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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Jhr Namen theilt' ihr mit des Höchsten gute Gaben/
Jhr Lebens-Wandel war ein helles Tugend-Licht.
Es muste fort für fort ihr Andachts-Ampel glimmen/
Die feuriges Gebet unendlich angeflammt.
Jhr Hertz in Reu und Leyd gleich Perlen-Muscheln schwimmen/
Wenn sie die Eitelkeit der schnöden Welt verdammt.
Gedenck ich denn der Lieb? ich ritze neue Wunden!
Es klagt sein greises Haupt den ewigen Verlust;
Die Wartung/ Treu und Cur/ so er von ihr empfunden
Jst zwar gemeiner Stadt/ Hertz-innig ihm bewust.
Jch weis' ihn wie zuvor nur zu des Grabes-Höle
Dem letzten Schlaf-Gemach/ das unsre Sorgen deckt/
"Dem hat er anvertraut die treu-geliebte Seele/
Biß sie des Höchsten Stimm' und jüngster Tag auffweckt.
Sie ruht in GOttes Hand. Uns/ die wir hier noch schleichen/
Gleich einem Winter-Tag und Schatten ähnlich seyn/
Wird/ eh man es vermeynt/ des Todes Arm erreichen/
Und wie die Seelige der Erden scharren ein.
Jedoch ist unser Grab die Thüre zu dem Leben/
Was fürchten wir uns denn darunter einzugehn?
Er wird/ betrübtster Freund/ dem Endschluß beyfall geben/
Daß/ wer hier seelig stirbt/ kan frölich auffersteh'n.
Bey Beerdigung eines jungen Söhnleins E.
E. v. G. den 28. Novembr. 1680.
1.
AUß/ werthster Freund/ sein Paradieß der Erden?
So unverhofft ein Kirchhof seyn?
Jst denn die Wieg' ein Leichenstein?
Und seh ich jetzt die Augen Muscheln werden/
Wo die Natur die Perlen nicht gebiehrt/
Jndem sie nichts als runde Thränen führt?
2.
Ja freylich Ach! ein Gärtner steht bestürtzet/
Wenn er die Hoffnung seiner Zeit/
Der Blumen Schmuck und Lieblichkeit
Siht durch den Sturm des Nordens abgekürtzet;
Wenn er die Müh und seiner Arbeit Fleiß
Schaut ausgetilgt durch Regen/ Schnee und Eiß.
3. Und
Leichen-Gedichte.
Jhr Namen theilt’ ihr mit des Hoͤchſten gute Gaben/
Jhr Lebens-Wandel war ein helles Tugend-Licht.
Es muſte fort fuͤr fort ihr Andachts-Ampel glimmen/
Die feuriges Gebet unendlich angeflammt.
Jhr Hertz in Reu und Leyd gleich Perlen-Muſcheln ſchwimmen/
Wenn ſie die Eitelkeit der ſchnoͤden Welt verdammt.
Gedenck ich denn der Lieb? ich ritze neue Wunden!
Es klagt ſein greiſes Haupt den ewigen Verluſt;
Die Wartung/ Treu und Cur/ ſo er von ihr empfunden
Jſt zwar gemeiner Stadt/ Hertz-innig ihm bewuſt.
Jch weiſ’ ihn wie zuvor nur zu des Grabes-Hoͤle
Dem letzten Schlaf-Gemach/ das unſre Sorgen deckt/
“Dem hat er anvertraut die treu-geliebte Seele/
Biß ſie des Hoͤchſten Stimm’ und juͤngſter Tag auffweckt.
Sie ruht in GOttes Hand. Uns/ die wir hier noch ſchleichen/
Gleich einem Winter-Tag und Schatten aͤhnlich ſeyn/
Wird/ eh man es vermeynt/ des Todes Arm erreichen/
Und wie die Seelige der Erden ſcharren ein.
