Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ruhigt hatte, wagte er sich die Frage vorzulegen: Was soll ich jetzt beginnen? Unter allen mehr oder minder übereilten Vorschlägen, die bald sein Zorn, bald seine Eitelkeit, bald sein Ehrgeiz ihm eingaben, blieb dennoch ein großer Entschluß, welcher schon mit seiner Flucht aus der Thorklemme in seinem Innern aufgegangen war, unter dem Kampfe der Meinungen unerschütterlich stehen. Er wollte das Haus der Geheimeräthin nie wieder betreten, und seine Liebe schien durch die Lächerlichkeit der letzten Scenen, welche sie eben mit ihm gespielt hatte, so beschämt, daß sie keinen Widerspruch gegen diesen Vorsatz einzulegen unternahm. Italien! Italien! dieses Losungswort riß ihn jetzt plötzlich wie ein Zauberspruch aus den Trümmern seiner niedergeschlagenen Pläne und Hoffnungen empor, und als ob unsichtbare Mächte ferne Schritte zu diesem Ziele gelenkt hätten, stand er gerade vor der Wohnung des Marquis in der Brüderstraße, als die Reise nach Italien ihn durch und durch wie ein Blitz erleuchtete. Italien! Italien! wiederholte er laut die Stimme seines Innern und trat in das Haus ein. In dem Flur stand der Diener des Marquis, ein ehemaliger Souffleur des Theaters, welcher den an ihm vorübereilenden Doctor erkannte und seiner Frage mit der Meldung zuvorkam, der Herr Marquis sei schon schlafen gegangen.

Schlafen? fragte Arthur verwundert. Es kann ja wohl kaum acht Uhr geschlagen haben.

ruhigt hatte, wagte er sich die Frage vorzulegen: Was soll ich jetzt beginnen? Unter allen mehr oder minder übereilten Vorschlägen, die bald sein Zorn, bald seine Eitelkeit, bald sein Ehrgeiz ihm eingaben, blieb dennoch ein großer Entschluß, welcher schon mit seiner Flucht aus der Thorklemme in seinem Innern aufgegangen war, unter dem Kampfe der Meinungen unerschütterlich stehen. Er wollte das Haus der Geheimeräthin nie wieder betreten, und seine Liebe schien durch die Lächerlichkeit der letzten Scenen, welche sie eben mit ihm gespielt hatte, so beschämt, daß sie keinen Widerspruch gegen diesen Vorsatz einzulegen unternahm. Italien! Italien! dieses Losungswort riß ihn jetzt plötzlich wie ein Zauberspruch aus den Trümmern seiner niedergeschlagenen Pläne und Hoffnungen empor, und als ob unsichtbare Mächte ferne Schritte zu diesem Ziele gelenkt hätten, stand er gerade vor der Wohnung des Marquis in der Brüderstraße, als die Reise nach Italien ihn durch und durch wie ein Blitz erleuchtete. Italien! Italien! wiederholte er laut die Stimme seines Innern und trat in das Haus ein. In dem Flur stand der Diener des Marquis, ein ehemaliger Souffleur des Theaters, welcher den an ihm vorübereilenden Doctor erkannte und seiner Frage mit der Meldung zuvorkam, der Herr Marquis sei schon schlafen gegangen.

Schlafen? fragte Arthur verwundert. Es kann ja wohl kaum acht Uhr geschlagen haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0026"/>
ruhigt hatte, wagte er sich                die Frage vorzulegen: Was soll ich jetzt beginnen? Unter allen mehr oder minder                übereilten Vorschlägen, die bald sein Zorn, bald seine Eitelkeit, bald sein Ehrgeiz                ihm eingaben, blieb dennoch ein großer Entschluß, welcher schon mit seiner Flucht aus                der Thorklemme in seinem Innern aufgegangen war, unter dem Kampfe der Meinungen                unerschütterlich stehen. Er wollte das Haus der Geheimeräthin nie wieder betreten,                und seine Liebe schien durch die Lächerlichkeit der letzten Scenen, welche sie eben                mit ihm gespielt hatte, so beschämt, daß sie keinen Widerspruch gegen diesen Vorsatz                einzulegen unternahm. Italien! Italien! dieses Losungswort riß ihn jetzt plötzlich                wie ein Zauberspruch aus den Trümmern seiner niedergeschlagenen Pläne und Hoffnungen                empor, und als ob unsichtbare Mächte ferne Schritte zu diesem Ziele gelenkt hätten,                stand er gerade vor der Wohnung des Marquis in der Brüderstraße, als die Reise nach                Italien ihn durch und durch wie ein Blitz erleuchtete. Italien! Italien! wiederholte                er laut die Stimme seines Innern und trat in das Haus ein. In dem Flur stand der                Diener des Marquis, ein ehemaliger Souffleur des Theaters, welcher den an ihm                vorübereilenden Doctor erkannte und seiner Frage mit der Meldung zuvorkam, der Herr                Marquis sei schon schlafen gegangen.</p><lb/>
        <p>Schlafen? fragte Arthur verwundert. Es kann ja wohl kaum acht Uhr geschlagen                haben.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] ruhigt hatte, wagte er sich die Frage vorzulegen: Was soll ich jetzt beginnen? Unter allen mehr oder minder übereilten Vorschlägen, die bald sein Zorn, bald seine Eitelkeit, bald sein Ehrgeiz ihm eingaben, blieb dennoch ein großer Entschluß, welcher schon mit seiner Flucht aus der Thorklemme in seinem Innern aufgegangen war, unter dem Kampfe der Meinungen unerschütterlich stehen. Er wollte das Haus der Geheimeräthin nie wieder betreten, und seine Liebe schien durch die Lächerlichkeit der letzten Scenen, welche sie eben mit ihm gespielt hatte, so beschämt, daß sie keinen Widerspruch gegen diesen Vorsatz einzulegen unternahm. Italien! Italien! dieses Losungswort riß ihn jetzt plötzlich wie ein Zauberspruch aus den Trümmern seiner niedergeschlagenen Pläne und Hoffnungen empor, und als ob unsichtbare Mächte ferne Schritte zu diesem Ziele gelenkt hätten, stand er gerade vor der Wohnung des Marquis in der Brüderstraße, als die Reise nach Italien ihn durch und durch wie ein Blitz erleuchtete. Italien! Italien! wiederholte er laut die Stimme seines Innern und trat in das Haus ein. In dem Flur stand der Diener des Marquis, ein ehemaliger Souffleur des Theaters, welcher den an ihm vorübereilenden Doctor erkannte und seiner Frage mit der Meldung zuvorkam, der Herr Marquis sei schon schlafen gegangen. Schlafen? fragte Arthur verwundert. Es kann ja wohl kaum acht Uhr geschlagen haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/26
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/26>, abgerufen am 21.11.2024.