Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Ein jeder liebte dich und dir war jeder lieb/ Ja weder Zanck noch Streit ist unter uns entsprossen/ Es sind nun fast drey Jahr zu Leipzig weggeflossen/ Als dich dein eigner Sinn hieher zu reisen trieb/ Nun aber wirstu so in srembden Sand gescharret/ Und hast noch zu Athen dein Lebens-End erharret. Zwar es ist vieler Wunsch/ in ihrem Vaterland/ Und für das Vaterland auch ihren Geist zu geben/ Doch der gemeine Schluß der machet alles eben/ Man schläfft so wohl in dem/ als einem andren Sand. Es ist kein Unterscheid üm unser Grab zu suchen/ Der Geist-beraubte Leib der ruht bey allen Knochen. Die Seele nur allein/ die keinen Zufall kennt/ Und unverweßlich ist/ steigt über alle Lüffte/ Bricht durch die tieffe Nacht der dunckeln stillen Grüffte/ Verlacht ihr irrdisch Haus/ das Zeit und Tod zertrennt. Den Leib fällt Fäulniß an mit Stanck und grauem Schimmel/ Der Himmels-werthe Gast/ die Seele/ geht in Himmel. So zeuch nun frölich aus du unbefleckter Geist/ Und nimm die Klarheit an in der die Engel leuchten/ Muß schon ein Thränen-Naß die Augen itzt befeuchten So bistu doch gar wohl zu deinem GOtt gereist. Man setzet zwar den Leib/ der Erden ist/ in Erden/ Doch er sol wiederumb zu Stern und Perlen werden. Die Augen die vergehn/ auff daß ein ewig Blitz Aus ihren Winckeln strahl; und ob der Mund verbleichet/ So denckt daß ihn die Schaar der Engel roth anstreichet/ Und daß er in dem Schoß der Ewigkeiten sitz'. O unerschöpffte Lust/ o angenehme Wonne! Wohl dem der zeitig kömmt zu dieser Lebens-Sonne! Wir/ werther Seeliger/ wir können nichts mehr thun/ Als daß wir dieses Lied zu deinem Grabe singen/ Und schöne Lilien und Hyacinthen bringen/ Zu schmücken deinen Leib/ auff daß er wohl mag ruhn. Wir sehn das gantze Chor der Musen traurig gehen/ Und Treu und Redligkeit bey deinem Grabe stehen. Lei- A a a 5
Leichen-Gedichte. Ein jeder liebte dich und dir war jeder lieb/ Ja weder Zanck noch Streit iſt unter uns entſproſſen/ Es ſind nun faſt drey Jahr zu Leipzig weggefloſſen/ Als dich dein eigner Sinn hieher zu reiſen trieb/ Nun aber wirſtu ſo in ſrembden Sand geſcharret/ Und haſt noch zu Athen dein Lebens-End erharret. Zwar es iſt vieler Wunſch/ in ihrem Vaterland/ Und fuͤr das Vaterland auch ihren Geiſt zu geben/ Doch der gemeine Schluß der machet alles eben/ Man ſchlaͤfft ſo wohl in dem/ als einem andren Sand. Es iſt kein Unterſcheid uͤm unſer Grab zu ſuchen/ Der Geiſt-beraubte Leib der ruht bey allen Knochen. Die Seele nur allein/ die keinen Zufall kennt/ Und unverweßlich iſt/ ſteigt uͤber alle Luͤffte/ Bricht durch die tieffe Nacht der dunckeln ſtillen Gruͤffte/ Verlacht ihr irrdiſch Haus/ das Zeit und Tod zertrennt. Den Leib faͤllt Faͤulniß an mit Stanck und grauem Schimmel/ Der Himmels-werthe Gaſt/ die Seele/ geht in Himmel. So zeuch nun froͤlich