Jedoch iſt unſer Grab die Thuͤre zu dem Leben/
Was fuͤrchten wir uns denn darunter einzugehn?
Er wird/ betruͤbtſter Freund/ dem Endſchluß beyfall geben/
Daß/ wer hier ſeelig ſtirbt/ kan froͤlich aufferſteh’n.
Bey Beerdigung eines jungen Soͤhnleins E.
E. v. G. den 28. Novembr. 1680.
1.
AUß/ werthſter Freund/ ſein Paradieß der Erden?
So unverhofft ein Kirchhof ſeyn?
Jſt denn die Wieg’ ein Leichenſtein?
Und ſeh ich jetzt die Augen Muſcheln werden/
Wo die Natur die Perlen nicht gebiehrt/
Jndem ſie nichts als runde Thraͤnen fuͤhrt?
2.
Ja freylich Ach! ein Gaͤrtner ſteht beſtuͤrtzet/
Wenn er die Hoffnung ſeiner Zeit/
Der Blumen Schmuck und Lieblichkeit
Siht durch den Sturm des Nordens abgekuͤrtzet;
Wenn er die Muͤh und ſeiner Arbeit Fleiß
Schaut ausgetilgt durch Regen/ Schnee und Eiß.
3. Und
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[452/0684] Leichen-Gedichte. Jhr Namen theilt’ ihr mit des Hoͤchſten gute Gaben/ Jhr Lebens-Wandel war ein helles Tugend-Licht. Es muſte fort fuͤr fort ihr Andachts-Ampel glimmen/ Die feuriges Gebet unendlich angeflammt. Jhr Hertz in Reu und Leyd gleich Perlen-Muſcheln ſchwimmen/ Wenn ſie die Eitelkeit der ſchnoͤden Welt verdammt. Gedenck ich denn der Lieb? ich ritze neue Wunden! Es klagt ſein greiſes Haupt den ewigen Verluſt; Die Wartung/ Treu und Cur/ ſo er von ihr empfunden Jſt zwar gemeiner Stadt/ Hertz-innig ihm bewuſt. Jch weiſ’ ihn wie zuvor nur zu des Grabes-Hoͤle Dem letzten Schlaf-Gemach/ das unſre Sorgen deckt/ “Dem hat er anvertraut die treu-geliebte Seele/ Biß ſie des Hoͤchſten Stimm’ und juͤngſter Tag auffweckt. Sie ruht in GOttes Hand. Uns/ die wir hier noch ſchleichen/ Gleich einem Winter-Tag und Schatten aͤhnlich ſeyn/ Wird/ eh man es vermeynt/ des Todes Arm erreichen/ Und wie die Seelige der Erden ſcharren ein. Jedoch iſt unſer Grab die Thuͤre zu dem Leben/ Was fuͤrchten wir uns denn darunter einzugehn? Er wird/ betruͤbtſter Freund/ dem Endſchluß beyfall geben/ Daß/ wer hier ſeelig ſtirbt/ kan froͤlich aufferſteh’n. Bey Beerdigung eines jungen Soͤhnleins E. E. v. G. den 28. Novembr. 1680. 1. AUß/ werthſter Freund/ ſein Paradieß der Erden? So unverhofft ein Kirchhof ſeyn? Jſt denn die Wieg’ ein Leichenſtein? Und ſeh ich jetzt die Augen Muſcheln werden/ Wo die Natur die Perlen nicht gebiehrt/ Jndem ſie nichts als runde Thraͤnen fuͤhrt? 2. Ja freylich Ach! ein Gaͤrtner ſteht beſtuͤrtzet/ Wenn er die Hoffnung ſeiner Zeit/ Der Blumen Schmuck und Lieblichkeit Siht durch den Sturm des Nordens abgekuͤrtzet; Wenn er die Muͤh und ſeiner Arbeit Fleiß Schaut ausgetilgt durch Regen/ Schnee und Eiß. 3. Und

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/684>, abgerufen am 29.05.2024.