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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Man scharrt den Vetter noch nicht ein
So muß ihr Ehschatz auch verbleichen.

12.
Doch seiner Tugend Würdigkeit/
Die Wissenschafft und edle Gaben/
Stehn nicht in der Vergessenheit
Und werden wie der Leib begraben.
Sie glaube daß wer so gelebt
Der fährt mit Ehr und Ruhm von hinnen.
Er hat nach diesem Gut gestrebt
Das bleibt/ wenn anders muß zerrinnen.
Der höchstschätzbare Smaragd
Bey Beerdigung Hn. O. P. des jüngern/
entworffen den 3. Novembr. 1677.
WJe sol/ Wohl-Edle Frau/ sie nicht in Thränen schwim-
men? (gehn?

Was kan aus ihrem Mund itzt mehr als Seufzen
Mag auch was schrecklichers des Himmels Schluß be-
stimmen/

Als daß ihr liebster Sohn muß auf der Bahre stehn?
Jst nicht ihr gantzer Schmuck von ihrem Haupt gerissen
Der Liebligkeit Smaragd/ ihr bestes Kleinod hin?
Muß das/ was vor ihr Hertz/ anitzt der Sarg einschliessen?
Jst bleiche Traurigkeit der übrige Gewin?
Ach ja! der Jahre Trost und unvergleichlich Hoffen/
Die Blume/ so zu Ruhm des Stammes aufgeblüht/
Hat in dem ersten Lentz des Todes Strich betroffen/
Daß man sie welck und blaß' in kaltem Sande sieht.
Nennt die Cornelia/ der Kern von Römschen Frauen/
Die Kinder Edler Art ihr Gut und Edle Stein/
Und läst vor aller Pracht die tapffre Söhne schauen/
Die ihrer Schätze Schatz und Reichthum solten seyn;
So war/ Wohl-Edle Frau/ ja ein Smaragd zu heissen
Der allerliebste Sohn voll Witz und Höffligkeit.
Wie jenes Grüne kan die Augen nach sich reissen/
So stand auch Anmuth hier ihm immer an der Seit.
Entwirfft nicht der Smaragd uns eine grüne Wiesen/
Woran das Auge sich nicht sattergetzen kan?
Wird
U u u

Leichen-Gedichte.
Man ſcharrt den Vetter noch nicht ein
So muß ihr Ehſchatz auch verbleichen.

12.
Doch ſeiner Tugend Wuͤrdigkeit/
Die Wiſſenſchafft und edle Gaben/
Stehn nicht in der Vergeſſenheit
Und werden wie der Leib begraben.
Sie glaube daß wer ſo gelebt
Der faͤhrt mit Ehr und Ruhm von hinnen.
Er hat nach dieſem Gut geſtrebt
Das bleibt/ wenn anders muß zerrinnen.
Der hoͤchſtſchaͤtzbare Smaragd
Bey Beerdigung Hn. O. P. des juͤngern/
entworffen den 3. Novembr. 1677.
WJe ſol/ Wohl-Edle Frau/ ſie nicht in Thraͤnen ſchwim-
men? (gehn?

Was kan aus ihrem Mund itzt mehr als Seufzen
Mag auch was ſchrecklichers des Himmels Schluß be-
ſtimmen/

Als daß ihr liebſter Sohn muß auf der Bahre ſtehn?
Jſt nicht ihr gantzer Schmuck von ihrem Haupt geriſſen
Der Liebligkeit Smaragd/ ihr beſtes Kleinod hin?
Muß das/ was vor ihr Hertz/ anitzt der Sarg einſchlieſſen?
Jſt bleiche Traurigkeit der uͤbrige Gewin?
Ach ja! der Jahre Troſt und unvergleichlich Hoffen/
Die Blume/ ſo zu Ruhm des Stammes aufgebluͤht/
Hat in dem erſten Lentz des Todes Strich betroffen/
Daß man ſie welck und blaß’ in kaltem Sande ſieht.
Nennt die Cornelia/ der Kern von Roͤmſchen Frauen/
Die Kinder Edler Art ihr Gut und Edle Stein/
Und laͤſt vor aller Pracht die tapffre Soͤhne ſchauen/
Die ihrer Schaͤtze Schatz und Reichthum ſolten ſeyn;
So war/ Wohl-Edle Frau/ ja ein Smaragd zu heiſſen
Der allerliebſte Sohn voll Witz und Hoͤffligkeit.
Wie jenes Gruͤne kan die Augen nach ſich reiſſen/
So ſtand auch Anmuth hier ihm immer an der Seit.
Entwirfft nicht der Smaragd uns eine gruͤne Wieſen/
Woran das Auge ſich nicht ſattergetzen kan?
Wird
U u u
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[305/0537] Leichen-Gedichte. Man ſcharrt den Vetter noch nicht ein So muß ihr Ehſchatz auch verbleichen. 12. Doch ſeiner Tugend Wuͤrdigkeit/ Die Wiſſenſchafft und edle Gaben/ Stehn nicht in der Vergeſſenheit Und werden wie der Leib begraben. Sie glaube daß wer ſo gelebt Der faͤhrt mit Ehr und Ruhm von hinnen. Er hat nach dieſem Gut geſtrebt Das bleibt/ wenn anders muß zerrinnen. Der hoͤchſtſchaͤtzbare Smaragd Bey Beerdigung Hn. O. P. des juͤngern/ entworffen den 3. Novembr. 1677. WJe ſol/ Wohl-Edle Frau/ ſie nicht in Thraͤnen ſchwim- men? (gehn? Was kan aus ihrem Mund itzt mehr als Seufzen Mag auch was ſchrecklichers des Himmels Schluß be- ſtimmen/ Als daß ihr liebſter Sohn muß auf der Bahre ſtehn? Jſt nicht ihr gantzer Schmuck von ihrem Haupt geriſſen Der Liebligkeit Smaragd/ ihr beſtes Kleinod hin? Muß das/ was vor ihr Hertz/ anitzt der Sarg einſchlieſſen? Jſt bleiche Traurigkeit der uͤbrige Gewin? Ach ja! der Jahre Troſt und unvergleichlich Hoffen/ Die Blume/ ſo zu Ruhm des Stammes aufgebluͤht/ Hat in dem erſten Lentz des Todes Strich betroffen/ Daß man ſie welck und blaß’ in kaltem Sande ſieht. Nennt die Cornelia/ der Kern von Roͤmſchen Frauen/ Die Kinder Edler Art ihr Gut und Edle Stein/ Und laͤſt vor aller Pracht die tapffre Soͤhne ſchauen/ Die ihrer Schaͤtze Schatz und Reichthum ſolten ſeyn; So war/ Wohl-Edle Frau/ ja ein Smaragd zu heiſſen Der allerliebſte Sohn voll Witz und Hoͤffligkeit. Wie jenes Gruͤne kan die Augen nach ſich reiſſen/ So ſtand auch Anmuth hier ihm immer an der Seit. Entwirfft nicht der Smaragd uns eine gruͤne Wieſen/ Woran das Auge ſich nicht ſattergetzen kan? Wird U u u

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/537>, abgerufen am 22.11.2024.