Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Hochzeit-Gedichte. Eilt beyderley Geschlecht in stürmendem Gedränge/Und jedes wil die Noth zum ersten zeigen an. Die Schwanen geben drauf sanfftmütig zu verstehen/ Der Vorlaß sey bereit den Jungfern zugesagt. Die Nymfen heißt Begier und schneller Vorwitz gehen/ Zu melden diese Qual so sie bißher geplagt: Die trauret/ daß ihr Schatz mit Eyd und Schwüren schertze/ Und jene/ daß man sie nur liebe bey der Nacht; Ein' andre wie die Treu gar oft vom Buhler stertze/ Daß sie ein Kuß/ und nicht ein Ehschluß froh gemacht; Die zeigt ihr blaß Gesicht/ und wie sie sich verwachet; Die denckt durch Firniß noch zu mahlen Wand und Mund; Viel schätzen sich vergnügt wenn nur der Liebste lachet/ Und bauen uns gemein auf einen faulen Grund. Es ligt das bleiche Volck der Liebe zu den Füssen/ Kocht einer noch das Blut/ so wil sie einen Mann; Viel die den Kern verzehrt und leer sich speisen müssen/ Die reitzet doch der Leim von eitler Wollust an; Ja manchen wächst der Muth und zancken mit dem Glücke/ Sie schlagen Reichthum für/ Witz/ Jugend/ Schönheit/ Stand; Der Himmel ist nur taub und eisern das Geschicke/ Sie werden nicht gefreyt/ wie sehr sie sonst bekand. Dergleichen Klagen mehr/ erhub der Jungfern Orden/ Als eifrig umb Verhör die Frauen hielten an; Die/ als sie/ nach Gebühr/ sind vorgelassen worden/ Btfestigten den Streit deß Rechtes/ wie man kan: Die erste wolte bald die Oberherrschafft haben/ Der Mann der solle nur ein treuer Frohne seyn/ Und eine junge rufft: ach! daß mein Greiß begraben; Die dritte/ weh! mein Mann liebt mich nicht/ nur den Wein; Die spricht: mein Knoblochs Haupt hat weiter keine Keime/ Und die: ein Buch gilt mehr/ als mein gerader Leib; Die etwas blöder ist: sagt ich weiß nichts als Träume/ Bin Jungfer in dem Werck und vor der Welt ein Weib. Viel andre klagen mehr und Angst-erfülltes Kümmern/ Beschwunge/ wie mit Nacht/ der Liebe goldnen Thron; Sie aber sprach: es muß bey mir heut' Anmuth schimmern/ Und die Behägligkeit verschönern meine Kron: Es
Hochzeit-Gedichte. Eilt beyderley Geſchlecht in ſtuͤrmendem Gedraͤnge/Und jedes wil die Noth zum erſten zeigen an. Die Schwanen geben drauf ſanfftmuͤtig zu verſtehen/ Der Vorlaß ſey bereit den Jungfern zugeſagt. Die Nymfen heißt Begier und ſchneller Vorwitz gehen/ Zu melden dieſe Qual ſo ſie bißher geplagt: Die trauret/ daß ihr Schatz mit Eyd und Schwuͤren ſchertze/ Und jene/ daß man ſie nur liebe bey der Nacht; Ein’ andre wie die Treu gar oft vom Buhler ſtertze/ Daß ſie ein Kuß/ und nicht ein Ehſchluß froh gemacht; Die zeigt ihr blaß Geſicht/ und wie ſie ſich verwachet; Die denckt durch Firniß noch zu mahlen Wand und Mund; Viel ſchaͤtzen ſich vergnuͤgt wenn nur der Liebſte lachet/ Und bauen uns gemein auf einen faulen Grund. Es ligt das bleiche Volck der Liebe zu den Fuͤſſen/ Kocht einer noch das Blut/ ſo wil ſie einen Mann; Viel die den Kern verzehrt und leer ſich ſpeiſen muͤſſen/ Die reitzet doch der Leim von eitler Wolluſt an; Ja manchen waͤchſt der Muth und zancken mit dem Gluͤcke/ Sie ſchlagen Reichthum fuͤr/ Witz/ Jugend/ Schoͤnheit/ Stand; Der Himmel iſt nur taub und eiſern das Geſchicke/ Sie werden nicht gefreyt/ wie ſehr ſie ſonſt bekand. Dergleichen Klagen mehr/ erhub der Jungfern Orden/ Als eifrig umb Verhoͤr die Frauen hielten an; Die/ als ſie/ nach Gebuͤhr/ ſind vorgelaſſen worden/ Btfeſtigten den Streit deß Rechtes/ wie man kan: Die erſte wolte bald die Oberherꝛſchafft haben/ Der Mann der ſolle nur ein treuer Frohne ſeyn/ Und eine junge rufft: ach! daß mein Greiß begraben; Die dritte/ weh! mein Mann liebt mich nicht/ nur den Wein; Die ſpricht: mein Knoblochs Haupt hat weiter keine Keime/ Und die: ein Buch gilt mehr/ als mein gerader Leib; Die etwas bloͤder iſt: ſagt ich weiß nichts als Traͤume/ Bin Jungfer in dem Werck und vor der Welt ein Weib. Viel andre klagen mehr und Angſt-erfuͤlltes Kuͤmmern/ Beſchwunge/ wie mit Nacht/ der Liebe goldnen Thron; Sie aber ſprach: es muß bey mir heut’ Anmuth ſchimmern/ Und die Behaͤgligkeit verſchoͤnern meine Kron: Es
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Hochzeit-Gedichte.
Eilt beyderley Geſchlecht in ſtuͤrmendem Gedraͤnge/
Und jedes wil die Noth zum erſten zeigen an.
Die Schwanen geben drauf ſanfftmuͤtig zu verſtehen/
Der Vorlaß ſey bereit den Jungfern zugeſagt.
Die Nymfen heißt Begier und ſchneller Vorwitz gehen/
Zu melden dieſe Qual ſo ſie bißher geplagt:
Die trauret/ daß ihr Schatz mit Eyd und Schwuͤren ſchertze/
Und jene/ daß man ſie nur liebe bey der Nacht;
Ein’ andre wie die Treu gar oft vom Buhler ſtertze/
Daß ſie ein Kuß/ und nicht ein Ehſchluß froh gemacht;
Die zeigt ihr blaß Geſicht/ und wie ſie ſich verwachet;
Die denckt durch Firniß noch zu mahlen Wand und Mund;
Viel ſchaͤtzen ſich vergnuͤgt wenn nur der Liebſte lachet/
Und bauen uns gemein auf einen faulen Grund.
Es ligt das bleiche Volck der Liebe zu den Fuͤſſen/
Kocht einer noch das Blut/ ſo wil ſie einen Mann;
Viel die den Kern verzehrt und leer ſich ſpeiſen muͤſſen/
Die reitzet doch der Leim von eitler Wolluſt an;
Ja manchen waͤchſt der Muth und zancken mit dem Gluͤcke/
Sie ſchlagen Reichthum fuͤr/ Witz/ Jugend/ Schoͤnheit/
Stand;
Der Himmel iſt nur taub und eiſern das Geſchicke/
Sie werden nicht gefreyt/ wie ſehr ſie ſonſt bekand.
Dergleichen Klagen mehr/ erhub der Jungfern Orden/
Als eifrig umb Verhoͤr die Frauen hielten an;
Die/ als ſie/ nach Gebuͤhr/ ſind vorgelaſſen worden/
Btfeſtigten den Streit deß Rechtes/ wie man kan:
Die erſte wolte bald die Oberherꝛſchafft haben/
Der Mann der ſolle nur ein treuer Frohne ſeyn/
Und eine junge rufft: ach! daß mein Greiß begraben;
Die dritte/ weh! mein Mann liebt mich nicht/ nur den
Wein;
Die ſpricht: mein Knoblochs Haupt hat weiter keine Keime/
Und die: ein Buch gilt mehr/ als mein gerader Leib;
Die etwas bloͤder iſt: ſagt ich weiß nichts als Traͤume/
Bin Jungfer in dem Werck und vor der Welt ein Weib.
Viel andre klagen mehr und Angſt-erfuͤlltes Kuͤmmern/
Beſchwunge/ wie mit Nacht/ der Liebe goldnen Thron;
Sie aber ſprach: es muß bey mir heut’ Anmuth ſchimmern/
Und die Behaͤgligkeit verſchoͤnern meine Kron:
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