Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Die vollkommenste Gnade/ ES ist ein prächtig Wort: Er steht in hohen Gnaden/Bey Beerdigung Hn. E. V. den 20. Febr. 1679. vorgestellet. Es ist ein herrlich Ding bey Fürsten seyn gesehn. Es kan derjenige in nichts als Wollust baden/ Auf den die Westen Wind erlauchter Hulden wehn. Bekrönter Häupter Gunst ist wie der Thau auf Kräutern/ Der Blumen Laub und Graß flöst neue Kräfften ein. Es wird sich dessen Ruhm und Ehre mehr erweitern/ Der darff unangesagt stets bey den Hohen seyn. Er schöpffet Pracht und Glantz von seines Fürsten Sonne/ Den Purpur den er ehrt/ wirckt auch sein Ehren-Kleid. Er heist des Landes Heil/ der Unterthanen Wonne/ Es giebt durch seinen Mund des Fürsten Hertz Bescheid. Der Thron/ vor dem er steht/ krönt ihn mit Lorbeer-Zweigen/ Wohin sein Fuß nur tritt folgt ihm Gehorsam nach. Sein Wincken giebt an Tag wer reden soll und schweigen/ Und Ehrerbietigkeit bewachet sein Gemach. Es müssen Länder sich nach seinem Namen nennen/ Man gräbt sein hohes Lob den Marmel Seulen ein. Es muß der gantze Hoff ihn vor das Haupt erkennen/ Und was er angeschafft/ zu thun bereitet seyn. So hat Tiberius durch den Sejan regiret/ Den er den besten Freund und Mitgehülffen hieß. So hat den Scepter auch des Nero Hand geführet/ Wenn ihm der Seneca die Kunst zu herrschen wieß'. Ach aber Eitelkeit! Wer glaubet daß bey Cronen/ Die edeln Steine nichts als schwerer Steine Last. Daß in dem Purpur nur des Neides Motten wohnen/ Und daß wer eifrig liebt/ viel eifriger noch haßt. Ach wanckelbahre Gnad'! Ach Gnade von Crystallen/ Die nur ein einzig Stoß in tausend Stücke bricht. Ach Glätt-Eiß da man steht und augenblicks muß fallen! Ach in dem Finsternüß ein recht verführisch Licht! Vertumnus kan sich nicht so wunderlich verstellen/ Es nimmt Chamäleon nicht so viel Farben an. Als
Leichen-Gedichte. Die vollkommenſte Gnade/ ES iſt ein praͤchtig Wort: Er ſteht in hohen Gnaden/Bey Beerdigung Hn. E. V. den 20. Febr. 1679. vorgeſtellet. Es iſt ein herrlich Ding bey Fuͤrſten ſeyn geſehn. Es kan derjenige in nichts als Wolluſt baden/ Auf den die Weſten Wind erlauchter Hulden wehn. Bekroͤnter Haͤupter Gunſt iſt wie der Thau auf Kraͤutern/ Der Blumen Laub und Graß floͤſt neue Kraͤfften ein. Es wird ſich deſſen Ruhm und Ehre mehr erweitern/ Der darff unangeſagt ſtets bey den Hohen ſeyn. Er ſchoͤpffet Pracht und Glantz von ſeines Fuͤrſten Sonne/ Den Purpur den er ehrt/ wirckt auch ſein Ehren-Kleid. Er heiſt des Landes Heil/ der Unterthanen Wonne/ Es giebt durch ſeinen Mund des Fuͤrſten Hertz Beſcheid. Der Thron/ vor dem er ſteht/ kroͤnt ihn mit Lorbeer-Zweigen/ Wohin ſein Fuß nur tritt folgt ihm Gehorſam nach. Sein Wincken giebt an Tag wer reden ſoll und ſchweigen/ Und Ehrerbietigkeit bewachet ſein Gemach. Es muͤſſen Laͤnder ſich nach ſeinem Namen nennen/ Man graͤbt ſein hohes Lob den Marmel Seulen ein. Es muß der gantze Hoff ihn vor das Haupt erkennen/ Und was er angeſchafft/ zu thun bereitet ſeyn. So hat Tiberius durch den Sejan regiret/ Den er den beſten Freund und Mitgehuͤlffen hieß. So hat den Scepter auch des Nero Hand gefuͤhret/ Wenn ihm der Seneca die Kunſt zu herꝛſchen wieß’. Ach aber Eitelkeit! Wer glaubet daß bey Cronen/ Die edeln Steine nichts als ſchwerer Steine Laſt. Daß in dem Purpur nur des Neides Motten wohnen/ Und daß wer eifrig liebt/ viel eifriger noch haßt. Ach wanckelbahre Gnad’! Ach Gnade von Cryſtallen/ Die nur ein einzig Stoß in tauſend Stuͤcke bricht. Ach Glaͤtt-Eiß da man ſteht und augenblicks muß fallen! Ach in dem Finſternuͤß ein recht verfuͤhriſch Licht! Vertumnus kan ſich nicht ſo wunderlich verſtellen/ Es nimmt Chamaͤleon nicht ſo viel Farben an. Als
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Leichen-Gedichte.
