Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Was andre du gelehrt/ das hast du selbst vollzogen/Den jenen Spiegeln gleich/ die rein und unbefleckt/ Durch deren Anblick nie kein Auge wird betrogen/ Und unter deren Glantz nicht falsche Farbe steckt. Du standst in GOttes Haus als eine göldne Säule/ Ein Brunnen Jsraels/ der reiche Quellen goß: Die Zunge war ein Blitz/ so die beflammten Pfeile Jn der Zuhörer Ohr/ Hertz und Gewissen schoß: Die grosse Wissenschafft bekrönten holde Sitten; Wenn Sanfftmuth und Gedult Geferten musten seyn/ Und wo du als ein Artzt gebrennet und geschnitten/ Da flöst du wieder Oel den rauhen Wunden ein. O höchstes Meisterstück bey zärtlichen Gewissen! Wie hast du ferner nicht die letzte Noth erklärt/ Und unsre Sterbligkeit vollkommen abgerissen/ Wie die ermüdte Seel aus ihrem Kercker fährt. Bist selbst dir ein Prophet durch diese Schrifft gewesen/ Nur daß üns allzu sehr der schnelle Hinzug drückt. Wir wünschen ferner noch dein Reden/ Schreiben/ Lesen Das die gelehrte Welt so vielmal hat erquickt. Und wer verlangt dich mehr? wer wird dich erst vermissen? Dein Eh-Schatz derer Leid noch Ziel noch Gräntzen hat/ Die fast mit dir ins Grab wird lebendig gerissen/ Und wünscht an deiner Seit auch ihre Ruhestatt. Der Vater-losen Schaar ihr Seufftzen und ihr Wimmern Steigt es nicht Wolcken an biß an des Himmels Schloß? Doch glaubt/ Betrübteste/ das klagen und bekümmern Erhört der Herren HErr/ und hält es werth und groß. Der GOttes Wunder hat zu vieler Trost gepriesen/ Bey dessen seinem Haus wird Gott noch Wunder thun: Er hat als Vater sich von Ewigkeit erwiesen/ Wie solte denn auf euch nicht auch sein Seegen ruhn: Trost-Zeilen/ WEn red' ich erstlich an? die Mutter schwimmt in Thränen/Bey Beerdigung Fr. A. v. F. g. K. den 25. Aug. 1678. Und klagt/ wie Hecuba/ der liebsten Tochter Tod: Du aber/ werther Freund/ stöst' Seufftzer aus und Sehnen Und gleiches Seelen-Weh'macht dir die Augen roth. Hier
Leichen-Gedichte. Was andre du gelehrt/ das haſt du ſelbſt vollzogen/Den jenen Spiegeln gleich/ die rein und unbefleckt/ Durch deren Anblick nie kein Auge wird betrogen/ Und unter deren Glantz nicht falſche Farbe ſteckt. Du ſtandſt in GOttes Haus als eine goͤldne Saͤule/ Ein Brunnen Jſraels/ der reiche Quellen goß: Die Zunge war ein Blitz/ ſo die beflammten Pfeile Jn der Zuhoͤrer Ohr/ Hertz und Gewiſſen ſchoß: Die groſſe Wiſſenſchafft bekroͤnten holde Sitten; Wenn Sanfftmuth und Gedult Geferten muſten ſeyn/ Und wo du als ein Artzt gebrennet und geſchnitten/ Da floͤſt du wieder Oel den rauhen Wunden ein. O hoͤchſtes Meiſterſtuͤck bey zaͤrtlichen Gewiſſen! Wie haſt du ferner nicht die letzte Noth erklaͤrt/ Und unſre Sterbligkeit vollkommen abgeriſſen/ Wie die ermuͤdte Seel aus ihrem Kercker faͤhrt. Biſt ſelbſt dir ein Prophet durch dieſe Schrifft geweſen/ Nur daß uͤns allzu ſehr der ſchnelle Hinzug druͤckt. Wir wuͤnſchen ferner noch dein Reden/ Schreiben/ Leſen Das die gelehrte Welt ſo vielmal hat