Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Stets Derselb' aufgeht, es erscheine Nichts dir Größer denn Roma. Der Jüngling blieb vor dem erhabenen Schauspiele der untergehenden Sonne stehen und richtete sich, je tiefer sie sank, immer höher in sich empor. Die ganze Stadt mit ihrer hügelvollen Ebene erschien ihm wie ein großes Todtenfeld, tief unten die Aschenkrüge von Königen, Helden und Vestalinnen, darüber die zerbröckelten Gebeine von Heiligen und Märterern und obenauf eingesargte Leichen ohne Wunden und Kränze. Da donnerten die Mörser von dem Corso herüber. Der Lauf ist vollbracht, murmelte Arthur vor sich hin, der Fastnachtstag des Lebens ist geschlossen. Nun ziehen wir Säcke über, bestreuen uns mit Erde und schlafen, bis die donnernden Mörser uns am Morgen der Auferstehung wieder erwecken. Dreizehntes Kapitel. Arthur konnte die ganze folgende Nacht hindurch kein Auge schließen, und gegen seine Gewohnheit ließ er eine Lampe in seiner Schlafkammer brennen, wahrscheinlich, weil die Nähe der Leiche ihn in der Dunkelheit beunruhigt haben würde, angeblich aber um zu lesen. Er hatte einige Werke des Lord Byron auf Stets Derselb' aufgeht, es erscheine Nichts dir Größer denn Roma. Der Jüngling blieb vor dem erhabenen Schauspiele der untergehenden Sonne stehen und richtete sich, je tiefer sie sank, immer höher in sich empor. Die ganze Stadt mit ihrer hügelvollen Ebene erschien ihm wie ein großes Todtenfeld, tief unten die Aschenkrüge von Königen, Helden und Vestalinnen, darüber die zerbröckelten Gebeine von Heiligen und Märterern und obenauf eingesargte Leichen ohne Wunden und Kränze. Da donnerten die Mörser von dem Corso herüber. Der Lauf ist vollbracht, murmelte Arthur vor sich hin, der Fastnachtstag des Lebens ist geschlossen. Nun ziehen wir Säcke über, bestreuen uns mit Erde und schlafen, bis die donnernden Mörser uns am Morgen der Auferstehung wieder erwecken. Dreizehntes Kapitel. Arthur konnte die ganze folgende Nacht hindurch kein Auge schließen, und gegen seine Gewohnheit ließ er eine Lampe in seiner Schlafkammer brennen, wahrscheinlich, weil die Nähe der Leiche ihn in der Dunkelheit beunruhigt haben würde, angeblich aber um zu lesen. Er hatte einige Werke des Lord Byron auf <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="12"> <lg> <pb facs="#f0094"/> <l>Stets Derselb' aufgeht, es erscheine Nichts dir</l> <l>Größer denn Roma.</l> </lg> <p>Der Jüngling blieb vor dem erhabenen Schauspiele der untergehenden Sonne stehen und richtete sich, je tiefer sie sank, immer höher in sich empor. Die ganze Stadt mit ihrer hügelvollen Ebene erschien ihm wie ein großes Todtenfeld, tief unten die Aschenkrüge von Königen, Helden und Vestalinnen, darüber die zerbröckelten Gebeine von Heiligen und Märterern und obenauf eingesargte Leichen ohne Wunden und Kränze. Da donnerten die Mörser von dem Corso herüber. Der Lauf ist vollbracht, murmelte Arthur vor sich hin, der Fastnachtstag des Lebens ist geschlossen. Nun ziehen wir Säcke über, bestreuen uns mit Erde und schlafen, bis die donnernden Mörser uns am Morgen der Auferstehung wieder erwecken.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="13"> <head>Dreizehntes Kapitel.</head> <p>Arthur konnte die ganze folgende Nacht hindurch kein Auge schließen, und gegen seine Gewohnheit ließ er eine Lampe in seiner Schlafkammer brennen, wahrscheinlich, weil die Nähe der Leiche ihn in der Dunkelheit beunruhigt haben würde, angeblich aber um zu lesen. Er hatte einige Werke des Lord Byron auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
Stets Derselb' aufgeht, es erscheine Nichts dir Größer denn Roma.
Der Jüngling blieb vor dem erhabenen Schauspiele der untergehenden Sonne stehen und richtete sich, je tiefer sie sank, immer höher in sich empor. Die ganze Stadt mit ihrer hügelvollen Ebene erschien ihm wie ein großes Todtenfeld, tief unten die Aschenkrüge von Königen, Helden und Vestalinnen, darüber die zerbröckelten Gebeine von Heiligen und Märterern und obenauf eingesargte Leichen ohne Wunden und Kränze. Da donnerten die Mörser von dem Corso herüber. Der Lauf ist vollbracht, murmelte Arthur vor sich hin, der Fastnachtstag des Lebens ist geschlossen. Nun ziehen wir Säcke über, bestreuen uns mit Erde und schlafen, bis die donnernden Mörser uns am Morgen der Auferstehung wieder erwecken.
Dreizehntes Kapitel. Arthur konnte die ganze folgende Nacht hindurch kein Auge schließen, und gegen seine Gewohnheit ließ er eine Lampe in seiner Schlafkammer brennen, wahrscheinlich, weil die Nähe der Leiche ihn in der Dunkelheit beunruhigt haben würde, angeblich aber um zu lesen. Er hatte einige Werke des Lord Byron auf
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/94>, abgerufen am 16.07.2024. |