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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Hier muß absonderlich der Mutter Hertze bluten/
Nun ihrer Müh und Fleiß gerathner Seegen fällt.
Bevor/ wenn sie erwegt/ wie stets zu allem guten
Von erster Kindheit an die Zucht war angestellt.
Wie ihre Gottes furcht dem Schöpffer dieser Erden
Ein angenehm Geruch und Opffer müssen seyn/
Daß er sie hier so bald vollkommen lassen werden/
Und holet sie so früh zu sich in Himmel ein.
Denn sind die Tugenden/ in denen sie geblühet/
Durchaus/ Betrübtste Frau/ ihr immer im Gesicht:
Wie sie zwar zart und jung in Wirthschafft sich bemühet/
Und auff die Häußligkeit war von Natur gericht.
So viel Behägligkeit/ so viel geprießne Gaben/
So einen Freuden-Schatz deckt nun die lange Nacht.
Wird nicht der Mutter Hertz die Helffte mit begraben/
Jndem sie schier der Fall zu einer Leiche macht.
Das heist vor Wonn' und Lust in Staub und Asche sitzen/
Und vor den Ehren-Rock jetzt einen Sack anziehn/
Seh'n über seinem Koff nichts als Cometen blitzen/
Und in gehäuffter Angst erhitzter Trübsal glühn.
Jedoch/ Bestürtzte/ last nicht der Vernunfft den Zügel
Ein herrlicher Gewin hat den Verlustersetzt.
Die liebste Tochter die begrüst die Freuden-Hügel/
Wird in des Lammes Schoß getröstet und ergetzt.
Jhr must dem grossen GOtt sein Pfand nur wiedergeben/
Das Er auff kurtze Zeit euch Eltern anvertraut.
Wer wil dem Gärtner wol den Umsatz je verheben/
Wenn er zu seiner Blum in besser Erdreich schaut?
GOtt hat die Rechnung schon ob unserm Thun geschlossen/
Den einen rufft er früh'/ den andern spät davon.
Ein williger Soldat/ der folget unverdrossen/
Wer widerspenstig ist/ hat Straff und Schmach zu Lohn.
Recht Christliche Gedult muß hier den Schmertz besiegen/
Den gleichfalls auch die Zeit in ewas linder macht/
Der HErr hat es gethan/ und wollen so verfügen/
Daß euer Tochter früh der Erden Tand verlacht.
Jhr unerschöpffter Glantz steigt über Sonn' und Sterne/
Jhr weisses Unschulds-Kleid sticht Lilg' und Seiden hin/
Sie sieht das grosse Rund nun unter sich von ferne/
Und kan im Paradieß als Käiser-Kront blühn.
Die
Leichen-Gedichte.
Hier muß abſonderlich der Mutter Hertze bluten/
Nun ihrer Muͤh und Fleiß gerathner Seegen faͤllt.
Bevor/ wenn ſie erwegt/ wie ſtets zu allem guten
Von erſter Kindheit an die Zucht war angeſtellt.
Wie ihre Gottes furcht dem Schoͤpffer dieſer Erden
Ein angenehm Geruch und Opffer muͤſſen ſeyn/
Daß er ſie hier ſo bald vollkommen laſſen werden/
Und holet ſie ſo fruͤh zu ſich in Himmel ein.
Denn ſind die Tugenden/ in denen ſie gebluͤhet/
Durchaus/ Betruͤbtſte Frau/ ihr immer im Geſicht:
Wie ſie zwar zart und jung in Wirthſchafft ſich bemuͤhet/
Und auff die Haͤußligkeit war von Natur gericht.
So viel Behaͤgligkeit/ ſo viel geprießne Gaben/
So einen Freuden-Schatz deckt nun die lange Nacht.
Wird nicht der Mutter Hertz die Helffte mit begraben/
Jndem ſie ſchier der Fall zu einer Leiche macht.
Das heiſt vor Wonn’ und Luſt in Staub und Aſche ſitzen/
Und vor den Ehren-Rock jetzt einen Sack anziehn/
Seh’n uͤber ſeinem Koff nichts als Cometen blitzen/
Und in gehaͤuffter Angſt erhitzter Truͤbſal gluͤhn.
Jedoch/ Beſtürtzte/ laſt nicht der Vernunfft den Zuͤgel
Ein herrlicher Gewin hat den Verluſterſetzt.
Die liebſte Tochter die begruͤſt die Freuden-Huͤgel/
Wird in des Lammes Schoß getroͤſtet und ergetzt.
Jhr muſt dem groſſen GOtt ſein Pfand nur wiedergeben/
Das Er auff kurtze Zeit euch Eltern anvertraut.
Wer wil dem Gaͤrtner wol den Umſatz je verheben/
Wenn er zu ſeiner Blum in beſſer Erdreich ſchaut?
GOtt hat die Rechnung ſchon ob unſerm Thun geſchloſſen/
Den einen rufft er fruͤh’/ den andern ſpaͤt davon.
Ein williger Soldat/ der folget unverdroſſen/
Wer widerſpenſtig iſt/ hat Straff und Schmach zu Lohn.
Recht Chriſtliche Gedult muß hier den Schmertz beſiegen/
Den gleichfalls auch die Zeit in ewas linder macht/
Der HErr hat es gethan/ und wollen ſo verfuͤgen/
Daß euer Tochter fruͤh der Erden Tand verlacht.
Jhr unerſchoͤpffter Glantz ſteigt uͤber Sonn’ und Sterne/
Jhr weiſſes Unſchulds-Kleid ſticht Lilg’ und Seiden hin/
Sie ſieht das groſſe Rund nun unter ſich von ferne/
Und kan im Paradieß als Kaͤiſer-Kront bluͤhn.
Die
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[262/0494] Leichen-Gedichte. Hier muß abſonderlich der Mutter Hertze bluten/ Nun ihrer Muͤh und Fleiß gerathner Seegen faͤllt. Bevor/ wenn ſie erwegt/ wie ſtets zu allem guten Von erſter Kindheit an die Zucht war angeſtellt. Wie ihre Gottes furcht dem Schoͤpffer dieſer Erden Ein angenehm Geruch und Opffer muͤſſen ſeyn/ Daß er ſie hier ſo bald vollkommen laſſen werden/ Und holet ſie ſo fruͤh zu ſich in Himmel ein. Denn ſind die Tugenden/ in denen ſie gebluͤhet/ Durchaus/ Betruͤbtſte Frau/ ihr immer im Geſicht: Wie ſie zwar zart und jung in Wirthſchafft ſich bemuͤhet/ Und auff die Haͤußligkeit war von Natur gericht. So viel Behaͤgligkeit/ ſo viel geprießne Gaben/ So einen Freuden-Schatz deckt nun die lange Nacht. Wird nicht der Mutter Hertz die Helffte mit begraben/ Jndem ſie ſchier der Fall zu einer Leiche macht. Das heiſt vor Wonn’ und Luſt in Staub und Aſche ſitzen/ Und vor den Ehren-Rock jetzt einen Sack anziehn/ Seh’n uͤber ſeinem Koff nichts als Cometen blitzen/ Und in gehaͤuffter Angſt erhitzter Truͤbſal gluͤhn. Jedoch/ Beſtürtzte/ laſt nicht der Vernunfft den Zuͤgel Ein herrlicher Gewin hat den Verluſterſetzt. Die liebſte Tochter die begruͤſt die Freuden-Huͤgel/ Wird in des Lammes Schoß getroͤſtet und ergetzt. Jhr muſt dem groſſen GOtt ſein Pfand nur wiedergeben/ Das Er auff kurtze Zeit euch Eltern anvertraut. Wer wil dem Gaͤrtner wol den Umſatz je verheben/ Wenn er zu ſeiner Blum in beſſer Erdreich ſchaut? GOtt hat die Rechnung ſchon ob unſerm Thun geſchloſſen/ Den einen rufft er fruͤh’/ den andern ſpaͤt davon. Ein williger Soldat/ der folget unverdroſſen/ Wer widerſpenſtig iſt/ hat Straff und Schmach zu Lohn. Recht Chriſtliche Gedult muß hier den Schmertz beſiegen/ Den gleichfalls auch die Zeit in ewas linder macht/ Der HErr hat es gethan/ und wollen ſo verfuͤgen/ Daß euer Tochter fruͤh der Erden Tand verlacht. Jhr unerſchoͤpffter Glantz ſteigt uͤber Sonn’ und Sterne/ Jhr weiſſes Unſchulds-Kleid ſticht Lilg’ und Seiden hin/ Sie ſieht das groſſe Rund nun unter ſich von ferne/ Und kan im Paradieß als Kaͤiſer-Kront bluͤhn. Die

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/494>, abgerufen am 22.11.2024.