erquickt. Und wer verlangt dich mehr? wer wird dich erſt vermiſſen? Dein Eh-Schatz derer Leid noch Ziel noch Graͤntzen hat/ Die faſt mit dir ins Grab wird lebendig geriſſen/ Und wuͤnſcht an deiner Seit auch ihre Ruheſtatt. Der Vater-loſen Schaar ihr Seufftzen und ihr Wimmern Steigt es nicht Wolcken an biß an des Himmels Schloß? Doch glaubt/ Betruͤbteſte/ das klagen und bekuͤmmern Erhoͤrt der Herren HErr/ und haͤlt es werth und groß. Der GOttes Wunder hat zu vieler Troſt geprieſen/ Bey deſſen ſeinem Haus wird Gott noch Wunder thun: Er hat als Vater ſich von Ewigkeit erwieſen/ Wie ſolte denn auf euch nicht auch ſein Seegen ruhn: Troſt-Zeilen/ WEn red’ ich erſtlich an? die Mutter ſchwim̃t in Thraͤnen/Bey Beerdigung Fr. A. v. F. g. K. den 25. Aug. 1678. Und klagt/ wie Hecuba/ der liebſten Tochter Tod: Du aber/ werther Freund/ ſtoͤſt’ Seufftzer aus und Sehnen Und gleiches Seelen-Weh’macht dir die Augen roth. Hier
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Leichen-Gedichte.
Was andre du gelehrt/ das haſt du ſelbſt vollzogen/
Den jenen Spiegeln gleich/ die rein und unbefleckt/
Durch deren Anblick nie kein Auge wird betrogen/
Und unter deren Glantz nicht falſche Farbe ſteckt.
Du ſtandſt in GOttes Haus als eine goͤldne Saͤule/
Ein Brunnen Jſraels/ der reiche Quellen goß:
Die Zunge war ein Blitz/ ſo die beflammten Pfeile
Jn der Zuhoͤrer Ohr/ Hertz und Gewiſſen ſchoß:
Die groſſe Wiſſenſchafft bekroͤnten holde Sitten;
Wenn Sanfftmuth und Gedult Geferten muſten ſeyn/
Und wo du als ein Artzt gebrennet und geſchnitten/
Da floͤſt du wieder Oel den rauhen Wunden ein.
O hoͤchſtes Meiſterſtuͤck bey zaͤrtlichen Gewiſſen!
Wie haſt du ferner nicht die letzte Noth erklaͤrt/
Und unſre Sterbligkeit vollkommen abgeriſſen/
Wie die ermuͤdte Seel aus ihrem Kercker faͤhrt.
Biſt ſelbſt dir ein Prophet durch dieſe Schrifft geweſen/
Nur daß uͤns allzu ſehr der ſchnelle Hinzug druͤckt.
Wir wuͤnſchen ferner noch dein Reden/ Schreiben/ Leſen
Das die gelehrte Welt ſo vielmal hat erquickt.
Und wer verlangt dich mehr? wer wird dich erſt vermiſſen?
Dein Eh-Schatz derer Leid noch Ziel noch Graͤntzen hat/
Die faſt mit dir ins Grab wird lebendig geriſſen/
Und wuͤnſcht an deiner Seit auch ihre Ruheſtatt.
Der Vater-loſen Schaar ihr Seufftzen und ihr Wimmern
Steigt es nicht Wolcken an biß an des Himmels Schloß?
Doch glaubt/ Betruͤbteſte/ das klagen und bekuͤmmern
Erhoͤrt der Herren HErr/ und haͤlt es werth und groß.
Der GOttes Wunder hat zu vieler Troſt geprieſen/
Bey deſſen ſeinem Haus wird Gott noch Wunder thun:
Er hat als Vater ſich von Ewigkeit erwieſen/
Wie ſolte denn auf euch nicht auch ſein Seegen ruhn:
Troſt-Zeilen/
Bey Beerdigung Fr. A. v. F. g. K. den 25.
Aug. 1678.
WEn red’ ich erſtlich an? die Mutter ſchwim̃t in Thraͤnen/
Und klagt/ wie Hecuba/ der liebſten Tochter Tod:
Du aber/ werther Freund/ ſtoͤſt’ Seufftzer aus und
Sehnen
Und gleiches Seelen-Weh’macht dir die Augen roth.
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