Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Jch seh ein blutend Hertz von diesem Todes-StoßVon Grund aus durchgebohrt/ zerschmettert in viel Stücke. Verhängnüß voller Noth und zorniges Gelücke! Die ein gesegnet Band der treusten Lieb umbschloß/ Aus derer Regungen ein gleicher Wille floß/ Die trennet und entzweyt das himmlische Geschicke! Timantes Pinsel muß hier einen Fürhang ziehen Es würd ein güldner Mund solch unaussprechlich Leid/ Das Marck und Blut verzehrt/ und in die Seele schneidt/ Durch Trost zu legeu hin umbsonst sich nur bemühen. Der Jnbegrieff von Angst/ der Schau-Platz aller Schmertze Jst/ wenn der Tod zerreist zwey treu-vermählte Hertzen. Erato. SO liegt sein Augen-Trost im Blumen-reichen LentzenDer Jahre hingerafft/ so schweigt der Rosen-Mund/ Der durch Behäglich seyn den Unmuth wenden kont/ Und der Gespräch und Schertz nie ließ von seinen Gräntzen? So sieht man ferner nicht der Augen Sterne gläntzen/ Noch Nelck/ und Lilien blühn auff der Wangen Rund/ So stärckt kein Blick/ kein Kuß hinfort der Liebe Bund/ Das werth-geschätzte Haupt wird nicht ihr Arm bekräntzen? Ach schmertzlicher Verlust! die seine Seele war/ Ohn derer Gegenwart er nicht zu leben schiene/ Die eilt aus dieser Welt/ der grossen Trauer-Bühne/ Und legt sein halbes Hertz zugleich mit auff die Bahr. Hoch-Edler/ ausser Streit soll er diß Zeugnüß haben/ Daß bey der Liebsten Tod er selber sich begraben. Polymnia. DJe Cedern des Geschlechts sind nicht vom Tode frey/Der Ahnen grauer Ruhm kan nicht dem Schimmel wehre/ Sonst könte dieses Grab nicht diesen Schatz verzehren/ Den unter tausend Ach! und Weh! man leget bey. Es wird ohn alles Ziel der Edlen Mutter Treu Jhr hoch-geliebtes Kind Blut-thränende begehren/ Mit Seufftzen voller Gluth des Himmels Gunst beschweren/ Ob nicht ihr eintzig Trost zurück zu ruffen sey. Nicht seltne Frömmigkeit/ nicht angeborne Tugend/ Und was die Menschen sonst auff Erden himmlisch macht/ Vermögen zu entfliehn des schwartzen Grabes Nacht/ Sie deckt des Alters Schnee und auch den Kern der Jugend. Ver-
Leichen-Gedichte. Jch ſeh ein blutend Hertz von dieſem Todes-StoßVon Grund aus durchgebohrt/ zerſchmettert in viel Stuͤcke. Verhaͤngnuͤß voller Noth und zorniges Geluͤcke! Die ein geſegnet Band der treuſten Lieb umbſchloß/ Aus derer Regungen ein gleicher Wille floß/ Die trennet und entzweyt das himmliſche Geſchicke! Timantes Pinſel muß hier einen Fuͤrhang ziehen Es wuͤrd ein guͤldner Mund ſolch unausſprechlich Leid/ Das Marck und Blut verzehrt/ und in die Seele ſchneidt/ Durch Troſt zu legeu hin umbſonſt ſich nur bemuͤhen. Der Jnbegrieff von Angſt/ der Schau-Platz aller Schmertzē Jſt/ wenn der Tod zerreiſt zwey treu-vermaͤhlte Hertzen. Erato. SO liegt ſein Augen-Troſt im Blumen-reichen LentzenDer Jahre hingerafft/ ſo ſchweigt der Roſen-Mund/ Der durch Behaͤglich ſeyn den Unmuth wenden kont/ Und der Geſpraͤch und Schertz nie ließ von ſeinen Graͤntzen? So ſieht man ferner nicht der Augen Sterne glaͤntzen/ Noch Nelck/ und Lilien bluͤhn auff der Wangen Rund/ So ſtaͤrckt kein Blick/ kein Kuß hinfort der Liebe Bund/ Das werth-geſchaͤtzte Haupt wird nicht ihr Arm bekraͤntzen? Ach ſchmertzlicher Verluſt! die ſeine Seele war/ Ohn derer Gegenwart er nicht zu leben ſchiene/ Die eilt aus dieſer Welt/ der groſſen Trauer-Buͤhne/ Und legt ſein halbes Hertz zugleich mit auff die Bahr. Hoch-Edler/ auſſer Streit ſoll er diß Zeugnuͤß haben/ Daß bey der Liebſten Tod er ſelber ſich begraben. Polymnia. DJe Cedern des Geſchlechts ſind nicht vom Tode frey/Der Ahnen grauer Ruhm kan nicht dem Schim̃el wehrē/ Sonſt koͤnte dieſes Grab nicht dieſen Schatz verzehren/ Den unter tauſend Ach! und Weh! man leget bey. Es wird ohn alles Ziel der Edlen Mutter Treu Jhr hoch-geliebtes Kind Blut-thraͤnende begehren/ Mit Seufftzen voller Gluth des Himmels Gunſt beſchweren/ Ob nicht ihr eintzig Troſt zuruͤck zu ruffen ſey. Nicht ſeltne Froͤmmigkeit/ nicht angeborne Tugend/ Und was die Menſchen ſonſt auff Erden himmliſch macht/ Vermoͤgen zu entfliehn des ſchwartzen Grabes Nacht/ Sie deckt des Alters Schnee und auch den Kern der Jugend. Ver-
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Leichen-Gedichte.
Jch ſeh ein blutend Hertz von dieſem Todes-Stoß
Von Grund aus durchgebohrt/ zerſchmettert in viel Stuͤcke.
Verhaͤngnuͤß voller Noth und zorniges Geluͤcke!
Die ein geſegnet Band der treuſten Lieb umbſchloß/
Aus derer Regungen ein gleicher Wille floß/
Die trennet und entzweyt das himmliſche Geſchicke!
Timantes Pinſel muß hier einen Fuͤrhang ziehen
Es wuͤrd ein guͤldner Mund ſolch unausſprechlich Leid/
Das Marck und Blut verzehrt/ und in die Seele ſchneidt/
Durch Troſt zu legeu hin umbſonſt ſich nur bemuͤhen.
Der Jnbegrieff von Angſt/ der Schau-Platz aller Schmertzē
Jſt/ wenn der Tod zerreiſt zwey treu-vermaͤhlte Hertzen.
Erato.
SO liegt ſein Augen-Troſt im Blumen-reichen Lentzen
Der Jahre hingerafft/ ſo ſchweigt der Roſen-Mund/
Der durch Behaͤglich ſeyn den Unmuth wenden kont/
Und der Geſpraͤch und Schertz nie ließ von ſeinen Graͤntzen?
So ſieht man ferner nicht der Augen Sterne glaͤntzen/
Noch Nelck/ und Lilien bluͤhn auff der Wangen Rund/
So ſtaͤrckt kein Blick/ kein Kuß hinfort der Liebe Bund/
Das werth-geſchaͤtzte Haupt wird nicht ihr Arm bekraͤntzen?
Ach ſchmertzlicher Verluſt! die ſeine Seele war/
Ohn derer Gegenwart er nicht zu leben ſchiene/
Die eilt aus dieſer Welt/ der groſſen Trauer-Buͤhne/
Und legt ſein halbes Hertz zugleich mit auff die Bahr.
Hoch-Edler/ auſſer Streit ſoll er diß Zeugnuͤß haben/
Daß bey der Liebſten Tod er ſelber ſich begraben.
Polymnia.
DJe Cedern des Geſchlechts ſind nicht vom Tode frey/
Der Ahnen grauer Ruhm kan nicht dem Schim̃el wehrē/
Sonſt koͤnte dieſes Grab nicht dieſen Schatz verzehren/
Den unter tauſend Ach! und Weh! man leget bey.
Es wird ohn alles Ziel der Edlen Mutter Treu
Jhr hoch-geliebtes Kind Blut-thraͤnende begehren/
Mit Seufftzen voller Gluth des Himmels Gunſt beſchweren/
Ob nicht ihr eintzig Troſt zuruͤck zu ruffen ſey.
Nicht ſeltne Froͤmmigkeit/ nicht angeborne Tugend/
Und was die Menſchen ſonſt auff Erden himmliſch macht/
Vermoͤgen zu entfliehn des ſchwartzen Grabes Nacht/
Sie deckt des Alters Schnee und auch den Kern der Jugend.
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