Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Sie lasse/ Werthste Frau/ den Schmertz sich nicht bemeisternDas Opium der Zeit schläfft Schmertz und Wunden ein. Diß ist die Eigenschafft an Hoch und Edlen Geistern/ Daß sie auch in dem Creutz gantz unerschrocken seyn. Wenn viel sich in Asbest und in Asphalt begraben So tilget doch die Zeit der stoltzen Gräber Zier: Herr Myhmer wird gewiß ein besser Grabmahl haben: Der Leib ruht in der Grufft/ das Hertze lebt bey ihr. Die erlösende Christ-Nacht DJe Nacht/ so uns das Heil und Leben hat gebohren/Bey Beerdigung Hn. M. B. D. E. hertzge- liebten Töchterleins Judith den 30. De- cembr. 1677. Drückt dir/ o zartes Kind/ die matten Augen zu/ Die Nacht von Ewigkeit zum Frieden auserkohren/ Bringt nach der Kranckheit-Weh' dich auch in Fried und Ruh. Verlaß dein sieches Bett/ geh aus der engen Wiegen/ Dein Heiland ladet dich zu feiner Wiegen ein/ Hier siehst du deinen GOtt und deinen Bruder liegen/ Die Windeln binden ihn/ auff daß du frey kanst seyn. Den nichts begreiffen kan/ der alles ist in allen/ Wirfft deiner Dürfftigkeit jetzt neuen Reichthum bey/ Wird GOtt und Mensch zugleich den Menschen zu gefallen/ Und legt die Majestät auff schlechtes Stroh und Heu. Ach hochbeglückte Nacht/ für der die Morgenröthe Jn ihrem Purpur-Glantz und Rosen-Schein erbleicht! Jsts möglich daß die Nacht des Tages Stralen tödte/ Und daß der Sonnen Rad vor diesen Fackeln weicht? Jch seh' das lichte Heer der güldnen Sterne schimmern/ Und wie ihr ewig Feur die Freuden-Blicke zeigt/ Jch seh' wie die Natur aus allen ihren Zimmern Lufft/ Erde/ See und Gluth/ zu dieser Nacht sich neigt. Ach hoch gewünschte Nacht/ die uns der Höllen Schrecken Des Todes Finsternüß mit ihrem Glantz vertreibt! Nacht/ derer Klarheit kan die Todten aufferwecken/ Und die uns zu dem Licht/ das unumbschrieben/ schreibt. Es U u u 4
Leichen-Gedichte. Sie laſſe/ Werthſte Frau/ den Schmertz ſich nicht bemeiſternDas Opium der Zeit ſchlaͤfft Schmertz und Wunden ein. Diß iſt die Eigenſchafft an Hoch und Edlen Geiſtern/ Daß ſie auch in dem Creutz gantz unerſchrocken ſeyn. Wenn viel ſich in Aſbeſt und in Aſphalt begraben So tilget doch die Zeit der ſtoltzen Graͤber Zier: Herr Myhmer wird gewiß ein beſſer Grabmahl haben: Der Leib ruht in der Grufft/ das Hertze lebt bey ihr. Die erloͤſende Chriſt-Nacht DJe Nacht/ ſo uns das Heil und Leben hat gebohren/Bey Beerdigung Hn. M. B. D. E. hertzge- liebten Toͤchterleins Judith den 30. De- cembr. 1677. Druͤckt dir/ o zartes Kind/ die matten Augen zu/ Die Nacht von Ewigkeit zum Frieden auserkohren/ Bringt nach der Kranckheit-Weh’ dich auch in Fried und Ruh. Verlaß dein ſieches Bett/ geh aus der engen Wiegen/ Dein Heiland ladet dich zu feiner Wiegen ein/ Hier ſiehſt du deinen GOtt und deinen Bruder liegen/ Die Windeln binden ihn/ auff daß du frey kanſt ſeyn. Den nichts begreiffen kan/ der alles iſt in allen/ Wirfft deiner Duͤrfftigkeit jetzt neuen Reichthum bey/ Wird GOtt und Menſch zugleich den Menſchen zu gefallen/ Und legt die Majeſtaͤt auff ſchlechtes Stroh und Heu. Ach hochbegluͤckte Nacht/ fuͤr der die Morgenroͤthe Jn ihrem Purpur-Glantz und Roſen-Schein erbleicht! Jſts moͤglich daß die Nacht des Tages Stralen toͤdte/ Und daß der Sonnen Rad vor dieſen Fackeln weicht? Jch ſeh’ das lichte Heer