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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
So war/ Geehrter Herr/ der Liebsten ihr Befleissen/
Wie ihn gesund und kranck sie jederzeit gepflegt.
Verdient Alcyone den Ruhm getreuster Liebe/
Daß nichts vollkommeners die Nach-Welt melden kan;
So weiß man/ daß bey ihr stets das Verlangen bliebe/
Solt ich doch meinen Schatz zuletzt noch schauen an.
Diß alles ist hinweg. Was von sehr edler Güte
Das acht der Himmel nicht der Erden einmal wehrt.
Es eilt dem Ursprung nach ein feuriges Gemüte
Jndem deß Leibes-Last die Seele nur beschwert.
Jst jen Alcyone dem Himmel zugeflogen:
Auch unsre Schmettauin eilt in ihr Vaterland;
Worinn sie mit dem Rock der Unschuld angezogen
Deß Allerhöchsten Hoff' als Dienerin bekand.
Wie kan/ Woledler Herr/ er ferner sich betrüben?
Es ruht in GOttes Hand sein Schatz Alcyone.
Es bleibt den Christen nur an Stirn und Brust geschrieben:
Daß unser Zucker sey deß Creutzes Aloe.
Bey Beerdigung Hn. H. F. den. 11.
Julii 1677.
SO bist du/ Seeliger/ nun deiner Qual entbunden?
So macht ein sanffter Tod dich von den Fesseln loß?
Nach so viel rauhem Sturm hast du den Port gefunden
Und gehst mit Seegen in der alten Mutter Schoß.
Ach! abgelebter Greiß/ was hast du nicht erlitten/
Wenn auf die Folter-Banck die strenge Gicht dich warff?
Wenn ihre Tyranney die Glieder dir durchschnitten/
Wenn ihr zerreissend Weh mehr als ein Messer scharff.
Das Alter an sich selbst war eine Last zu tragen/
Als das ein Sammel-Platz der bittern Schmertzen hieß/
Und was verspürt man mehr bey den beschneyten Tagen
Als stündiich neue Noth/ Angst/ Eckel und Verdrieß?
Du bist/ O Seeliger/ nicht erst anjetzt verblichen/
Nein/ wie viel Jahre hat der Tod dich nicht besucht?
Da schon die Lebens-Kräfft/ und Geister abgewichen
Ja selbst die Seele stand als wie auff schneller Flucht.
Sie sah' ihr Wohnhauß da mit seinen Säulen sincken/
Der Eymer war zulechst/ die Räder morsch entzwey/
Es
Leichen-Gedichte.
So war/ Geehrter Herr/ der Liebſten ihr Befleiſſen/
Wie ihn geſund und kranck ſie jederzeit gepflegt.
Verdient Alcyone den Ruhm getreuſter Liebe/
Daß nichts vollkommeners die Nach-Welt melden kan;
So weiß man/ daß bey ihr ſtets das Verlangen bliebe/
Solt ich doch meinen Schatz zuletzt noch ſchauen an.
Diß alles iſt hinweg. Was von ſehr edler Guͤte
Das acht der Himmel nicht der Erden einmal wehrt.
Es eilt dem Urſprung nach ein feuriges Gemuͤte
Jndem deß Leibes-Laſt die Seele nur beſchwert.
Jſt jen Alcyone dem Himmel zugeflogen:
Auch unſre Schmettauin eilt in ihr Vaterland;
Worinn ſie mit dem Rock der Unſchuld angezogen
Deß Allerhoͤchſten Hoff’ als Dienerin bekand.
Wie kan/ Woledler Herr/ er ferner ſich betruͤben?
Es ruht in GOttes Hand ſein Schatz Alcyone.
Es bleibt den Chriſten nur an Stirn und Bruſt geſchrieben:
Daß unſer Zucker ſey deß Creutzes Aloe.
Bey Beerdigung Hn. H. F. den. 11.
Julii 1677.
SO biſt du/ Seeliger/ nun deiner Qual entbunden?
So macht ein ſanffter Tod dich von den Feſſeln loß?
