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Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756.

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Das zwölfte Hauptstück.
Hauptstimme dadurch unterdrücket. Eine solche wenige und kurz angebrachte
Stärke muß vielmehr die Hauptstimme erheben, die Melodie begeistern, dem
Concertisten aushelfen, und ihm die Mühe das Stück recht zu Charakterisie-
ren, erleichtern.

§. 18.

Gleichwie man nun das Schleifen und das Stossen, das Schwa-
che
und das Starke nach Erforderung des Ausdruckes genauest beobachten
muß: eben so muß man auch nicht beständig mit einem schleppenden schweren
Striche fortspielen, sondern sich nach dem bey ieder Passage herrschenden Affecte
richten. Lustige und tändelnde Passagen müssen mit leichten und kurzen Bo-
genstrichen erhoben, frölich und geschwind weggespielet werden: gleichwie man
langsame und traurige Stücke mit langen Bogenzügen, nahrhaft, und mit
Zärtlichkeit vortragen muß.

§. 19.

Bey der Begleitung einer Concertstimme muß man meistens die Noten
nicht anhaltend, sondern schnell wegspielen, und in dem und Tacte sind
die schwarzen Noten fast wie Achttheilnoten abzugeigen: um den Vortrag
nicht schläfferig zu machen. Man sehe aber auf die Gleichheit des Zeitmaa-
ses
; und die schwarze Note muß man mehr hören als die Achtheilnote. Z. E.

[Abbildung]
§. 20.

Viele, die von dem Geschmacke keinen Begriff haben, wollen bey dem
Accompagnement einer concertirenden Stimme niemals bey der Gleichheit des
Tactes bleiben; sondern sie bemühen sich immer der Hauptstimme nachzugeben.
Dieß sind Accompagnisten vor Stümpler und nicht vor Meister. Wenn man
manche italiänische Sängerin, oder sonst solche Einbildungsvirtuosen vor sich
hat, die dasjenige, was sie auswendig lernen, nicht einmal nach dem richti-

gen

Das zwoͤlfte Hauptſtuͤck.
Hauptſtimme dadurch unterdruͤcket. Eine ſolche wenige und kurz angebrachte
Staͤrke muß vielmehr die Hauptſtimme erheben, die Melodie begeiſtern, dem
Concertiſten aushelfen, und ihm die Muͤhe das Stuͤck recht zu Charakteriſie-
ren, erleichtern.

§. 18.

Gleichwie man nun das Schleifen und das Stoſſen, das Schwa-
che
und das Starke nach Erforderung des Ausdruckes genaueſt beobachten
muß: eben ſo muß man auch nicht beſtaͤndig mit einem ſchleppenden ſchweren
Striche fortſpielen, ſondern ſich nach dem bey ieder Paſſage herrſchenden Affecte
richten. Luſtige und taͤndelnde Paſſagen muͤſſen mit leichten und kurzen Bo-
genſtrichen erhoben, froͤlich und geſchwind weggeſpielet werden: gleichwie man
langſame und traurige Stuͤcke mit langen Bogenzuͤgen, nahrhaft, und mit
Zaͤrtlichkeit vortragen muß.

§. 19.

Bey der Begleitung einer Concertſtimme muß man meiſtens die Noten
nicht anhaltend, ſondern ſchnell wegſpielen, und in dem und Tacte ſind
die ſchwarzen Noten faſt wie Achttheilnoten abzugeigen: um den Vortrag
nicht ſchlaͤfferig zu machen. Man ſehe aber auf die Gleichheit des Zeitmaa-
ſes
; und die schwarze Note muß man mehr hoͤren als die Achtheilnote. Z. E.

[Abbildung]
§. 20.

Viele, die von dem Geſchmacke keinen Begriff haben, wollen bey dem
Accompagnement einer concertirenden Stimme niemals bey der Gleichheit des
Tactes bleiben; ſondern ſie bemuͤhen ſich immer der Hauptſtimme nachzugeben.
Dieß ſind Accompagniſten vor Stuͤmpler und nicht vor Meiſter. Wenn man
manche italiaͤniſche Saͤngerin, oder ſonſt ſolche Einbildungsvirtuoſen vor ſich
hat, die dasjenige, was ſie auswendig lernen, nicht einmal nach dem richti-

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[262/0290] Das zwoͤlfte Hauptſtuͤck. Hauptſtimme dadurch unterdruͤcket. Eine ſolche wenige und kurz angebrachte Staͤrke muß vielmehr die Hauptſtimme erheben, die Melodie begeiſtern, dem Concertiſten aushelfen, und ihm die Muͤhe das Stuͤck recht zu Charakteriſie- ren, erleichtern. §. 18. Gleichwie man nun das Schleifen und das Stoſſen, das Schwa- che und das Starke nach Erforderung des Ausdruckes genaueſt beobachten muß: eben ſo muß man auch nicht beſtaͤndig mit einem ſchleppenden ſchweren Striche fortſpielen, ſondern ſich nach dem bey ieder Paſſage herrſchenden Affecte richten. Luſtige und taͤndelnde Paſſagen muͤſſen mit leichten und kurzen Bo- genſtrichen erhoben, froͤlich und geſchwind weggeſpielet werden: gleichwie man langſame und traurige Stuͤcke mit langen Bogenzuͤgen, nahrhaft, und mit Zaͤrtlichkeit vortragen muß. §. 19. Bey der Begleitung einer Concertſtimme muß man meiſtens die Noten nicht anhaltend, ſondern ſchnell wegſpielen, und in dem [FORMEL] und [FORMEL] Tacte ſind die ſchwarzen Noten faſt wie Achttheilnoten abzugeigen: um den Vortrag nicht ſchlaͤfferig zu machen. Man ſehe aber auf die Gleichheit des Zeitmaa- ſes; und die schwarze Note muß man mehr hoͤren als die Achtheilnote. Z. E. [Abbildung] §. 20. Viele, die von dem Geſchmacke keinen Begriff haben, wollen bey dem Accompagnement einer concertirenden Stimme niemals bey der Gleichheit des Tactes bleiben; ſondern ſie bemuͤhen ſich immer der Hauptſtimme nachzugeben. Dieß ſind Accompagniſten vor Stuͤmpler und nicht vor Meiſter. Wenn man manche italiaͤniſche Saͤngerin, oder ſonſt ſolche Einbildungsvirtuoſen vor ſich hat, die dasjenige, was ſie auswendig lernen, nicht einmal nach dem richti- gen

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Zitationshilfe: Mozart, Leopold: Versuch einer gründlichen Violinschule. Augsburg, 1756, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mozart_violinschule_1756/290>, abgerufen am 02.06.2024.