Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Erleichterte sie nicht des Ambtes schwere Bürde/Und trocknete den Schweiß von seinen Wangen ab? War nicht ihr eintzig Schmuck und Krone seine Würde? Und sie hinwiederumb der müden Jahre Stab? Diß war ihr gröster Kampff im Lieben obzusiegen/ Und in den Tugenden auf gleichem Pfad zugehn. Wenn man die Gottes-Furcht und Demuth solte wiegen Das doch auff ihrem Theil der Auß-Schlag möchte stehn; Und kurtz: Sie war ein Weib nach ihres Mannes Hertzen Kam mit Bescheidenheit oft seinem Wunsch zuvor: Vertrieb durch Freundligkeit deß Lebens Sorg und Schmertzen Macht auß dem Wermuth-Strauch ein süsses Zucker-Rohr. Nenn ich die Häußligkeit/ sie Martha mit dem Namen Und Martha mit der That/ wer gleicht ihr da an Ruhm? Es wächst ein edle Frucht auß einem Edlen Saamen/ So blieb nur Tugend auch ihr eintzig Eigenthum. Doch Martha nicht allein in diesem Sorgen-Leben Wenn es dem Dürfftigen die Hand zu bieten kam; Wenn es die Zeit erhiesch Betrübten Rath zu geben/ Wenn man des Nechsten Last auff seine Schultern nahm. Wenn man den Seinigen das Mutter-Hertze theilte/ Deß Liebsten Heil sich ließ höchst angelegen seyn. Wenn man ins Herren-Hauß ihn anzuflehen eilte/ Und preißte seinen Rnhm in Sammlung der Gemein. Ach mehr! und was noch mehr/ wie Martha hier im wallen So lange sie den Bau der Sterbligkeit beschloß/ So wolte sie auch GOtt Maria gleich gefallen Jhr Glauben war bewährt/ und ihre Hoffnung groß. Sie wuste daß der Tod ein End-Ziel aller Sachen/ Daß jede Stunde zu der letzteu Hinfahrt schlägt/ Und kont' ihr Andachts voll gar leicht die Rechnung machen/ Wer weiß/ wie bald man dich zu deiner Ruh-Städt trägt: Drumb hat sie diesen noch im Leben ihr erwehlet/ Der in der letzten Noth der beste Beystand heist. Der unsre Tage weiß/ und unsre Haare zehlet/ Und dessen mächtig Arm uns auß der Höllen reist. Sie rief als nun der Pfeil deß Todes auf sie drunge/ Gleich wie Macrina that voll Eyfer/ voll Gebeth/ Ob schon mit schwachem Mund und halb erstarrter Zunge/ Erlöser höre doch/ was deine Magd jetzt fleht! Du
Leichen-Gedichte. Erleichterte ſie nicht des Ambtes ſchwere Buͤrde/Und trocknete den Schweiß von ſeinen Wangen ab? War nicht ihr eintzig Schmuck und Krone ſeine Wuͤrde? Und ſie hinwiederumb der muͤden Jahre Stab? Diß war ihr groͤſter Kampff im Lieben obzuſiegen/ Und in den Tugenden auf gleichem Pfad zugehn. Wenn man die Gottes-Furcht und Demuth ſolte wiegen Das doch auff ihrem Theil der Auß-Schlag moͤchte ſtehn; Und kurtz: Sie war ein Weib nach ihres Mannes Hertzen Kam mit Beſcheidenheit oft ſeinem Wunſch zuvor: Vertrieb durch Freundligkeit deß Lebens Sorg und Schmertzen Macht auß dem Wermuth-Strauch ein ſuͤſſes Zucker-Rohr. Nenn ich die Haͤußligkeit/ ſie Martha mit dem Namen Und Martha mit der That/ wer gleicht ihr da an Ruhm? Es waͤchſt ein edle Frucht auß einem Edlen Saamen/ So blieb nur Tugend auch ihr eintzig Eigenthum. Doch Martha nicht allein in dieſem Sorgen-Leben Wenn es dem Duͤrfftigen die Hand zu bieten kam; Wenn es die Zeit erhieſch Betruͤbten Rath zu geben/ Wenn man des Nechſten Laſt auff ſeine Schultern nahm. Wenn man den Seinigen das Mutter-Hertze theilte/ Deß Liebſten Heil ſich ließ hoͤchſt angelegen ſeyn. Wenn man ins Herren-Hauß ihn anzuflehen eilte/ Und preißte ſeinen Rnhm in Sammlung der Gemein. Ach mehr! und was noch mehr/ wie Martha hier im wallen So lange ſie den Bau der Sterbligkeit beſchloß/ So wolte ſie auch GOtt Maria gleich gefallen Jhr Glauben war bewaͤhrt/ und ihre Hoffnung groß. Sie wuſte daß der Tod ein End-Ziel aller Sachen/ Daß jede Stunde zu der letzteu Hinfahrt ſchlaͤgt/ Und kont’ ihr Andachts voll gar leicht die Rechnung machen/ Wer weiß/ wie bald man dich zu deiner Ruh-Staͤdt traͤgt: Drumb hat ſie dieſen noch im Leben ihr erwehlet/ Der in der letzten Noth der beſte Beyſtand heiſt. Der unſre Tage weiß/ und unſre Haare zehlet/ Und deſſen maͤchtig Arm uns auß der Hoͤllen reiſt. Sie rief als nun der Pfeil deß Todes auf ſie drunge/ Gleich wie Macrina that voll Eyfer/ voll Gebeth/ Ob ſchon mit ſchwachem Mund und halb erſtarrter Zunge/ Erloͤſer hoͤre doch/ was deine Magd jetzt fleht! Du
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0611" n="379"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Erleichterte ſie nicht des Ambtes ſchwere Buͤrde/</l><lb/> <l>Und trocknete den Schweiß von ſeinen Wangen ab?</l><lb/> <l>War nicht ihr eintzig Schmuck und Krone ſeine Wuͤrde?</l><lb/> <l>Und ſie hinwiederumb der muͤden Jahre Stab?</l><lb/> <l>Diß war ihr groͤſter Kampff im Lieben obzuſiegen/</l><lb/> <l>Und in den Tugenden auf gleichem Pfad zugehn.</l><lb/> <l>Wenn man die Gottes-Furcht und Demuth ſolte wiegen</l><lb/> <l>Das doch auff ihrem Theil der Auß-Schlag moͤchte ſtehn;</l><lb/> <l>Und kurtz: Sie war ein Weib nach ihres Mannes Hertzen</l><lb/> <l>Kam mit Beſcheidenheit oft ſeinem Wunſch zuvor:</l><lb/> <l>Vertrieb durch Freundligkeit deß Lebens Sorg und Schmertzen</l><lb/> <l>Macht auß dem Wermuth-Strauch ein ſuͤſſes Zucker-Rohr.</l><lb/> <l>Nenn ich die Haͤußligkeit/ ſie <hi rendition="#fr">Martha</hi> mit dem Namen</l><lb/> <l>Und Martha mit der That/ wer gleicht ihr da an Ruhm?</l><lb/> <l>Es waͤchſt ein edle Frucht auß einem Edlen Saamen/</l><lb/> <l>So blieb nur Tugend auch ihr eintzig Eigenthum.</l><lb/> <l>Doch Martha nicht allein in dieſem Sorgen-Leben</l><lb/> <l>Wenn es dem Duͤrfftigen die Hand zu bieten kam;</l><lb/> <l>Wenn es die Zeit erhieſch Betruͤbten Rath zu geben/</l><lb/> <l>Wenn man des Nechſten Laſt auff ſeine Schultern nahm.</l><lb/> <l>Wenn man den Seinigen das Mutter-Hertze theilte/</l><lb/> <l>Deß Liebſten Heil ſich ließ hoͤchſt angelegen ſeyn.</l><lb/> <l>Wenn man ins Herren-Hauß ihn anzuflehen eilte/</l><lb/> <l>Und preißte ſeinen Rnhm in Sammlung der Gemein.</l><lb/> <l>Ach mehr! und was noch mehr/ wie Martha hier im wallen</l><lb/> <l>So lange ſie den Bau der Sterbligkeit beſchloß/</l><lb/> <l>So wolte ſie auch GOtt Maria gleich gefallen</l><lb/> <l>Jhr <hi rendition="#fr">G</hi>lauben war bewaͤhrt/ und ihre Hoffnung groß.</l><lb/> <l>Sie wuſte daß der Tod ein End-Ziel aller Sachen/</l><lb/> <l>Daß jede Stunde zu der letzteu Hinfahrt ſchlaͤgt/</l><lb/> <l>Und kont’ ihr Andachts voll gar leicht die Rechnung machen/</l><lb/> <l>Wer weiß/ wie bald man dich zu deiner Ruh-Staͤdt traͤgt:</l><lb/> <l>Drumb hat ſie dieſen noch im Leben ihr erwehlet/</l><lb/> <l>Der in der letzten Noth der beſte Beyſtand heiſt.</l><lb/> <l>Der unſre Tage weiß/ und unſre Haare zehlet/</l><lb/> <l>Und deſſen maͤchtig Arm uns auß der Hoͤllen reiſt.</l><lb/> <l>Sie rief als nun der Pfeil deß Todes auf ſie drunge/</l><lb/> <l>Gleich wie Macrina that voll Eyfer/ voll Gebeth/</l><lb/> <l>Ob ſchon mit ſchwachem Mund und halb erſtarrter Zunge/</l><lb/> <l>Erloͤſer hoͤre doch/ was deine Magd jetzt fleht!</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [379/0611]
Leichen-Gedichte.
Erleichterte ſie nicht des Ambtes ſchwere Buͤrde/
Und trocknete den Schweiß von ſeinen Wangen ab?
War nicht ihr eintzig Schmuck und Krone ſeine Wuͤrde?
Und ſie hinwiederumb der muͤden Jahre Stab?
Diß war ihr groͤſter Kampff im Lieben obzuſiegen/
Und in den Tugenden auf gleichem Pfad zugehn.
Wenn man die Gottes-Furcht und Demuth ſolte wiegen
Das doch auff ihrem Theil der Auß-Schlag moͤchte ſtehn;
Und kurtz: Sie war ein Weib nach ihres Mannes Hertzen
Kam mit Beſcheidenheit oft ſeinem Wunſch zuvor:
Vertrieb durch Freundligkeit deß Lebens Sorg und Schmertzen
Macht auß dem Wermuth-Strauch ein ſuͤſſes Zucker-Rohr.
Nenn ich die Haͤußligkeit/ ſie Martha mit dem Namen
Und Martha mit der That/ wer gleicht ihr da an Ruhm?
Es waͤchſt ein edle Frucht auß einem Edlen Saamen/
So blieb nur Tugend auch ihr eintzig Eigenthum.
Doch Martha nicht allein in dieſem Sorgen-Leben
Wenn es dem Duͤrfftigen die Hand zu bieten kam;
Wenn es die Zeit erhieſch Betruͤbten Rath zu geben/
Wenn man des Nechſten Laſt auff ſeine Schultern nahm.
Wenn man den Seinigen das Mutter-Hertze theilte/
Deß Liebſten Heil ſich ließ hoͤchſt angelegen ſeyn.
Wenn man ins Herren-Hauß ihn anzuflehen eilte/
Und preißte ſeinen Rnhm in Sammlung der Gemein.
Ach mehr! und was noch mehr/ wie Martha hier im wallen
So lange ſie den Bau der Sterbligkeit beſchloß/
So wolte ſie auch GOtt Maria gleich gefallen
Jhr Glauben war bewaͤhrt/ und ihre Hoffnung groß.
Sie wuſte daß der Tod ein End-Ziel aller Sachen/
Daß jede Stunde zu der letzteu Hinfahrt ſchlaͤgt/
Und kont’ ihr Andachts voll gar leicht die Rechnung machen/
Wer weiß/ wie bald man dich zu deiner Ruh-Staͤdt traͤgt:
Drumb hat ſie dieſen noch im Leben ihr erwehlet/
Der in der letzten Noth der beſte Beyſtand heiſt.
Der unſre Tage weiß/ und unſre Haare zehlet/
Und deſſen maͤchtig Arm uns auß der Hoͤllen reiſt.
Sie rief als nun der Pfeil deß Todes auf ſie drunge/
Gleich wie Macrina that voll Eyfer/ voll Gebeth/
Ob ſchon mit ſchwachem Mund und halb erſtarrter Zunge/
Erloͤſer hoͤre doch/ was deine Magd jetzt fleht!
Du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |