Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

Bild:
<< vorherige Seite
Leichen-Gedichte.
Daß wir die Unsrigen nicht ohne Weh und Schmertzen
Hingeben/ wenn der Tod die scharffe Sense zeigt:
Alleine wer sein Hertz dem Himmel hat geweyhet/
Nichts auf der Sterblichkeit vergänglich hoffen baut/
Wird bey der Kinder Tod in seinem GOtt erfreuet/
Weil seiner Ober-Pfleg und Schirm sie sind vertraut.
Der kleine Augustin hat schon mehr Glück erlebet/
Als Meylands Lehrer selbst/ der rieff den HErren an/
Gleich da die Tyranney der Kirchen wiederstrebet/
Daß es umb seine Schaff und Volck nicht sey gethan.
Es wär auch seliger Tertullian verblichen/
Eh' als deß Alters Schnee die Ketzerey bedeckt.
Viel die in erster Zeit vom HErren nie gewichen/
Hat doch der Lasterschwarm zuletzte noch befleckt.
Wohl dem der zeitlich stirbt/ GOtt hat mit kleinen Kindern
Sein hoch Geheimnüß für/ wie seltzam es uns dünckt.
Er weiß des Elends Ziel und kan die Schmertzen mindern/
Wenn das bedrängte Hertz ins höchste Trauren sinckt.
Ach all zu Thörichte/ die an der Erde kleben/
Und derer Hertz allein beym Schatz im Kasten liegt?
Ach dreymal Seelige/ die Gütern sich ergeben/
So selbst die Ewigkeit auf ihren Schalen wiegt.
Denn kan ihr himmlisch Hertz des Himmels Schätze zehlen/
Wenn hier die irrdischen so Glut als Fluth verzehrt:
Wenn Diebe Freund und Feind offt das Vermögen stehlen/
Wird doch der Seelen Schatz von keinem Fall beschwert.
Nun weil denn Kinder Schätz' und zwar Hochedle Schätze/
Den' auch des HErren Mund den Himmel selbst verspricht:
So unterwerffen sich nur Eltern dem Gesetze/
So über uns bestimmt beym ersten Lebens-Licht.
Es muß/ Hochwürdiger/ sein Hertze Gott gefallen/
Dem er das vierdte Kind/ als vierdten Schatz itzt gibt/
Wenn zeitlich Menschen Gut wird schwinden und zerfallen/
So bleibt sein Schatz bestehn/ dieweil er GOtt geliebt.
Peru-
Leichen-Gedichte.
Daß wir die Unſrigen nicht ohne Weh und Schmertzen
Hingeben/ wenn der Tod die ſcharffe Senſe zeigt:
Alleine wer ſein Hertz dem Himmel hat geweyhet/
Nichts auf der Sterblichkeit vergaͤnglich hoffen baut/
Wird bey der Kinder Tod in ſeinem GOtt erfreuet/
Weil ſeiner Ober-Pfleg und Schirm ſie ſind vertraut.
Der kleine Auguſtin hat ſchon mehr Gluͤck erlebet/
Als Meylands Lehrer ſelbſt/ der rieff den HErren an/
Gleich da die Tyranney der Kirchen wiederſtrebet/
Daß es umb ſeine Schaff und Volck nicht ſey gethan.
Es waͤr auch ſeliger Tertullian verblichen/
Eh’ als deß Alters Schnee die Ketzerey bedeckt.
Viel die in erſter Zeit vom HErren nie gewichen/
Hat doch der Laſterſchwarm zuletzte noch befleckt.
Wohl dem der zeitlich ſtirbt/ GOtt hat mit kleinen Kindern
Sein hoch Geheimnuͤß fuͤr/ wie ſeltzam es uns duͤnckt.
Er weiß des Elends Ziel und kan die Schmertzen mindern/
Wenn das bedraͤngte Hertz ins hoͤchſte Trauren ſinckt.
Ach all zu Thoͤrichte/ die an der Erde kleben/
Und derer Hertz allein beym Schatz im Kaſten liegt?
Ach dreymal Seelige/ die Guͤtern ſich ergeben/
So ſelbſt die Ewigkeit auf ihren Schalen wiegt.
Denn kan ihr himmliſch Hertz des Himmels Schaͤtze zehlen/
Wenn hier die irꝛdiſchen ſo Glut als Fluth verzehrt:
Wenn Diebe Freund und Feind offt das Vermoͤgen ſtehlen/
Wird doch der Seelen Schatz von keinem Fall beſchwert.
Nun weil denn Kinder Schaͤtz’ und zwar Hochedle Schaͤtze/
Den’ auch des HErren Mund den Himmel ſelbſt verſpricht:
So unterwerffen ſich nur Eltern dem Geſetze/
So uͤber uns beſtimmt beym erſten Lebens-Licht.
Es muß/ Hochwuͤrdiger/ ſein Hertze Gott gefallen/
Dem er das vierdte Kind/ als vierdten Schatz itzt gibt/
Wenn zeitlich Menſchen Gut wird ſchwinden und zerfallen/
So bleibt ſein Schatz beſtehn/ dieweil er GOtt geliebt.
Peru-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0371" n="139"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Daß wir die Un&#x017F;rigen nicht ohne Weh und Schmertzen</l><lb/>
          <l>Hingeben/ wenn der Tod die &#x017F;charffe Sen&#x017F;e zeigt:</l><lb/>
          <l>Alleine wer &#x017F;ein Hertz dem Himmel hat geweyhet/</l><lb/>
          <l>Nichts auf der Sterblichkeit verga&#x0364;nglich hoffen baut/</l><lb/>
          <l>Wird bey der Kinder Tod in &#x017F;einem GOtt erfreuet/</l><lb/>
          <l>Weil &#x017F;einer Ober-Pfleg und Schirm &#x017F;ie &#x017F;ind vertraut.</l><lb/>
          <l>Der kleine <hi rendition="#fr">Augu&#x017F;tin</hi> hat &#x017F;chon mehr Glu&#x0364;ck erlebet/</l><lb/>
          <l>Als Meylands Lehrer &#x017F;elb&#x017F;t/ der rieff den HErren an/</l><lb/>
          <l>Gleich da die Tyranney der Kirchen wieder&#x017F;trebet/</l><lb/>
          <l>Daß es umb &#x017F;eine Schaff und Volck nicht &#x017F;ey gethan.</l><lb/>
          <l>Es wa&#x0364;r auch &#x017F;eliger Tertullian verblichen/</l><lb/>
          <l>Eh&#x2019; als deß Alters Schnee die Ketzerey bedeckt.</l><lb/>
          <l>Viel die in er&#x017F;ter Zeit vom HErren nie gewichen/</l><lb/>
          <l>Hat doch der La&#x017F;ter&#x017F;chwarm zuletzte noch befleckt.</l><lb/>
          <l>Wohl dem der zeitlich &#x017F;tirbt/ GOtt hat mit kleinen Kindern</l><lb/>
          <l>Sein hoch Geheimnu&#x0364;ß fu&#x0364;r/ wie &#x017F;eltzam es uns du&#x0364;nckt.</l><lb/>
          <l>Er weiß des Elends Ziel und kan die Schmertzen mindern/</l><lb/>
          <l>Wenn das bedra&#x0364;ngte Hertz ins ho&#x0364;ch&#x017F;te Trauren &#x017F;inckt.</l><lb/>
          <l>Ach all zu Tho&#x0364;richte/ die an der Erde kleben/</l><lb/>
          <l>Und derer Hertz allein beym Schatz im Ka&#x017F;ten liegt?</l><lb/>
          <l>Ach dreymal Seelige/ die Gu&#x0364;tern &#x017F;ich ergeben/</l><lb/>
          <l>So &#x017F;elb&#x017F;t die Ewigkeit auf ihren Schalen wiegt.</l><lb/>
          <l>Denn kan ihr himmli&#x017F;ch Hertz des Himmels Scha&#x0364;tze zehlen/</l><lb/>
          <l>Wenn hier die ir&#xA75B;di&#x017F;chen &#x017F;o <hi rendition="#fr">G</hi>lut als Fluth verzehrt:</l><lb/>
          <l>Wenn Diebe Freund und Feind offt das Vermo&#x0364;gen &#x017F;tehlen/</l><lb/>
          <l>Wird doch der Seelen Schatz von keinem Fall be&#x017F;chwert.</l><lb/>
          <l>Nun weil denn Kinder Scha&#x0364;tz&#x2019; und zwar Hochedle Scha&#x0364;tze/</l><lb/>
          <l>Den&#x2019; auch des HErren Mund den Himmel &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;pricht:</l><lb/>
          <l>So unterwerffen &#x017F;ich nur Eltern dem Ge&#x017F;etze/</l><lb/>
          <l>So u&#x0364;ber uns be&#x017F;timmt beym er&#x017F;ten Lebens-Licht.</l><lb/>
          <l>Es muß/ Hochwu&#x0364;rdiger/ &#x017F;ein Hertze Gott gefallen/</l><lb/>
          <l>Dem er das vierdte Kind/ als vierdten Schatz itzt gibt/</l><lb/>
          <l>Wenn zeitlich Men&#x017F;chen Gut wird &#x017F;chwinden und zerfallen/</l><lb/>
          <l>So bleibt &#x017F;ein Schatz be&#x017F;tehn/ dieweil er GOtt geliebt.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Peru-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0371] Leichen-Gedichte. Daß wir die Unſrigen nicht ohne Weh und Schmertzen Hingeben/ wenn der Tod die ſcharffe Senſe zeigt: Alleine wer ſein Hertz dem Himmel hat geweyhet/ Nichts auf der Sterblichkeit vergaͤnglich hoffen baut/ Wird bey der Kinder Tod in ſeinem GOtt erfreuet/ Weil ſeiner Ober-Pfleg und Schirm ſie ſind vertraut. Der kleine Auguſtin hat ſchon mehr Gluͤck erlebet/ Als Meylands Lehrer ſelbſt/ der rieff den HErren an/ Gleich da die Tyranney der Kirchen wiederſtrebet/ Daß es umb ſeine Schaff und Volck nicht ſey gethan. Es waͤr auch ſeliger Tertullian verblichen/ Eh’ als deß Alters Schnee die Ketzerey bedeckt. Viel die in erſter Zeit vom HErren nie gewichen/ Hat doch der Laſterſchwarm zuletzte noch befleckt. Wohl dem der zeitlich ſtirbt/ GOtt hat mit kleinen Kindern Sein hoch Geheimnuͤß fuͤr/ wie ſeltzam es uns duͤnckt. Er weiß des Elends Ziel und kan die Schmertzen mindern/ Wenn das bedraͤngte Hertz ins hoͤchſte Trauren ſinckt. Ach all zu Thoͤrichte/ die an der Erde kleben/ Und derer Hertz allein beym Schatz im Kaſten liegt? Ach dreymal Seelige/ die Guͤtern ſich ergeben/ So ſelbſt die Ewigkeit auf ihren Schalen wiegt. Denn kan ihr himmliſch Hertz des Himmels Schaͤtze zehlen/ Wenn hier die irꝛdiſchen ſo Glut als Fluth verzehrt: Wenn Diebe Freund und Feind offt das Vermoͤgen ſtehlen/ Wird doch der Seelen Schatz von keinem Fall beſchwert. Nun weil denn Kinder Schaͤtz’ und zwar Hochedle Schaͤtze/ Den’ auch des HErren Mund den Himmel ſelbſt verſpricht: So unterwerffen ſich nur Eltern dem Geſetze/ So uͤber uns beſtimmt beym erſten Lebens-Licht. Es muß/ Hochwuͤrdiger/ ſein Hertze Gott gefallen/ Dem er das vierdte Kind/ als vierdten Schatz itzt gibt/ Wenn zeitlich Menſchen Gut wird ſchwinden und zerfallen/ So bleibt ſein Schatz beſtehn/ dieweil er GOtt geliebt. Peru-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/371
Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/371>, abgerufen am 22.11.2024.