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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und ihr in seiner jähzornigen Wuth ein Messer in die Brust geworfen habe. Der Tumult, welcher dadurch in der Nachbarschaft entstanden sei, habe die Sbirren in das Haus des Mörders geführt und ihnen das Crucifix des frommen Schülers in die Hände gespielt. Darauf sei der Schuldige sogleich ergriffen und in Ketten gelegt worden, und seine unglückliche Tochter befinde sich, dem Tode nahe, in dem Hospital der Santa Catarina de' Funari.

Arthur schien von einem Donnerschlage gerührt und wäre augenblicklich zu Boden gefallen, wenn nicht eine Wand seinem Rücken eine Stütze geboten hätte. So blieb er angelehnt stehen, einem Menschen ähnlich, den das Gesicht der Medusa in eine todte Bildsäule verwandelt hätte. Auch sein Herz wurde Stein und fühlte nichts mehr, als den erstarrenden Druck dieser Verwandlung. Er sah und hörte nicht, was um ihn vorging, der Boden unter seinen Füßen war in den tiefsten Abgrund versunken, und der Himmel über seinem Haupte hatte sich in die Oede des unendlichen Raumes verloren.

Der freundliche Sbirre, welcher den Eindruck bemerkt hatte, den seine Erzählung auf den jungen Fremdling gemacht, hielt es für seine Pflicht, sich desselben anzunehmen, und schleppte ihn mit großer Anstrengung bis an das Thor des Ghetto. Hier begegneten ihm zwei Franziscaner aus dem Kloster Santa Trinita de' Monti, welche den Hülflosen als

und ihr in seiner jähzornigen Wuth ein Messer in die Brust geworfen habe. Der Tumult, welcher dadurch in der Nachbarschaft entstanden sei, habe die Sbirren in das Haus des Mörders geführt und ihnen das Crucifix des frommen Schülers in die Hände gespielt. Darauf sei der Schuldige sogleich ergriffen und in Ketten gelegt worden, und seine unglückliche Tochter befinde sich, dem Tode nahe, in dem Hospital der Santa Catarina de' Funari.

Arthur schien von einem Donnerschlage gerührt und wäre augenblicklich zu Boden gefallen, wenn nicht eine Wand seinem Rücken eine Stütze geboten hätte. So blieb er angelehnt stehen, einem Menschen ähnlich, den das Gesicht der Medusa in eine todte Bildsäule verwandelt hätte. Auch sein Herz wurde Stein und fühlte nichts mehr, als den erstarrenden Druck dieser Verwandlung. Er sah und hörte nicht, was um ihn vorging, der Boden unter seinen Füßen war in den tiefsten Abgrund versunken, und der Himmel über seinem Haupte hatte sich in die Oede des unendlichen Raumes verloren.

Der freundliche Sbirre, welcher den Eindruck bemerkt hatte, den seine Erzählung auf den jungen Fremdling gemacht, hielt es für seine Pflicht, sich desselben anzunehmen, und schleppte ihn mit großer Anstrengung bis an das Thor des Ghetto. Hier begegneten ihm zwei Franziscaner aus dem Kloster Santa Trinita de' Monti, welche den Hülflosen als

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[0139] und ihr in seiner jähzornigen Wuth ein Messer in die Brust geworfen habe. Der Tumult, welcher dadurch in der Nachbarschaft entstanden sei, habe die Sbirren in das Haus des Mörders geführt und ihnen das Crucifix des frommen Schülers in die Hände gespielt. Darauf sei der Schuldige sogleich ergriffen und in Ketten gelegt worden, und seine unglückliche Tochter befinde sich, dem Tode nahe, in dem Hospital der Santa Catarina de' Funari. Arthur schien von einem Donnerschlage gerührt und wäre augenblicklich zu Boden gefallen, wenn nicht eine Wand seinem Rücken eine Stütze geboten hätte. So blieb er angelehnt stehen, einem Menschen ähnlich, den das Gesicht der Medusa in eine todte Bildsäule verwandelt hätte. Auch sein Herz wurde Stein und fühlte nichts mehr, als den erstarrenden Druck dieser Verwandlung. Er sah und hörte nicht, was um ihn vorging, der Boden unter seinen Füßen war in den tiefsten Abgrund versunken, und der Himmel über seinem Haupte hatte sich in die Oede des unendlichen Raumes verloren. Der freundliche Sbirre, welcher den Eindruck bemerkt hatte, den seine Erzählung auf den jungen Fremdling gemacht, hielt es für seine Pflicht, sich desselben anzunehmen, und schleppte ihn mit großer Anstrengung bis an das Thor des Ghetto. Hier begegneten ihm zwei Franziscaner aus dem Kloster Santa Trinita de' Monti, welche den Hülflosen als

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/139>, abgerufen am 09.05.2024.