Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Der Lilgen Zwiebel ist am ähnlichsten dem Hertzen/Die Lilgen eures Ruhms der/ die sie erst gebracht. Verbrennt Germanicus sein Hertz durch keine Kertzen; Der Mutter Hertze wird zur Asch auch nicht gemacht. Der Tugend Aloe beschützt es für dem Schimmel/ Und eure Wehmuth muß der beste Balsam seyn. Der Geist sucht Kercker-loß sein Vaterland/ den Himmel/ Nichts als der Glieder Rest bedeckt der Leichen-Stein. Man laß' Egyptens Wahn von unsern Hertzen lehren/ Daß es biß funffzig Jahr ein halbes Loth nimmt zu/ Denn fängt es an die Zeit auch wieder zu zerstören/ Biß daß es endlich gar kömmt zu der langen Ruh. Ein grösser Wachsthum wird der Mutter Hertze haben/ Als das mit eurem ist zusammen eingeprägt/ Das immer lebend bleibt/ und eh' nicht wird begraben/ Als biß ihr Lebens-satt euch auch ins Grab gelegt. Hochedle/ da sich schon der Mutter Augen schlossen/ Und sich die Seel' als Gast zum Abzug fertig fand/ Hat sie nach ihrem Wunsch die Freude noch genossen/ Daß eure treue Pflicht ihr stets zu Dienste stand. Jhr habt den letzten Kuß von ihrem Mund empfangen/ Die Augen zugedrückt/ so euch so offt erfreut. Und unter vielem Weh'/ Begierden und Verlangen Sie nur voran geschickt ins Land der Ewigkeit. Mausolens Ehgemahl trinck ihres Herren Asche: Aus eurer Seele kommt der Mutter Name nicht. Umbsonst/ daß Todte man mit theurem Balsam wasche/ Der beste Narden ist ein unbefleckt Gerücht'. Und wenn auf Gräbern viel die Nachwelt gibt zu lesen; So sey die kurtze Schrifft zu diesem Grab gelegt: Hie ruht ein Mutter-Hertz/ das nimmer kan verwesen/ Weil es der Kinder Hertz lebendig in sich trägt. Die beständige Creutz-Trägerin/ GEh aus des Creutzes Last und aus der Trübsal Hitze/Bey Absterben Fr. R. C. K. g. R. den 3. Mertz 1680. aufgeführet. Nunmehr O Seelige in Edens Garten ein/ Kein Wetter schreckt dich jetzt/ es dräuen keine Blitze/ Und nach des Grabes Nacht folgt heller Sonnen- Schein. Du
Leichen-Gedichte. Der Lilgen Zwiebel iſt am aͤhnlichſten dem Hertzen/Die Lilgen eures Ruhms der/ die ſie erſt gebracht. Verbrennt Germanicus ſein Hertz durch keine Kertzen; Der Mutter Hertze wird zur Aſch auch nicht gemacht. Der Tugend Aloe beſchuͤtzt es fuͤr dem Schimmel/ Und eure Wehmuth muß der beſte Balſam ſeyn. Der Geiſt ſucht Kercker-loß ſein Vaterland/ den Himmel/ Nichts als der Glieder Reſt bedeckt der Leichen-Stein. Man laß’ Egyptens Wahn von unſern Hertzen lehren/ Daß es biß funffzig Jahr ein halbes Loth nimmt zu/ Denn faͤngt es an die Zeit auch wieder zu zerſtoͤren/ Biß daß es endlich gar koͤmmt zu der langen Ruh. Ein groͤſſer Wachsthum wird der Mutter Hertze haben/ Als das mit eurem iſt zuſammen eingepraͤgt/ Das immer lebend bleibt/ und eh’ nicht wird begraben/ Als biß ihr Lebens-ſatt euch auch ins Grab gelegt. Hochedle/ da ſich ſchon der Mutter Augen ſchloſſen/ Und ſich die Seel’ als Gaſt zum Abzug fertig fand/ Hat ſie nach ihrem Wunſch die Freude noch genoſſen/ Daß eure treue