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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Man hat der Eltern Gütt' und angestammte Tugend
Jn jedem Tritt und Schritt gantz sichtbarlich gespürt.
Es gab dein kluger Witz den lockenden Sirenen
Der Falschheit-vollen Welt im Hertzen keinen Platz.
Die Unschuld muste dich mit ihren Lilgen krönen/
Und über alles war dein Heyland nur dein Schatz.
Wie freudig hastu den umbhalset und umbfangen!
Wie sehnlich hastu nicht gewartet auff sein Heil!
Und bist mit Glaubens-Oel entgegen ihm gegangen/
Auff daß du hast erlangt das auserwählte Theil.
Ach kluges Jungfern-Bild! jetzt ruhstu gantz in Frieden/
Da Auff- und Untergang gemeinen Nutz zerstört.
Du läst die Sterblichen in Angst und Thränen sieden/
Und bist als wahre Braut vor GOttes Stul geehrt.
Was nur von Blum-Werck kan zu deinem Grabe dienen/
Soll dir zur letzten Ehr aus Pflicht geheil' get seyn/
Und dein Gedächtnüß wird in unsren Seelen grünen/
Bis daß uns auch bedeckt ein kalter Leichen-Stein.
Sie aber/ werthste Frau/ die jetzt der Schwester Grabe
Mit nassen Augen folgt/ bekämpffe Schmertz und Leyd/
Und dencke/ daß sie nun das Land des Friedens habe/
Da uns noch auff der Welt beängstet Krieg und Streit.
Trauer-Ode an die Fr. Wittib/
Bey Beerdigung Hn. G. P. den 7. May

1679.
JEtzt gehst du aus des Kerckers Nacht
Und bist gantz frey/ die Fessel springen/
Von Band und Ketten loß gemacht/
Und kanst nun ein Triumf-Lied singen.
Du schickst ja nur den Leib zu Grabe
Den Leib/ der faulen muß ein Raub der Mott' und Schabe.
Dein Wohnhauß/ das so manche Noth
Und heiß entbranter Schmertz bestritten/
Darinnen du nicht einen Tod
Ja wol viel tausend hast erlitten/
Den Nothstall lässest du jetzt stehen
Und wilst in ein Gemach wol aus zuruhen gehen.
Ach
Bbbb 4
Leichen-Gedichte.
Man hat der Eltern Guͤtt’ und angeſtammte Tugend
Jn jedem Tritt und Schritt gantz ſichtbarlich geſpuͤrt.
Es gab dein kluger Witz den lockenden Sirenen
Der Falſchheit-vollen Welt im Hertzen keinen Platz.
Die Unſchuld muſte dich mit ihren Lilgen kroͤnen/
Und uͤber alles war dein Heyland nur dein Schatz.
Wie freudig haſtu den umbhalſet und umbfangen!
Wie ſehnlich haſtu nicht gewartet auff ſein Heil!
Und biſt mit Glaubens-Oel entgegen ihm gegangen/
Auff daß du haſt erlangt das auserwaͤhlte Theil.
Ach kluges Jungfern-Bild! jetzt ruhſtu gantz in Frieden/
Da Auff- und Untergang gemeinen Nutz zerſtoͤrt.
Du laͤſt die Sterblichen in Angſt und Thraͤnen ſieden/
Und biſt als wahre Braut vor GOttes Stul geehrt.
Was nur von Blum-Werck kan zu deinem Grabe dienen/
Soll dir zur letzten Ehr aus Pflicht geheil’ get ſeyn/
Und dein Gedaͤchtnuͤß wird in unſren Seelen gruͤnen/
Bis daß uns auch bedeckt ein kalter Leichen-Stein.
Sie aber/ werthſte Frau/ die jetzt der Schweſter Grabe
Mit naſſen Augen folgt/ bekaͤmpffe Schmertz und Leyd/
Und dencke/ daß ſie nun das Land des Friedens habe/
Da uns noch auff der Welt beaͤngſtet Krieg und Streit.
Trauer-Ode an die Fr. Wittib/
Bey Beerdigung Hn. G. P. den 7. May

1679.
JEtzt gehſt du aus des Kerckers Nacht
Und biſt gantz frey/ die Feſſel ſpringen/
Von Band und Ketten loß gemacht/
Und kanſt nun ein Triumf-Lied ſingen.
Du ſchickſt ja nur den Leib zu Grabe
Den Leib/ der faulen muß ein Raub der Mott’ und Schabe.
Dein Wohnhauß/ das ſo manche Noth
Und heiß entbranter Schmertz beſtritten/
Darinnen du nicht einen Tod
Ja wol viel tauſend haſt erlitten/
Den Nothſtall laͤſſeſt du jetzt ſtehen
Und wilſt in ein Gemach wol aus zuruhen gehen.
Ach
Bbbb 4
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[391/0623] Leichen-Gedichte. Man hat der Eltern Guͤtt’ und angeſtammte Tugend Jn jedem Tritt und Schritt gantz ſichtbarlich geſpuͤrt. Es gab dein kluger Witz den lockenden Sirenen Der Falſchheit-vollen Welt im Hertzen keinen Platz. Die Unſchuld muſte dich mit ihren Lilgen kroͤnen/ Und uͤber alles war dein Heyland nur dein Schatz. Wie freudig haſtu den umbhalſet und umbfangen! Wie ſehnlich haſtu nicht gewartet auff ſein Heil! Und biſt mit Glaubens-Oel entgegen ihm gegangen/ Auff daß du haſt erlangt das auserwaͤhlte Theil. Ach kluges Jungfern-Bild! jetzt ruhſtu gantz in Frieden/ Da Auff- und Untergang gemeinen Nutz zerſtoͤrt. Du laͤſt die Sterblichen in Angſt und Thraͤnen ſieden/ Und biſt als wahre Braut vor GOttes Stul geehrt. Was nur von Blum-Werck kan zu deinem Grabe dienen/ Soll dir zur letzten Ehr aus Pflicht geheil’ get ſeyn/ Und dein Gedaͤchtnuͤß wird in unſren Seelen gruͤnen/ Bis daß uns auch bedeckt ein kalter Leichen-Stein. Sie aber/ werthſte Frau/ die jetzt der Schweſter Grabe Mit naſſen Augen folgt/ bekaͤmpffe Schmertz und Leyd/ Und dencke/ daß ſie nun das Land des Friedens habe/ Da uns noch auff der Welt beaͤngſtet Krieg und Streit. Trauer-Ode an die Fr. Wittib/ Bey Beerdigung Hn. G. P. den 7. May 1679. JEtzt gehſt du aus des Kerckers Nacht Und biſt gantz frey/ die Feſſel ſpringen/ Von Band und Ketten loß gemacht/ Und kanſt nun ein Triumf-Lied ſingen. Du ſchickſt ja nur den Leib zu Grabe Den Leib/ der faulen muß ein Raub der Mott’ und Schabe. Dein Wohnhauß/ das ſo manche Noth Und heiß entbranter Schmertz beſtritten/ Darinnen du nicht einen Tod Ja wol viel tauſend haſt erlitten/ Den Nothſtall laͤſſeſt du jetzt ſtehen Und wilſt in ein Gemach wol aus zuruhen gehen. Ach Bbbb 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/623>, abgerufen am 29.05.2024.