Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Doch sol mein Helicon hinfort der Kirchhoff heissen/Weil jenen Eitelkeit/ den Ewigkeit umschränckt/ Wer sich den Banden nicht wil dieser Welt entreissen/ Der zeiget/ daß er mehr an Erd' als Himmel denckt. Klag-Elegi An Hn. M. v. H. bey Beerdigung seines ei- nigen Sohns im Junio 1666. WEr jener Herrligkeit höchst-seligstes Vergnügen Das unumbschribne Licht/ und unumgräntzte Reich/ Des Lammes Rosen-Blut/ der Außerwehlten Sigen/ Verklärter Leiber Glantz/ der Sonn und Sternen gleich/ Mit Augen der Vernunfft was ernstlicher betrachtet/ Und denn die Flüchtigkeit des Menschen recht bedenckt/ Wie hier sein sicher Leib in strengen Martern schmachtet/ Wie kaum ein Blick der Zeit verfleust der ihn nicht kränckt/ Der merckt den Unterscheid/ den Schatten und die Sonne/ Das Licht und Finsternüß/ den hell und trüben Tag/ Des Lebens bittern Kelch/ des Sterbens neue Wonne/ Das Thor dadurch man ein zur Freyheit gehen mag. Wie schwartz der Todt auch scheint/ wie finster Grufft und Höle/ So sind sie doch der Weg in das bestimmte Reich. Es zancke Fleisch und Blut mit seinem Gast der Seele/ Was dorte schimmern sol das muß hier werden bleich. Wir können nicht die Frucht noch für den Blüten haben/ Und wenn die Schlacken weg/ so ist das Gold erst rein/ Wie sehr die Läuffer sonst in ihrem Kreissen draben/ So wird/ ders Ziel erreicht/ nur Uberwinder seyn. Ach sichre Sterblichen/ wie können wir genesen? Wenn auch die Himmel selbst in drümmern sollen gehn. Des Lebens kurtzer Brauch ist so ein eitel Wesen Daß wir mit einem Fuß stets in dem Grabe stehn. Ein Schiffer der die See hat hin und her durchkreutzet Wünscht/ und erlanget auch den Hafen sichrer Ruh. Der Mensch/ der so erhitzt nach langem Leben geitzet/ Weiß nicht aus Aberwitz/ wie er so thöricht thu; Welch Kauffman tauschet Glas/ und giebet Amethisten? Wer wechselt den Demant umb Folgen und Cristall? Noch
Leichen-Gedichte. Doch ſol mein Helicon hinfort der Kirchhoff heiſſen/Weil jenen Eitelkeit/ den Ewigkeit umſchraͤnckt/ Wer ſich den Banden nicht wil dieſer Welt entreiſſen/ Der zeiget/ daß er mehr an Erd’ als Himmel denckt. Klag-Elegi An Hn. M. v. H. bey Beerdigung ſeines ei- nigen Sohns im Junio 1666. WEr jener Herrligkeit hoͤchſt-ſeligſtes Vergnuͤgen Das unumbſchribne Licht/ und unumgraͤntzte Reich/ Des Lammes Roſen-Blut/ der Außerwehlten Sigen/ Verklaͤrter Leiber Glantz/ der Sonn und Sternen gleich/ Mit Augen der Vernunfft was ernſtlicher betrachtet/ Und denn die Fluͤchtigkeit des Menſchen recht bedenckt/ Wie hier ſein ſicher Leib in ſtrengen Martern ſchmachtet/ Wie kaum ein Blick der Zeit verfleuſt der ihn nicht kraͤnckt/ Der merckt den Unterſcheid/ den Schatten und die Sonne/ Das Licht und Finſternuͤß/ den hell und truͤben Tag/ Des Lebens bittern Kelch/ des Sterbens neue Wonne/ Das Thor dadurch man ein zur Freyheit gehen mag. Wie ſchwartz der Todt auch ſcheint/ wie finſter