der guͤldnen Sterne ſchimmern/ Und wie ihr ewig Feur die Freuden-Blicke zeigt/ Jch ſeh’ wie die Natur aus allen ihren Zimmern Lufft/ Erde/ See und Gluth/ zu dieſer Nacht ſich neigt. Ach hoch gewuͤnſchte Nacht/ die uns der Hoͤllen Schrecken Des Todes Finſternuͤß mit ihrem Glantz vertreibt! Nacht/ derer Klarheit kan die Todten aufferwecken/ Und die uns zu dem Licht/ das unumbſchrieben/ ſchreibt. Es U u u 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0543" n="311"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Sie laſſe/ <hi rendition="#fr">Werthſte Frau/</hi> den Schmertz ſich nicht bemeiſtern</l><lb/> <l>Das <hi rendition="#aq">Opium</hi> der Zeit ſchlaͤfft Schmertz und Wunden ein.</l><lb/> <l>Diß iſt die Eigenſchafft an Hoch und Edlen Geiſtern/</l><lb/> <l>Daß ſie auch in dem Creutz gantz unerſchrocken ſeyn.</l><lb/> <l>Wenn viel ſich in <hi rendition="#aq">Aſbeſt</hi> und in <hi rendition="#aq">Aſphalt</hi> begraben</l><lb/> <l>So tilget doch die Zeit der ſtoltzen Graͤber Zier:</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Herr Myhmer</hi> wird gewiß ein beſſer Grabmahl haben:</l><lb/> <l>Der Leib ruht in der Grufft/ das Hertze lebt bey ihr.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c">Die erloͤſende Chriſt-Nacht<lb/><hi rendition="#fr">Bey Beerdigung Hn.</hi> <hi rendition="#aq">M.</hi> <hi rendition="#fr">B.</hi> <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#fr">E. hertzge-</hi><lb/> liebten Toͤchterleins Judith den 30. De-<lb/> cembr. 1677.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>Je Nacht/ ſo uns das Heil und Leben hat gebohren/</l><lb/> <l>Druͤckt dir/ o zartes Kind/ die matten Augen zu/</l><lb/> <l>Die Nacht von Ewigkeit zum Frieden auserkohren/</l><lb/> <l>Bringt nach der Kranckheit-Weh’ dich auch in Fried<lb/><hi rendition="#et">und Ruh.</hi></l><lb/> <l>Verlaß dein ſieches Bett/ geh aus der engen Wiegen/</l><lb/> <l>Dein Heiland ladet dich zu feiner Wiegen ein/</l><lb/> <l>Hier ſiehſt du deinen GOtt und deinen Bruder liegen/</l><lb/> <l>Die Windeln binden ihn/ auff daß du frey kanſt ſeyn.</l><lb/> <l>Den nichts begreiffen kan/ der alles iſt in allen/</l><lb/> <l>Wirfft deiner Duͤrfftigkeit jetzt neuen Reichthum bey/</l><lb/> <l>Wird GOtt und Menſch zugleich den Menſchen zu gefallen/</l><lb/> <l>Und legt die Majeſtaͤt auff ſchlechtes Stroh und Heu.</l><lb/> <l>Ach hochbegluͤckte Nacht/ fuͤr der die Morgenroͤthe</l><lb/> <l>Jn ihrem Purpur-Glantz und Roſen-Schein erbleicht!</l><lb/> <l>Jſts moͤglich daß die Nacht des Tages Stralen toͤdte/</l><lb/> <l>Und daß der Sonnen Rad vor dieſen Fackeln weicht?</l><lb/> <l>Jch ſeh’ das lichte Heer der guͤldnen Sterne ſchimmern/</l><lb/> <l>Und wie ihr ewig Feur die Freuden-Blicke zeigt/</l><lb/> <l>Jch ſeh’ wie die Natur aus allen ihren Zimmern</l><lb/> <l>Lufft/ Erde/ See und Gluth/ zu dieſer Nacht ſich neigt.</l><lb/> <l>Ach hoch gewuͤnſchte Nacht/ die uns der Hoͤllen Schrecken</l><lb/> <l>Des Todes Finſternuͤß mit ihrem Glantz vertreibt!</l><lb/> <l>Nacht/ derer Klarheit kan die Todten aufferwecken/</l><lb/> <l>Und die uns zu dem Licht/ das unumbſchrieben/ ſchreibt.</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">U u u 4</fw> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [311/0543]
Leichen-Gedichte.
