Nationalglücks bey einander zu halten. In Staaten hingegen, wo man die alten Schranken der ökonomischen Thätigkeit, wo man die feudalistischen Formen der Haushaltung und Dienst- verhältnisse geschont hat, so viel es die Umstände erlauben woll- ten, wo man dem Vorwitz angeblicher Culturfortschritte we- niger nachgesehn, wo man die Frucht in ihrer alten, orga- nischen und kernigen Natur erhalten hat, wie in Oesterreich, da haben auch die größten Beschränkungen der Industrie, und des auswärtigen Handels unverhältnißmäßig weniger gedrückt.
Anstatt demnach jene Richtungen des Bedürfnisses und also der ökonomischen Thätigkeit, jenes heilige Skelett der gesamm- ten Staatshaushaltung, das sich im Laufe der Jahrhunderte zu dem eigentlichen Stamm und Träger aller politischen Or- gane befestiget hat, der Willkühr einer, von aller gesellschaft- lichen Tugend abgewendeten Generation zu überlassen, verlan- ge ich vielmehr, daß alle Produktion des Augenblicks oder des einzelnen Jahres ihr untergeordnet werden soll. Hat der Staats- wirth in dem Verhältniß: Bedürfniß und Produktion, das eigentlich im Gleichgewichte schwebend vor seiner Seele stehen soll, irgend etwas zu begünstigen, so ist es das Bedürfniß, das ewige Gesammtbedürfniß seines Staates, denn dieses muß ihm lehren, was die natürliche, angestammte, und mit der übrigen Haltung und Erhaltung des Staates vereinbare Produktion sey. Dieses eigentliche Stammvermögen, dieses erprobte Capital, das, wie man mir endlich wohl ohne fer- neren Beweis einräumen wird, vielmehr in der Zähigkeit der Bedürfniß- und Kraftrichtungen, und in ihrem festen Verhält- niß zu einander, als in der Größe der darin sich bewegenden
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Nationalgluͤcks bey einander zu halten. In Staaten hingegen, wo man die alten Schranken der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit, wo man die feudaliſtiſchen Formen der Haushaltung und Dienſt- verhaͤltniſſe geſchont hat, ſo viel es die Umſtaͤnde erlauben woll- ten, wo man dem Vorwitz angeblicher Culturfortſchritte we- niger nachgeſehn, wo man die Frucht in ihrer alten, orga- niſchen und kernigen Natur erhalten hat, wie in Oeſterreich, da haben auch die groͤßten Beſchraͤnkungen der Induſtrie, und des auswaͤrtigen Handels unverhaͤltnißmaͤßig weniger gedruͤckt.
Anſtatt demnach jene Richtungen des Beduͤrfniſſes und alſo der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit, jenes heilige Skelett der geſamm- ten Staatshaushaltung, das ſich im Laufe der Jahrhunderte zu dem eigentlichen Stamm und Traͤger aller politiſchen Or- gane befeſtiget hat, der Willkuͤhr einer, von aller geſellſchaft- lichen Tugend abgewendeten Generation zu uͤberlaſſen, verlan- ge ich vielmehr, daß alle Produktion des Augenblicks oder des einzelnen Jahres ihr untergeordnet werden ſoll. Hat der Staats- wirth in dem Verhaͤltniß: Beduͤrfniß und Produktion, das eigentlich im Gleichgewichte ſchwebend vor ſeiner Seele ſtehen ſoll, irgend etwas zu beguͤnſtigen, ſo iſt es das Beduͤrfniß, das ewige Geſammtbeduͤrfniß ſeines Staates, denn dieſes muß ihm lehren, was die natuͤrliche, angeſtammte, und mit der uͤbrigen Haltung und Erhaltung des Staates vereinbare Produktion ſey. Dieſes eigentliche Stammvermoͤgen, dieſes erprobte Capital, das, wie man mir endlich wohl ohne fer- neren Beweis einraͤumen wird, vielmehr in der Zaͤhigkeit der Beduͤrfniß- und Kraftrichtungen, und in ihrem feſten Verhaͤlt- niß zu einander, als in der Groͤße der darin ſich bewegenden
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Nationalgluͤcks bey einander zu halten. In Staaten hingegen,
wo man die alten Schranken der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit, wo
man die feudaliſtiſchen Formen der Haushaltung und Dienſt-
verhaͤltniſſe geſchont hat, ſo viel es die Umſtaͤnde erlauben woll-
ten, wo man dem Vorwitz angeblicher Culturfortſchritte we-
niger nachgeſehn, wo man die Frucht in ihrer alten, orga-
niſchen und kernigen Natur erhalten hat, wie in Oeſterreich,
da haben auch die groͤßten Beſchraͤnkungen der Induſtrie, und
des auswaͤrtigen Handels unverhaͤltnißmaͤßig weniger gedruͤckt.
Anſtatt demnach jene Richtungen des Beduͤrfniſſes und alſo
der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit, jenes heilige Skelett der geſamm-
ten Staatshaushaltung, das ſich im Laufe der Jahrhunderte
zu dem eigentlichen Stamm und Traͤger aller politiſchen Or-
gane befeſtiget hat, der Willkuͤhr einer, von aller geſellſchaft-
lichen Tugend abgewendeten Generation zu uͤberlaſſen, verlan-
ge ich vielmehr, daß alle Produktion des Augenblicks oder des
einzelnen Jahres ihr untergeordnet werden ſoll. Hat der Staats-
wirth in dem Verhaͤltniß: Beduͤrfniß und Produktion, das
eigentlich im Gleichgewichte ſchwebend vor ſeiner Seele ſtehen
ſoll, irgend etwas zu beguͤnſtigen, ſo iſt es das Beduͤrfniß,
das ewige Geſammtbeduͤrfniß ſeines Staates, denn dieſes
muß ihm lehren, was die natuͤrliche, angeſtammte, und mit
der uͤbrigen Haltung und Erhaltung des Staates vereinbare
Produktion ſey. Dieſes eigentliche Stammvermoͤgen, dieſes
erprobte Capital, das, wie man mir endlich wohl ohne fer-
neren Beweis einraͤumen wird, vielmehr in der Zaͤhigkeit der
Beduͤrfniß- und Kraftrichtungen, und in ihrem feſten Verhaͤlt-
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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