Die vollkommenſte Gnade/
Bey Beerdigung Hn. E. V. den 20. Febr.
1679. vorgeſtellet.
ES iſt ein praͤchtig Wort: Er ſteht in hohen Gnaden/
Es iſt ein herrlich Ding bey Fuͤrſten ſeyn geſehn.
Es kan derjenige in nichts als Wolluſt baden/
Auf den die Weſten Wind erlauchter Hulden wehn.
Bekroͤnter Haͤupter Gunſt iſt wie der Thau auf Kraͤutern/
Der Blumen Laub und Graß floͤſt neue Kraͤfften ein.
Es wird ſich deſſen Ruhm und Ehre mehr erweitern/
Der darff unangeſagt ſtets bey den Hohen ſeyn.
Er ſchoͤpffet Pracht und Glantz von ſeines Fuͤrſten Sonne/
Den Purpur den er ehrt/ wirckt auch ſein Ehren-Kleid.
Er heiſt des Landes Heil/ der Unterthanen Wonne/
Es giebt durch ſeinen Mund des Fuͤrſten Hertz Beſcheid.
Der Thron/ vor dem er ſteht/ kroͤnt ihn mit Lorbeer-Zweigen/
Wohin ſein Fuß nur tritt folgt ihm Gehorſam nach.
Sein Wincken giebt an Tag wer reden ſoll und ſchweigen/
Und Ehrerbietigkeit bewachet ſein Gemach.
Es muͤſſen Laͤnder ſich nach ſeinem Namen nennen/
Man graͤbt ſein hohes Lob den Marmel Seulen ein.
Es muß der gantze Hoff ihn vor das Haupt erkennen/
Und was er angeſchafft/ zu thun bereitet ſeyn.
So hat Tiberius durch den Sejan regiret/
Den er den beſten Freund und Mitgehuͤlffen hieß.
So hat den Scepter auch des Nero Hand gefuͤhret/
Wenn ihm der Seneca die Kunſt zu herꝛſchen wieß’.
Ach aber Eitelkeit! Wer glaubet daß bey Cronen/
Die edeln Steine nichts als ſchwerer Steine Laſt.
Daß in dem Purpur nur des Neides Motten wohnen/
Und daß wer eifrig liebt/ viel eifriger noch haßt.
Ach wanckelbahre Gnad’! Ach Gnade von Cryſtallen/
Die nur ein einzig Stoß in tauſend Stuͤcke bricht.
Ach Glaͤtt-Eiß da man ſteht und augenblicks muß fallen!
Ach in dem Finſternuͤß ein recht verfuͤhriſch Licht!
Vertumnus kan ſich nicht ſo wunderlich verſtellen/
Es nimmt Chamaͤleon nicht ſo viel Farben an.
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/618>, abgerufen am 27.07.2024. |