Sie laſſe/ Werthſte Frau/ den Schmertz ſich nicht bemeiſtern
Das Opium der Zeit ſchlaͤfft Schmertz und Wunden ein.
Diß iſt die Eigenſchafft an Hoch und Edlen Geiſtern/
Daß ſie auch in dem Creutz gantz unerſchrocken ſeyn.
Wenn viel ſich in Aſbeſt und in Aſphalt begraben
So tilget doch die Zeit der ſtoltzen Graͤber Zier:
Herr Myhmer wird gewiß ein beſſer Grabmahl haben:
Der Leib ruht in der Grufft/ das Hertze lebt bey ihr.
Die erloͤſende Chriſt-Nacht
Bey Beerdigung Hn. M. B. D. E. hertzge-
liebten Toͤchterleins Judith den 30. De-
cembr. 1677.
DJe Nacht/ ſo uns das Heil und Leben hat gebohren/
Druͤckt dir/ o zartes Kind/ die matten Augen zu/
Die Nacht von Ewigkeit zum Frieden auserkohren/
Bringt nach der Kranckheit-Weh’ dich auch in Fried
und Ruh.
Verlaß dein ſieches Bett/ geh aus der engen Wiegen/
Dein Heiland ladet dich zu feiner Wiegen ein/
Hier ſiehſt du deinen GOtt und deinen Bruder liegen/
Die Windeln binden ihn/ auff daß du frey kanſt ſeyn.
Den nichts begreiffen kan/ der alles iſt in allen/
Wirfft deiner Duͤrfftigkeit jetzt neuen Reichthum bey/
Wird GOtt und Menſch zugleich den Menſchen zu gefallen/
Und legt die Majeſtaͤt auff ſchlechtes Stroh und Heu.
Ach hochbegluͤckte Nacht/ fuͤr der die Morgenroͤthe
Jn ihrem Purpur-Glantz und Roſen-Schein erbleicht!
Jſts moͤglich daß die Nacht des Tages Stralen toͤdte/
Und daß der Sonnen Rad vor dieſen Fackeln weicht?
Jch ſeh’ das lichte Heer der guͤldnen Sterne ſchimmern/
Und wie ihr ewig Feur die Freuden-Blicke zeigt/
Jch ſeh’ wie die Natur aus allen ihren Zimmern
Lufft/ Erde/ See und Gluth/ zu dieſer Nacht ſich neigt.
Ach hoch gewuͤnſchte Nacht/ die uns der Hoͤllen Schrecken
Des Todes Finſternuͤß mit ihrem Glantz vertreibt!
Nacht/ derer Klarheit kan die Todten aufferwecken/
Und die uns zu dem Licht/ das unumbſchrieben/ ſchreibt.
Es
U u u 4
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |