Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Des Menschen verklärter Leib/ JSts möglich/ daß noch was kan aus der AscheblühenBetrachter bey Beerdigung Hn. C. S. v. S. den 21. Martii 1675. Daß die Verwesung auch erlauchte Früchte trägt? Daß/ wenn nun unsren Leib Wust/ Schimmel/ über- ziehen/ Er dennoch dermaleinst mit Klarheit wird belegt? Soll der erstarrte Leib/ die abgefleischten Knochen/ Das schlotternde Gebein von neuem aufferstehn? Soll ein solch irrdisch Haus/ das itzt wird abgebrochen/ An Pracht und Herrligkeit den Sternen gleiche gehn? Das itzt gefrorne Blut von neuen Geistern brennen/ Die eingeschrumpfne Haut voll Schmuck und Zierath seyn? Das Auge/ so nichts siht/ GOtt mehr als vor erkennen? Ach! das geht der Vernunfft wie bittre Myrrhen ein. So fällt des Heydenthums und vieler Alten Weisen Von Auff- und Niedergang gesuchter Glaubens-Grund. Sie fragten nicht darnach/ ob die von hinnen reisen Hatt' eine Gluth verzehrt/ Fisch/ Vogel/ oder Hund. Es hieß ein Ganckelspiel die Leiber zu begraben/ Und einem todten Aaß ein Denckmahl auffzubaun. Uns aber/ die wir nun das Licht der Warheit haben/ Gebührt auff andre Maß die Todten anzuschaun. Es laß' ein Stoicus den Himmel sich bedecken/ Und gebe seinen Leib zum Opffer Glut und Flut. Nein diese Handvoll Staub wird Der auch aufferwecken Der uns zu erst geschenckt/ Geist/ Leben/ Fleisch und Blut. Und die Unsterbligkeit scheint uns fast angebohren/ Die Seele wil doch stets dem Leib/ als Bruder/ wol. Daß wenn sie durch den Tod sich gleich von ihm verlohren/ Er doch in seinem Grab geruhig schlaffen sol. Mehr stellet die Natur in Pflantzen/ Blumen/ Kräutern Der Unverweßligkeit lebhaffte Bilder für: Es kan des Künstlers Hand so ihren Saamen läutern/ Daß sie ein zartes Feur gewehrt in eigner Zier. Der Baum/ den man gesehn bey Frost und Schnee ersterben/ Zieht sein Schmaragden Kleid im Frühling wieder an. Und O o o
Leichen-Gedichte. Des Menſchen verklaͤrter Leib/ JSts moͤglich/ daß noch was kan aus der AſchebluͤhenBetrachter bey Beerdigung Hn. C. S. v. S. den 21. Martii 1675. Daß die Verweſung auch erlauchte Fruͤchte traͤgt? Daß/ wenn nun unſren Leib Wuſt/ Schimmel/ uͤber- ziehen/ Er dennoch dermaleinſt mit Klarheit wird belegt? Soll der erſtarrte Leib/ die abgefleiſchten Knochen/ Das ſchlotternde Gebein von neuem aufferſtehn? Soll ein ſolch irrdiſch Haus/ das itzt wird abgebrochen/ An Pracht und Herrligkeit den Sternen gleiche gehn? Das itzt gefrorne Blut von neuen Geiſtern brennen/ Die eingeſchrumpfne Haut voll Schmuck und Zierath ſeyn? Das Auge/ ſo nichts ſiht/ GOtt mehr als vor erkennen? Ach! das geht der Vernunfft wie bittre Myrrhen ein. So faͤllt des Heydenthums und vieler Alten Weiſen Von Auff- und Niedergang geſuchter Glaubens-Grund. Sie fragten nicht darnach/ ob die von hinnen reiſen Hatt’ eine Gluth verzehrt/ Fiſch/ Vogel/ oder Hund. Es hieß ein Ganckelſpiel die Leiber zu begraben/ Und einem todten Aaß ein Denckmahl auffzubaun. Uns aber/ die wir nun das Licht der Warheit haben/ Gebuͤhrt auff andre Maß die Todten anzuſchaun. Es laß’ ein Stoicus den Himmel ſich bedecken/ Und gebe ſeinen Leib zum Opffer Glut und Flut. Nein dieſe Handvoll Staub wird Der auch aufferwecken Der uns zu erſt geſchenckt/ Geiſt/ Leben/ Fleiſch und Blut. Und die Unſterbligkeit ſcheint uns faſt angebohren/ Die Seele wil doch ſtets dem Leib/ als Bruder/ wol. Daß wenn ſie durch den Tod ſich gleich von ihm verlohren/ Er doch in ſeinem Grab geruhig ſchlaffen ſol. Mehr ſtellet die Natur in Pflantzen/ Blumen/ Kraͤutern Der Unverweßligkeit lebhaffte Bilder fuͤr: Es kan des Kuͤnſtlers Hand ſo ihren Saamen laͤutern/ Daß ſie ein zartes Feur gewehrt in eigner Zier. Der Baum/ den man geſehn bey Froſt und Schnee erſterben/ Zieht ſein Schmaragden Kleid im Fruͤhling wieder an. Und O o o
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Leichen-Gedichte.
Des Menſchen verklaͤrter Leib/
Betrachter bey Beerdigung Hn. C. S. v.
S. den 21. Martii 1675.
JSts moͤglich/ daß noch was kan aus der Aſchebluͤhen
Daß die Verweſung auch erlauchte Fruͤchte traͤgt?
Daß/ wenn nun unſren Leib Wuſt/ Schimmel/ uͤber-
ziehen/
Er dennoch dermaleinſt mit Klarheit wird belegt?
Soll der erſtarrte Leib/ die abgefleiſchten Knochen/
Das ſchlotternde Gebein von neuem aufferſtehn?
Soll ein ſolch irrdiſch Haus/ das itzt wird abgebrochen/
An Pracht und Herrligkeit den Sternen gleiche gehn?
Das itzt gefrorne Blut von neuen Geiſtern brennen/
Die eingeſchrumpfne Haut voll Schmuck und Zierath ſeyn?
Das Auge/ ſo nichts ſiht/ GOtt mehr als vor erkennen?
Ach! das geht der Vernunfft wie bittre Myrrhen ein.
So faͤllt des Heydenthums und vieler Alten Weiſen
Von Auff- und Niedergang geſuchter Glaubens-Grund.
Sie fragten nicht darnach/ ob die von hinnen reiſen
Hatt’ eine Gluth verzehrt/ Fiſch/ Vogel/ oder Hund.
Es hieß ein Ganckelſpiel die Leiber zu begraben/
Und einem todten Aaß ein Denckmahl auffzubaun.
Uns aber/ die wir nun das Licht der Warheit haben/
Gebuͤhrt auff andre Maß die Todten anzuſchaun.
Es laß’ ein Stoicus den Himmel ſich bedecken/
Und gebe ſeinen Leib zum Opffer Glut und Flut.
Nein dieſe Handvoll Staub wird Der auch aufferwecken
Der uns zu erſt geſchenckt/ Geiſt/ Leben/ Fleiſch und Blut.
Und die Unſterbligkeit ſcheint uns faſt angebohren/
Die Seele wil doch ſtets dem Leib/ als Bruder/ wol.
Daß wenn ſie durch den Tod ſich gleich von ihm verlohren/
Er doch in ſeinem Grab geruhig ſchlaffen ſol.
Mehr ſtellet die Natur in Pflantzen/ Blumen/ Kraͤutern
Der Unverweßligkeit lebhaffte Bilder fuͤr:
Es kan des Kuͤnſtlers Hand ſo ihren Saamen laͤutern/
Daß ſie ein zartes Feur gewehrt in eigner Zier.
Der Baum/ den man geſehn bey Froſt und Schnee erſterben/
Zieht ſein Schmaragden Kleid im Fruͤhling wieder an.
Und
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