Grufft und Hoͤle/ So ſind ſie doch der Weg in das beſtimmte Reich. Es zancke Fleiſch und Blut mit ſeinem Gaſt der Seele/ Was dorte ſchimmern ſol das muß hier werden bleich. Wir koͤnnen nicht die Frucht noch fuͤr den Bluͤten haben/ Und wenn die Schlacken weg/ ſo iſt das Gold erſt rein/ Wie ſehr die Laͤuffer ſonſt in ihrem Kreiſſen draben/ So wird/ ders Ziel erreicht/ nur Uberwinder ſeyn. Ach ſichre Sterblichen/ wie koͤnnen wir geneſen? Wenn auch die Himmel ſelbſt in druͤm̃ern ſollen gehn. Des Lebens kurtzer Brauch iſt ſo ein eitel Weſen Daß wir mit einem Fuß ſtets in dem Grabe ſtehn. Ein Schiffer der die See hat hin und her durchkreutzet Wuͤnſcht/ und erlanget auch den Hafen ſichrer Ruh. Der Menſch/ der ſo erhitzt nach langem Leben geitzet/ Weiß nicht aus Aberwitz/ wie er ſo thoͤricht thu; Welch Kauffman tauſchet Glas/ und giebet Amethiſten? Wer wechſelt den Demant umb Folgen und Criſtall? Noch
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Leichen-Gedichte.
Doch ſol mein Helicon hinfort der Kirchhoff heiſſen/
Weil jenen Eitelkeit/ den Ewigkeit umſchraͤnckt/
Wer ſich den Banden nicht wil dieſer Welt entreiſſen/
Der zeiget/ daß er mehr an Erd’ als Himmel denckt.
Klag-Elegi
An Hn. M. v. H. bey Beerdigung ſeines ei-
nigen Sohns im Junio 1666.
WEr jener Herrligkeit hoͤchſt-ſeligſtes Vergnuͤgen
Das unumbſchribne Licht/ und unumgraͤntzte Reich/
Des Lammes Roſen-Blut/ der Außerwehlten Sigen/
Verklaͤrter Leiber Glantz/ der Sonn und Sternen
gleich/
Mit Augen der Vernunfft was ernſtlicher betrachtet/
Und denn die Fluͤchtigkeit des Menſchen recht bedenckt/
Wie hier ſein ſicher Leib in ſtrengen Martern ſchmachtet/
Wie kaum ein Blick der Zeit verfleuſt der ihn nicht kraͤnckt/
Der merckt den Unterſcheid/ den Schatten und die Sonne/
Das Licht und Finſternuͤß/ den hell und truͤben Tag/
Des Lebens bittern Kelch/ des Sterbens neue Wonne/
Das Thor dadurch man ein zur Freyheit gehen mag.
Wie ſchwartz der Todt auch ſcheint/ wie finſter Grufft und Hoͤle/
So ſind ſie doch der Weg in das beſtimmte Reich.
Es zancke Fleiſch und Blut mit ſeinem Gaſt der Seele/
Was dorte ſchimmern ſol das muß hier werden bleich.
Wir koͤnnen nicht die Frucht noch fuͤr den Bluͤten haben/
Und wenn die Schlacken weg/ ſo iſt das Gold erſt rein/
Wie ſehr die Laͤuffer ſonſt in ihrem Kreiſſen draben/
So wird/ ders Ziel erreicht/ nur Uberwinder ſeyn.
Ach ſichre Sterblichen/ wie koͤnnen wir geneſen?
Wenn auch die Himmel ſelbſt in druͤm̃ern ſollen gehn.
Des Lebens kurtzer Brauch iſt ſo ein eitel Weſen
Daß wir mit einem Fuß ſtets in dem Grabe ſtehn.
Ein Schiffer der die See hat hin und her durchkreutzet
Wuͤnſcht/ und erlanget auch den Hafen ſichrer Ruh.
Der Menſch/ der ſo erhitzt nach langem Leben geitzet/
Weiß nicht aus Aberwitz/ wie er ſo thoͤricht thu;
Welch Kauffman tauſchet Glas/ und giebet Amethiſten?
Wer wechſelt den Demant umb Folgen und Criſtall?
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