

Der Triller muß überhaupts nicht zu geschwind geschlagen werden, sonst
wird er unverständlich, meckerend, oder ein sogenannter Geißtriller. Ferner
darf man auf den feinern und hochgestimmten Seyten einen geschwindern Triller
schlagen, als auf den dicken und tief gestimmten Seyten: weil die letztern sich
langsam, die ersten aber sich sehr geschwind bewegen. Und endlich muß man
auch, wenn man ein Solo spielet, den Ort beobachten, wo man seine Stücke
aufzuführen gedenket. An einem kleinen Orte, welches etwa noch dazu aus-
tapeziert ist, oder wo die Zuhörer gar zu nahe sind, wird ein geschwinder
Triller von besserer Wirkung seyn. Spielet man hingegen in einem grossen
Saal, wo es sehr klinget, oder sind etwa die Zuhörer ziemlich entfernet: so
wird man besser einen langsamen Triller machen.

§. 9.

Man muß vor allem sich üben einen langen Triller mit Zurückhaltung
des Striches zu machen. Denn manchmal muß man eine lange Note aus-
halten die mit einem Triller bezeichnet ist: und es würde eben so ungereimt
lassen dabey abzusetzen, und den Bogen zu ändern; als wenn ein Sänger mit-
ten in einer langen Note Athem holen wollte. Es ist auch nichts abgeschmack-
ters, als wenn bey einer Cadenze, wo man an das Zeitmaaß nicht gebunden
ist, der Triller so schnell und unerwart abgebrochen wird, daß die Ohren der
Zuhörer mehr beleidiget als belustiget werden. Es wird in solchem Falle dem
Gehör etwas entrissen; und man bleibt eben deßwegen unvergnügt, weil man
noch eine längere Aushaltung erwartet hat: gleichwie es den Zuhörern gewiß

unge-
E e 3
Das zehente Hauptſtuͤck.
[Abbildung]
§. 8.

Der Triller muß uͤberhaupts nicht zu geſchwind geſchlagen werden, ſonſt
wird er unverſtaͤndlich, meckerend, oder ein ſogenannter Geißtriller. Ferner
darf man auf den feinern und hochgeſtimmten Seyten einen geſchwindern Triller
ſchlagen, als auf den dicken und tief geſtimmten Seyten: weil die letztern ſich
langſam, die erſten aber ſich ſehr geſchwind bewegen. Und endlich muß man
auch, wenn man ein Solo ſpielet, den Ort beobachten, wo man ſeine Stuͤcke
aufzufuͤhren gedenket. An einem kleinen Orte, welches etwa noch dazu aus-
tapeziert iſt, oder wo die Zuhoͤrer gar zu nahe ſind, wird ein geſchwinder
Triller von beſſerer Wirkung ſeyn. Spielet man hingegen in einem groſſen
Saal, wo es ſehr klinget, oder ſind etwa die Zuhoͤrer ziemlich entfernet: ſo
wird man beſſer einen langſamen Triller machen.

§. 9.

Man muß vor allem ſich uͤben einen langen Triller mit Zuruͤckhaltung
des Striches zu machen. Denn manchmal muß man eine lange Note aus-
halten die mit einem Triller bezeichnet iſt: und es wuͤrde eben ſo ungereimt
laſſen dabey abzuſetzen, und den Bogen zu aͤndern; als wenn ein Saͤnger mit-
ten in einer langen Note Athem holen wollte. Es iſt auch nichts abgeſchmack-
ters, als wenn bey einer Cadenze, wo man an das Zeitmaaß nicht gebunden
iſt, der Triller ſo ſchnell und unerwart abgebrochen wird, daß die Ohren der
Zuhoͤrer mehr beleidiget als beluſtiget werden. Es wird in ſolchem Falle dem
Gehoͤr etwas entriſſen; und man bleibt eben deßwegen unvergnuͤgt, weil man
noch eine laͤngere Aushaltung erwartet hat: gleichwie es den Zuhoͤrern gewiß

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[221/0249] Das zehente Hauptſtuͤck. [Abbildung] §. 8. Der Triller muß uͤberhaupts nicht zu geſchwind geſchlagen werden, ſonſt wird er unverſtaͤndlich, meckerend, oder ein ſogenannter Geißtriller. Ferner darf man auf den feinern und hochgeſtimmten Seyten einen geſchwindern Triller ſchlagen, als auf den dicken und tief geſtimmten Seyten: weil die letztern ſich langſam, die erſten aber ſich ſehr geſchwind bewegen. Und endlich muß man auch, wenn man ein Solo ſpielet, den Ort beobachten, wo man ſeine Stuͤcke aufzufuͤhren gedenket. An einem kleinen Orte, welches etwa noch dazu aus- tapeziert iſt, oder wo die Zuhoͤrer gar zu nahe ſind, wird ein geſchwinder Triller von beſſerer Wirkung ſeyn. Spielet man hingegen in einem groſſen Saal, wo es ſehr klinget, oder ſind etwa die Zuhoͤrer ziemlich entfernet: ſo wird man beſſer einen langſamen Triller machen. §. 9. Man muß vor allem ſich uͤben einen langen Triller mit Zuruͤckhaltung des Striches zu machen. Denn manchmal muß man eine lange Note aus- halten die mit einem Triller bezeichnet iſt: und es wuͤrde eben ſo ungereimt laſſen dabey abzuſetzen, und den Bogen zu aͤndern; als wenn ein Saͤnger mit- ten in einer langen Note Athem holen wollte. Es iſt auch nichts abgeſchmack- ters, als wenn bey einer Cadenze, wo man an das Zeitmaaß nicht gebunden iſt, der Triller ſo ſchnell und unerwart abgebrochen wird, daß die Ohren der Zuhoͤrer mehr beleidiget als beluſtiget werden. Es wird in ſolchem Falle dem Gehoͤr etwas entriſſen; und man bleibt eben deßwegen unvergnuͤgt, weil man noch eine laͤngere Aushaltung erwartet hat: gleichwie es den Zuhoͤrern gewiß unge- E e 3

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/249>, abgerufen am 19.05.2024.