Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.die Höhe hinan, der Missionär blieb einige Minuten stehen, bis er umkehrte, noch einmal den wüsten Garten und das kleine öde Haus betrachtete, traurig den Kopf schüttelte und dann in der Schlucht aufwärts stieg, welche auf die Höhe des Fjeldes führte. Er kehrt zu den Rennthieren und dem süß duftenden Kessel der alten Hexe zurück, sagte Stureson, und wohl bekomme es ihm. Aber welche Macht besitzt der Heiligenschein und der schwarze Rock auf Erden! Was alle meine Zärtlichkeit, meine Aufmerksamkeit, mein Schmachten und Bitten nicht vermochten, das vollbringt dieser graubärtige Priester in einer Stunde. -- Glück auf denn, Lars, sie wird dich lieben, weil er es ihr als Pflicht befohlen hat. Ich habe oft gesagt, fuhr er spottend fort, indem er an der Bucht hinabging, daß Priester nur in der Welt sind, damit Dummheit und Aberglauben nicht aussterben, jetzt kann ich Abbitte leisten. Sie sind auch dazu da, nicht allein die Geister, sondern auch die Herzen der Menschen zu unterjochen und Alles, was ihnen nützt, wofür man sie gewinnt, als Gottes Gebot auszurufen. Er kehrte zurück, und während des ganzen Abends war Mary sehr still und geschäftig, aber er bemerkte sehr wohl, daß ihre Blicke mild und prüfend ihn betrachteten und ihre Antworten freundlicher und theilnehmender klangen, als es je der Fall gewesen war. Am Morgen hob Stureson die Braut auf den die Höhe hinan, der Missionär blieb einige Minuten stehen, bis er umkehrte, noch einmal den wüsten Garten und das kleine öde Haus betrachtete, traurig den Kopf schüttelte und dann in der Schlucht aufwärts stieg, welche auf die Höhe des Fjeldes führte. Er kehrt zu den Rennthieren und dem süß duftenden Kessel der alten Hexe zurück, sagte Stureson, und wohl bekomme es ihm. Aber welche Macht besitzt der Heiligenschein und der schwarze Rock auf Erden! Was alle meine Zärtlichkeit, meine Aufmerksamkeit, mein Schmachten und Bitten nicht vermochten, das vollbringt dieser graubärtige Priester in einer Stunde. — Glück auf denn, Lars, sie wird dich lieben, weil er es ihr als Pflicht befohlen hat. Ich habe oft gesagt, fuhr er spottend fort, indem er an der Bucht hinabging, daß Priester nur in der Welt sind, damit Dummheit und Aberglauben nicht aussterben, jetzt kann ich Abbitte leisten. Sie sind auch dazu da, nicht allein die Geister, sondern auch die Herzen der Menschen zu unterjochen und Alles, was ihnen nützt, wofür man sie gewinnt, als Gottes Gebot auszurufen. Er kehrte zurück, und während des ganzen Abends war Mary sehr still und geschäftig, aber er bemerkte sehr wohl, daß ihre Blicke mild und prüfend ihn betrachteten und ihre Antworten freundlicher und theilnehmender klangen, als es je der Fall gewesen war. Am Morgen hob Stureson die Braut auf den <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0139"/> die Höhe hinan, der Missionär blieb einige Minuten stehen, bis er umkehrte, noch einmal den wüsten Garten und das kleine öde Haus betrachtete, traurig den Kopf schüttelte und dann in der Schlucht aufwärts stieg, welche auf die Höhe des Fjeldes führte. </p><lb/> <p> Er kehrt zu den Rennthieren und dem süß duftenden Kessel der alten Hexe zurück, sagte Stureson, und wohl bekomme es ihm. Aber welche Macht besitzt der Heiligenschein und der schwarze Rock auf Erden! Was alle meine Zärtlichkeit, meine Aufmerksamkeit, mein Schmachten und Bitten nicht vermochten, das vollbringt dieser graubärtige Priester in einer Stunde. — Glück auf denn, Lars, sie wird dich lieben, weil er es ihr als Pflicht befohlen hat. Ich habe oft gesagt, fuhr er spottend fort, indem er an der Bucht hinabging, daß Priester nur in der Welt sind, damit Dummheit und Aberglauben nicht aussterben, jetzt kann ich Abbitte leisten. Sie sind auch dazu da, nicht allein die Geister, sondern auch die Herzen der Menschen zu unterjochen und Alles, was ihnen nützt, wofür man sie gewinnt, als Gottes Gebot auszurufen. </p><lb/> <p> Er kehrte zurück, und während des ganzen Abends war Mary sehr still und geschäftig, aber er bemerkte sehr wohl, daß ihre Blicke mild und prüfend ihn betrachteten und ihre Antworten freundlicher und theilnehmender klangen, als es je der Fall gewesen war. </p><lb/> <p> Am Morgen hob Stureson die Braut auf den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
die Höhe hinan, der Missionär blieb einige Minuten stehen, bis er umkehrte, noch einmal den wüsten Garten und das kleine öde Haus betrachtete, traurig den Kopf schüttelte und dann in der Schlucht aufwärts stieg, welche auf die Höhe des Fjeldes führte.
Er kehrt zu den Rennthieren und dem süß duftenden Kessel der alten Hexe zurück, sagte Stureson, und wohl bekomme es ihm. Aber welche Macht besitzt der Heiligenschein und der schwarze Rock auf Erden! Was alle meine Zärtlichkeit, meine Aufmerksamkeit, mein Schmachten und Bitten nicht vermochten, das vollbringt dieser graubärtige Priester in einer Stunde. — Glück auf denn, Lars, sie wird dich lieben, weil er es ihr als Pflicht befohlen hat. Ich habe oft gesagt, fuhr er spottend fort, indem er an der Bucht hinabging, daß Priester nur in der Welt sind, damit Dummheit und Aberglauben nicht aussterben, jetzt kann ich Abbitte leisten. Sie sind auch dazu da, nicht allein die Geister, sondern auch die Herzen der Menschen zu unterjochen und Alles, was ihnen nützt, wofür man sie gewinnt, als Gottes Gebot auszurufen.
Er kehrte zurück, und während des ganzen Abends war Mary sehr still und geschäftig, aber er bemerkte sehr wohl, daß ihre Blicke mild und prüfend ihn betrachteten und ihre Antworten freundlicher und theilnehmender klangen, als es je der Fall gewesen war.
Am Morgen hob Stureson die Braut auf den
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Zitationshilfe: | Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910/139>, abgerufen am 31.07.2024. |