Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschäftigkeit zu arbeiten. Sein Inneres rang den letzten Kampf, aber die im Erlöschen noch einmal aufflackernden Wünsche und Gefühle fanden keinen körperlichen Gehülfen mehr, um sich mit Lauten oder Geberden auszudrücken. Nur wenige seiner Zeichen machten sich verständlich. Er wies aus das Erdkissen vor dem Altare, faßte nach einem rosenrothcn Atlasrock, der an der Hauptwand gerade hinter dem kleinen Pappenhäuschen hing, als wollte er ihn anziehen, und ließ sich dann wieder umdrehen gegen das Wohnzimmer zu, nach einem Gemälde hinauswinkend, auf welchem die Pyramide des Cestius dargestellt war. Aber noch immer schien er übervoll von solchen Verfügungen und Aufträgen, und es war schmerzlich, ihn ohne Hülfe betrachten zu müssen, wie er sich spannte und quälte, die ängstigenden Lasten aus seinem Busen herauszuwälzen. Die mitleidige Hand des Todes erlös'te ihn bald von diesem Kampfe, und kaum hatte er seine Rechte nach der Pyramide der ewigen Ruhe ausgestreckt, da traf der zweite Schlag desselben das Ziel, welches der erste verfehlt hatte. Durchzuckt von dem kalten Schauder des zwischen sie herabfahrenden Todes, ließen der Prosessor und Cecco den Leichnam aus ihren Armen sinken, und er legte sich mit seinem Haupte auf das Kissen seiner vaterländischen Erde nieder. Der alte Bologneser hatte seinem Herrn Platz gemacht und schmiegte sich dann wieder um die Schläfe desselben, das gewohnte Lager neben dem Ruhenden einnehmend.

Geschäftigkeit zu arbeiten. Sein Inneres rang den letzten Kampf, aber die im Erlöschen noch einmal aufflackernden Wünsche und Gefühle fanden keinen körperlichen Gehülfen mehr, um sich mit Lauten oder Geberden auszudrücken. Nur wenige seiner Zeichen machten sich verständlich. Er wies aus das Erdkissen vor dem Altare, faßte nach einem rosenrothcn Atlasrock, der an der Hauptwand gerade hinter dem kleinen Pappenhäuschen hing, als wollte er ihn anziehen, und ließ sich dann wieder umdrehen gegen das Wohnzimmer zu, nach einem Gemälde hinauswinkend, auf welchem die Pyramide des Cestius dargestellt war. Aber noch immer schien er übervoll von solchen Verfügungen und Aufträgen, und es war schmerzlich, ihn ohne Hülfe betrachten zu müssen, wie er sich spannte und quälte, die ängstigenden Lasten aus seinem Busen herauszuwälzen. Die mitleidige Hand des Todes erlös'te ihn bald von diesem Kampfe, und kaum hatte er seine Rechte nach der Pyramide der ewigen Ruhe ausgestreckt, da traf der zweite Schlag desselben das Ziel, welches der erste verfehlt hatte. Durchzuckt von dem kalten Schauder des zwischen sie herabfahrenden Todes, ließen der Prosessor und Cecco den Leichnam aus ihren Armen sinken, und er legte sich mit seinem Haupte auf das Kissen seiner vaterländischen Erde nieder. Der alte Bologneser hatte seinem Herrn Platz gemacht und schmiegte sich dann wieder um die Schläfe desselben, das gewohnte Lager neben dem Ruhenden einnehmend.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="11">
        <p><pb facs="#f0087"/>
Geschäftigkeit zu arbeiten. Sein Inneres rang den letzten Kampf, aber die im                Erlöschen noch einmal aufflackernden Wünsche und Gefühle fanden keinen körperlichen                Gehülfen mehr, um sich mit Lauten oder Geberden auszudrücken. Nur wenige seiner                Zeichen machten sich verständlich. Er wies aus das Erdkissen vor dem Altare, faßte                nach einem rosenrothcn Atlasrock, der an der Hauptwand gerade hinter dem kleinen                Pappenhäuschen hing, als wollte er ihn anziehen, und ließ sich dann wieder umdrehen                gegen das Wohnzimmer zu, nach einem Gemälde hinauswinkend, auf welchem die Pyramide                des Cestius dargestellt war. Aber noch immer schien er übervoll von solchen                Verfügungen und Aufträgen, und es war schmerzlich, ihn ohne Hülfe betrachten zu                müssen, wie er sich spannte und quälte, die ängstigenden Lasten aus seinem Busen                herauszuwälzen. Die mitleidige Hand des Todes erlös'te ihn bald von diesem Kampfe,                und kaum hatte er seine Rechte nach der Pyramide der ewigen Ruhe ausgestreckt, da                traf der zweite Schlag desselben das Ziel, welches der erste verfehlt hatte.                Durchzuckt von dem kalten Schauder des zwischen sie herabfahrenden Todes, ließen der                Prosessor und Cecco den Leichnam aus ihren Armen sinken, und er legte sich mit seinem                Haupte auf das Kissen seiner vaterländischen Erde nieder. Der alte Bologneser hatte                seinem Herrn Platz gemacht und schmiegte sich dann wieder um die Schläfe desselben,                das gewohnte Lager neben dem Ruhenden einnehmend.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0087] Geschäftigkeit zu arbeiten. Sein Inneres rang den letzten Kampf, aber die im Erlöschen noch einmal aufflackernden Wünsche und Gefühle fanden keinen körperlichen Gehülfen mehr, um sich mit Lauten oder Geberden auszudrücken. Nur wenige seiner Zeichen machten sich verständlich. Er wies aus das Erdkissen vor dem Altare, faßte nach einem rosenrothcn Atlasrock, der an der Hauptwand gerade hinter dem kleinen Pappenhäuschen hing, als wollte er ihn anziehen, und ließ sich dann wieder umdrehen gegen das Wohnzimmer zu, nach einem Gemälde hinauswinkend, auf welchem die Pyramide des Cestius dargestellt war. Aber noch immer schien er übervoll von solchen Verfügungen und Aufträgen, und es war schmerzlich, ihn ohne Hülfe betrachten zu müssen, wie er sich spannte und quälte, die ängstigenden Lasten aus seinem Busen herauszuwälzen. Die mitleidige Hand des Todes erlös'te ihn bald von diesem Kampfe, und kaum hatte er seine Rechte nach der Pyramide der ewigen Ruhe ausgestreckt, da traf der zweite Schlag desselben das Ziel, welches der erste verfehlt hatte. Durchzuckt von dem kalten Schauder des zwischen sie herabfahrenden Todes, ließen der Prosessor und Cecco den Leichnam aus ihren Armen sinken, und er legte sich mit seinem Haupte auf das Kissen seiner vaterländischen Erde nieder. Der alte Bologneser hatte seinem Herrn Platz gemacht und schmiegte sich dann wieder um die Schläfe desselben, das gewohnte Lager neben dem Ruhenden einnehmend.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/87
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/87>, abgerufen am 21.11.2024.