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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Es wolte nicht das Licht mehr durch die Fenster blincken
Die Sprache zog farm Ohr als wie ein Gast vorbey.
Ach was elender Nächt' hast du nicht da empfunden
Und mit dem Hiob dir gewünscht erlöst zu seyn?
War'st du nicht an dein Bett als einen Pfahl gebunden?
Und mit dem Morgen-Liecht erschien auch neue Pein?
Der Martern Grausamkeit und aller Hencker reissen/
Was Eccelin erfand/ und Nero hat erdacht/
Sind nur ein Kinderspiel für deiner Gicht zu heissen.
Die dich noch lebenden Gerippen gleich gemacht.
Dein Lager war gewiß von nichts als Dorn und Hecken/
Ein Nothstall/ den Japan nicht schlimmer zeigen kan:
Noch liest du keine Qual so deinen Geist erschrecken
Daß er nicht Glaubens-voll sich schwunge Himmel an.
Je mehr der Leib erlag/ je hurtiger die Sinnen
Mit feurigem Gebet den höchsten GOtt versöhnt.
Du liest die Ungedult nicht Oberhand gewinnen
Und rufftest: Wer wol kämpfft/ der wird zuletzt gekrönt.
Nun ist dein Feind erlegt/ dein Leiden hat ein Ende/
Dein wol geplagter Leib geneust der süssen Ruh.
Du bist auch so beglückt/ daß dir der Kinder Hände
Jn heisser Liebes-Pflicht die Augen drücken zu.
Wem wird wol als wie dir von GOtt das Heil bescheret
Daß Kind und Kindes Kind er neun und funfftzig hat.
Wem wird wol so erstreckt der Tage Frist gewehret
Daß fünff und achtzig Jahr sein Leben machet satt?
Mich dünckt wie umb dein Grab ein schöner Regenbogen
Voll Segen/ voll Genad den bundten Zirckel führt/
Zum Zeichen/ daß dir GOtt von Jugend auf gewogen
Und daß du seine Güt' und Wunder hast gespürt.
Hat nicht sein Vater-Arm im Alter dich getragen?
Du hast bey keiner Noth verlassen dich gesehn.
Es wird der Enckeln Mund des HErren Wolthat sagen/
Und rühmen was an dir vor Dinge sind geschehn.
Betrübtste/ die ihr hier bey eures Vatern Bahre
Zu zeigen eure Pflicht/ in einer Crone steht;
Begiest mit Thränen nicht den grauen Schnee der Haare/
Und daß er Lebens-müd auß unsern Schrancken geht.
Er hat das Ziel erreicht/ nach dem wir alle rennen/
Ein langes Leben ist doch nur ein langer Tod/
Jetzt
Leichen-Gedichte.
Es wolte nicht das Licht mehr durch die Fenſter blincken
Die Sprache zog farm Ohr als wie ein Gaſt vorbey.
Ach was elender Naͤcht’ haſt du nicht da empfunden
Und mit dem Hiob dir gewuͤnſcht erloͤſt zu ſeyn?
War’ſt du nicht an dein Bett als einen Pfahl gebunden?
Und mit dem Morgen-Liecht erſchien auch neue Pein?
Der Martern Grauſamkeit und aller Hencker reiſſen/
Was Eccelin erfand/ und Nero hat erdacht/
Sind nur ein Kinderſpiel fuͤr deiner Gicht zu heiſſen.
Die dich noch lebenden Gerippen gleich gemacht.
Dein Lager war gewiß von nichts als Dorn und Hecken/
Ein Nothſtall/ den Japan nicht ſchlimmer zeigen kan:
Noch lieſt du keine Qual ſo deinen Geiſt erſchrecken
Daß er nicht Glaubens-voll ſich ſchwunge Himmel an.
Je mehr der Leib erlag/ je hurtiger die Sinnen
Mit feurigem Gebet den hoͤchſten GOtt verſoͤhnt.
Du lieſt die Ungedult nicht Oberhand gewinnen
Und ruffteſt: Wer wol kaͤmpfft/ der wird zuletzt gekroͤnt.
Nun iſt dein Feind erlegt/ dein Leiden hat ein Ende/
Dein wol geplagter Leib geneuſt der ſuͤſſen Ruh.
Du biſt auch ſo begluͤckt/ daß dir der Kinder Haͤnde
Jn heiſſer Liebes-Pflicht die Augen druͤcken zu.