Nach ſo viel rauhem Sturm haſt du den Port gefunden
Und gehſt mit Seegen in der alten Mutter Schoß.
Ach! abgelebter Greiß/ was haſt du nicht erlitten/
Wenn auf die Folter-Banck die ſtrenge Gicht dich warff?
Wenn ihre Tyranney die Glieder dir durchſchnitten/
Wenn ihr zerreiſſend Weh mehr als ein Meſſer ſcharff.
Das Alter an ſich ſelbſt war eine Laſt zu tragen/
Als das ein Sammel-Platz der bittern Schmertzen hieß/
Und was verſpuͤrt man mehr bey den beſchneyten Tagen
Als ſtuͤndiich neue Noth/ Angſt/ Eckel und Verdrieß?
Du biſt/ O Seeliger/ nicht erſt anjetzt verblichen/
Nein/ wie viel Jahre hat der Tod dich nicht beſucht?
Da ſchon die Lebens-Kraͤfft/ und Geiſter abgewichen
Ja ſelbſt die Seele ſtand als wie auff ſchneller Flucht.
Sie ſah’ ihr Wohnhauß da mit ſeinen Saͤulen ſincken/
Der Eymer war zulechſt/ die Raͤder morſch entzwey/
Es
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[299/0531] Leichen-Gedichte. So war/ Geehrter Herr/ der Liebſten ihr Befleiſſen/ Wie ihn geſund und kranck ſie jederzeit gepflegt. Verdient Alcyone den Ruhm getreuſter Liebe/ Daß nichts vollkommeners die Nach-Welt melden kan; So weiß man/ daß bey ihr ſtets das Verlangen bliebe/ Solt ich doch meinen Schatz zuletzt noch ſchauen an. Diß alles iſt hinweg. Was von ſehr edler Guͤte Das acht der Himmel nicht der Erden einmal wehrt. Es eilt dem Urſprung nach ein feuriges Gemuͤte Jndem deß Leibes-Laſt die Seele nur beſchwert. Jſt jen Alcyone dem Himmel zugeflogen: Auch unſre Schmettauin eilt in ihr Vaterland; Worinn ſie mit dem Rock der Unſchuld angezogen Deß Allerhoͤchſten Hoff’ als Dienerin bekand. Wie kan/ Woledler Herr/ er ferner ſich betruͤben? Es ruht in GOttes Hand ſein Schatz Alcyone. Es bleibt den Chriſten nur an Stirn und Bruſt geſchrieben: Daß unſer Zucker ſey deß Creutzes Aloe. Bey Beerdigung Hn. H. F. den. 11. Julii 1677. SO biſt du/ Seeliger/ nun deiner Qual entbunden? So macht ein ſanffter Tod dich von den Feſſeln loß? Nach ſo viel rauhem Sturm haſt du den Port gefunden Und gehſt mit Seegen in der alten Mutter Schoß. Ach! abgelebter Greiß/ was haſt du nicht erlitten/ Wenn auf die Folter-Banck die ſtrenge Gicht dich warff? Wenn ihre Tyranney die Glieder dir durchſchnitten/ Wenn ihr zerreiſſend Weh mehr als ein Meſſer ſcharff. Das Alter an ſich ſelbſt war eine Laſt zu tragen/ Als das ein Sammel-Platz der bittern Schmertzen hieß/ Und was verſpuͤrt man mehr bey den beſchneyten Tagen Als ſtuͤndiich neue Noth/ Angſt/ Eckel und Verdrieß? Du biſt/ O Seeliger/ nicht erſt anjetzt verblichen/ Nein/ wie viel Jahre hat der Tod dich nicht beſucht? Da ſchon die Lebens-Kraͤfft/ und Geiſter abgewichen Ja ſelbſt die Seele ſtand als wie auff ſchneller Flucht. Sie ſah’ ihr Wohnhauß da mit ſeinen Saͤulen ſincken/ Der Eymer war zulechſt/ die Raͤder morſch entzwey/ Es

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/531>, abgerufen am 22.11.2024.