aus du unbefleckter Geiſt/ Und nimm die Klarheit an in der die Engel leuchten/ Muß ſchon ein Thraͤnen-Naß die Augen itzt befeuchten So biſtu doch gar wohl zu deinem GOtt gereiſt. Man ſetzet zwar den Leib/ der Erden iſt/ in Erden/ Doch er ſol wiederumb zu Stern und Perlen werden. Die Augen die vergehn/ auff daß ein ewig Blitz Aus ihren Winckeln ſtrahl; und ob der Mund verbleichet/ So denckt daß ihn die Schaar der Engel roth anſtreichet/ Und daß er in dem Schoß der Ewigkeiten ſitz’. O unerſchoͤpffte Luſt/ o angenehme Wonne! Wohl dem der zeitig koͤmmt zu dieſer Lebens-Sonne! Wir/ werther Seeliger/ wir koͤnnen nichts mehr thun/ Als daß wir dieſes Lied zu deinem Grabe ſingen/ Und ſchoͤne Lilien und Hyacinthen bringen/ Zu ſchmuͤcken deinen Leib/ auff daß er wohl mag ruhn. Wir ſehn das gantze Chor der Muſen traurig gehen/ Und Treu und Redligkeit bey deinem Grabe ſtehen. Lei- A a a 5
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Leichen-Gedichte.
Ein jeder liebte dich und dir war jeder lieb/
Ja weder Zanck noch Streit iſt unter uns entſproſſen/
Es ſind nun faſt drey Jahr zu Leipzig weggefloſſen/
Als dich dein eigner Sinn hieher zu reiſen trieb/
Nun aber wirſtu ſo in ſrembden Sand geſcharret/
Und haſt noch zu Athen dein Lebens-End erharret.
Zwar es iſt vieler Wunſch/ in ihrem Vaterland/
Und fuͤr das Vaterland auch ihren Geiſt zu geben/
Doch der gemeine Schluß der machet alles eben/
Man ſchlaͤfft ſo wohl in dem/ als einem andren Sand.
Es iſt kein Unterſcheid uͤm unſer Grab zu ſuchen/
Der Geiſt-beraubte Leib der ruht bey allen Knochen.
Die Seele nur allein/ die keinen Zufall kennt/
Und unverweßlich iſt/ ſteigt uͤber alle Luͤffte/
Bricht durch die tieffe Nacht der dunckeln ſtillen Gruͤffte/
Verlacht ihr irrdiſch Haus/ das Zeit und Tod zertrennt.
Den Leib faͤllt Faͤulniß an mit Stanck und grauem Schimmel/
Der Himmels-werthe Gaſt/ die Seele/ geht in Himmel.
So zeuch nun froͤlich aus du unbefleckter Geiſt/
Und nimm die Klarheit an in der die Engel leuchten/
Muß ſchon ein Thraͤnen-Naß die Augen itzt befeuchten
So biſtu doch gar wohl zu deinem GOtt gereiſt.
Man ſetzet zwar den Leib/ der Erden iſt/ in Erden/
Doch er ſol wiederumb zu Stern und Perlen werden.
Die Augen die vergehn/ auff daß ein ewig Blitz
Aus ihren Winckeln ſtrahl; und ob der Mund verbleichet/
So denckt daß ihn die Schaar der Engel roth anſtreichet/
Und daß er in dem Schoß der Ewigkeiten ſitz’.
O unerſchoͤpffte Luſt/ o angenehme Wonne!
Wohl dem der zeitig koͤmmt zu dieſer Lebens-Sonne!
Wir/ werther Seeliger/ wir koͤnnen nichts mehr thun/
Als daß wir dieſes Lied zu deinem Grabe ſingen/
Und ſchoͤne Lilien und Hyacinthen bringen/
Zu ſchmuͤcken deinen Leib/ auff daß er wohl mag ruhn.
Wir ſehn das gantze Chor der Muſen traurig gehen/
Und Treu und Redligkeit bey deinem Grabe ſtehen.
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