Pflicht ihr ſtets zu Dienſte ſtand. Jhr habt den letzten Kuß von ihrem Mund empfangen/ Die Augen zugedruͤckt/ ſo euch ſo offt erfreut. Und unter vielem Weh’/ Begierden und Verlangen Sie nur voran geſchickt ins Land der Ewigkeit. Mauſolens Ehgemahl trinck ihres Herren Aſche: Aus eurer Seele kommt der Mutter Name nicht. Umbſonſt/ daß Todte man mit theurem Balſam waſche/ Der beſte Narden iſt ein unbefleckt Geruͤcht’. Und wenn auf Graͤbern viel die Nachwelt gibt zu leſen; So ſey die kurtze Schrifft zu dieſem Grab gelegt: Hie ruht ein Mutter-Hertz/ das nimmer kan verweſen/ Weil es der Kinder Hertz lebendig in ſich traͤgt. Die beſtaͤndige Creutz-Traͤgerin/ GEh aus des Creutzes Laſt und aus der Truͤbſal Hitze/Bey Abſterben Fr. R. C. K. g. R. den 3. Mertz 1680. aufgefuͤhret. Nunmehr O Seelige in Edens Garten ein/ Kein Wetter ſchreckt dich jetzt/ es draͤuen keine Blitze/ Und nach des Grabes Nacht folgt heller Sonnen- Schein. Du
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Leichen-Gedichte.
Der Lilgen Zwiebel iſt am aͤhnlichſten dem Hertzen/
Die Lilgen eures Ruhms der/ die ſie erſt gebracht.
Verbrennt Germanicus ſein Hertz durch keine Kertzen;
Der Mutter Hertze wird zur Aſch auch nicht gemacht.
Der Tugend Aloe beſchuͤtzt es fuͤr dem Schimmel/
Und eure Wehmuth muß der beſte Balſam ſeyn.
Der Geiſt ſucht Kercker-loß ſein Vaterland/ den Himmel/
Nichts als der Glieder Reſt bedeckt der Leichen-Stein.
Man laß’ Egyptens Wahn von unſern Hertzen lehren/
Daß es biß funffzig Jahr ein halbes Loth nimmt zu/
Denn faͤngt es an die Zeit auch wieder zu zerſtoͤren/
Biß daß es endlich gar koͤmmt zu der langen Ruh.
Ein groͤſſer Wachsthum wird der Mutter Hertze haben/
Als das mit eurem iſt zuſammen eingepraͤgt/
Das immer lebend bleibt/ und eh’ nicht wird begraben/
Als biß ihr Lebens-ſatt euch auch ins Grab gelegt.
Hochedle/ da ſich ſchon der Mutter Augen ſchloſſen/
Und ſich die Seel’ als Gaſt zum Abzug fertig fand/
Hat ſie nach ihrem Wunſch die Freude noch genoſſen/
Daß eure treue Pflicht ihr ſtets zu Dienſte ſtand.
Jhr habt den letzten Kuß von ihrem Mund empfangen/
Die Augen zugedruͤckt/ ſo euch ſo offt erfreut.
Und unter vielem Weh’/ Begierden und Verlangen
Sie nur voran geſchickt ins Land der Ewigkeit.
Mauſolens Ehgemahl trinck ihres Herren Aſche:
Aus eurer Seele kommt der Mutter Name nicht.
Umbſonſt/ daß Todte man mit theurem Balſam waſche/
Der beſte Narden iſt ein unbefleckt Geruͤcht’.
Und wenn auf Graͤbern viel die Nachwelt gibt zu leſen;
So ſey die kurtze Schrifft zu dieſem Grab gelegt:
Hie ruht ein Mutter-Hertz/ das nimmer kan verweſen/
Weil es der Kinder Hertz lebendig in ſich traͤgt.
Die beſtaͤndige Creutz-Traͤgerin/
Bey Abſterben Fr. R. C. K. g. R. den 3. Mertz
1680. aufgefuͤhret.
GEh aus des Creutzes Laſt und aus der Truͤbſal Hitze/
Nunmehr O Seelige in Edens Garten ein/
Kein Wetter ſchreckt dich jetzt/ es draͤuen keine Blitze/
Und nach des Grabes Nacht folgt heller Sonnen-
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