Wem wird wol als wie dir von GOtt das Heil beſcheret
Daß Kind und Kindes Kind er neun und funfftzig hat.
Wem wird wol ſo erſtreckt der Tage Friſt gewehret
Daß fuͤnff und achtzig Jahr ſein Leben machet ſatt?
Mich duͤnckt wie umb dein Grab ein ſchoͤner Regenbogen
Voll Segen/ voll Genad den bundten Zirckel fuͤhrt/
Zum Zeichen/ daß dir GOtt von Jugend auf gewogen
Und daß du ſeine Guͤt’ und Wunder haſt geſpuͤrt.
Hat nicht ſein Vater-Arm im Alter dich getragen?
Du haſt bey keiner Noth verlaſſen dich geſehn.
Es wird der Enckeln Mund des HErren Wolthat ſagen/
Und ruͤhmen was an dir vor Dinge ſind geſchehn.
Betruͤbtſte/ die ihr hier bey eures Vatern Bahre
Zu zeigen eure Pflicht/ in einer Crone ſteht;
Begieſt mit Thraͤnen nicht den grauen Schnee der Haare/
Und daß er Lebens-muͤd auß unſern Schrancken geht.
Er hat das Ziel erreicht/ nach dem wir alle rennen/
Ein langes Leben iſt doch nur ein langer Tod/
Jetzt
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[300/0532] Leichen-Gedichte. Es wolte nicht das Licht mehr durch die Fenſter blincken Die Sprache zog farm Ohr als wie ein Gaſt vorbey. Ach was elender Naͤcht’ haſt du nicht da empfunden Und mit dem Hiob dir gewuͤnſcht erloͤſt zu ſeyn? War’ſt du nicht an dein Bett als einen Pfahl gebunden? Und mit dem Morgen-Liecht erſchien auch neue Pein? Der Martern Grauſamkeit und aller Hencker reiſſen/ Was Eccelin erfand/ und Nero hat erdacht/ Sind nur ein Kinderſpiel fuͤr deiner Gicht zu heiſſen. Die dich noch lebenden Gerippen gleich gemacht. Dein Lager war gewiß von nichts als Dorn und Hecken/ Ein Nothſtall/ den Japan nicht ſchlimmer zeigen kan: Noch lieſt du keine Qual ſo deinen Geiſt erſchrecken Daß er nicht Glaubens-voll ſich ſchwunge Himmel an. Je mehr der Leib erlag/ je hurtiger die Sinnen Mit feurigem Gebet den hoͤchſten GOtt verſoͤhnt. Du lieſt die Ungedult nicht Oberhand gewinnen Und ruffteſt: Wer wol kaͤmpfft/ der wird zuletzt gekroͤnt. Nun iſt dein Feind erlegt/ dein Leiden hat ein Ende/ Dein wol geplagter Leib geneuſt der ſuͤſſen Ruh. Du biſt auch ſo begluͤckt/ daß dir der Kinder Haͤnde Jn heiſſer Liebes-Pflicht die Augen druͤcken zu. Wem wird wol als wie dir von GOtt das Heil beſcheret Daß Kind und Kindes Kind er neun und funfftzig hat. Wem wird wol ſo erſtreckt der Tage Friſt gewehret Daß fuͤnff und achtzig Jahr ſein Leben machet ſatt? Mich duͤnckt wie umb dein Grab ein ſchoͤner Regenbogen Voll Segen/ voll Genad den bundten Zirckel fuͤhrt/ Zum Zeichen/ daß dir GOtt von Jugend auf gewogen Und daß du ſeine Guͤt’ und Wunder haſt geſpuͤrt. Hat nicht ſein Vater-Arm im Alter dich getragen? Du haſt bey keiner Noth verlaſſen dich geſehn. Es wird der Enckeln Mund des HErren Wolthat ſagen/ Und ruͤhmen was an dir vor Dinge ſind geſchehn. Betruͤbtſte/ die ihr hier bey eures Vatern Bahre Zu zeigen eure Pflicht/ in einer Crone ſteht; Begieſt mit Thraͤnen nicht den grauen Schnee der Haare/ Und daß er Lebens-muͤd auß unſern Schrancken geht. Er hat das Ziel erreicht/ nach dem wir alle rennen/ Ein langes Leben iſt doch nur ein langer Tod/ Jetzt

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/532>, abgerufen am 22.11.2024.