Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn wir die Sache wissenschaftlich streng nehmen, so
tritt diese dreyfache Relation bey jedem einzelnen Eigenthume
ein, und da sich alle drey unter einander verbürgen und be-
dingen, so hat der Einzelne überhaupt nur ein Eigenthum,
in wie fern er das Object desselben zugleich als Privateigen-
thum, als corporatives und als Staatseigenthum betrachtet
und behandelt, mit andern Worten, in wie fern er die ihm
eigenthümliche Sache mit den Personen zu theilen, und dem
Staate hinzugeben, allezeit bereit ist. In diesem Sinne nur
hat er auch das Eigenthum seiner eigenen Person, und das
führt seine ganze Stellung als Glied eines großen Ganzen
unaufhörlich mit sich, daß er seine sächliche und persönliche
Eigenthümlichkeit zu theilen und aufzuopfern an allen Orten
bereit sey. Das wird das Kennzeichen seyn, ob er sich jenes
Ideal eines vollständigen und dauerhaften Menschen, das er
in sich trug, und das nur die Gesellschaft im Ganzen reali-
siren kann, tüchtig und innig angeeignet hat; ob sein Stre-
ben nach Fülle und Unvergänglichkeit, worin sein menschlicher
Charakter und seine Vernunft sich offenbart, wirklich befrie-
digt ist; und ob er das einzig sichere Eigenthum erlangt hat,
zu dem er nur herangelockt wurde, durch den vergänglichen
Schein des Privateigenthums, wie er überhaupt zu allen
höheren Befriedigungen seines Daseyns, durch den gemeinen
Hunger und Durst herangewöhnt worden ist.

Dem gemeinen Auge erscheint nur da, wo ihm Privat-
eigenthum zugestanden wird, wirkliche Befriedigung; wo es
theilen muß, oder mit dem Ganzen besitzt, sieht es nur Nieß-
brauch -- gerade wie dem kindischen Auge die Erde zu ruhen,

Wenn wir die Sache wiſſenſchaftlich ſtreng nehmen, ſo
tritt dieſe dreyfache Relation bey jedem einzelnen Eigenthume
ein, und da ſich alle drey unter einander verbuͤrgen und be-
dingen, ſo hat der Einzelne uͤberhaupt nur ein Eigenthum,
in wie fern er das Object desſelben zugleich als Privateigen-
thum, als corporatives und als Staatseigenthum betrachtet
und behandelt, mit andern Worten, in wie fern er die ihm
eigenthuͤmliche Sache mit den Perſonen zu theilen, und dem
Staate hinzugeben, allezeit bereit iſt. In dieſem Sinne nur
hat er auch das Eigenthum ſeiner eigenen Perſon, und das
fuͤhrt ſeine ganze Stellung als Glied eines großen Ganzen
unaufhoͤrlich mit ſich, daß er ſeine ſaͤchliche und perſoͤnliche
Eigenthuͤmlichkeit zu theilen und aufzuopfern an allen Orten
bereit ſey. Das wird das Kennzeichen ſeyn, ob er ſich jenes
Ideal eines vollſtaͤndigen und dauerhaften Menſchen, das er
in ſich trug, und das nur die Geſellſchaft im Ganzen reali-
ſiren kann, tuͤchtig und innig angeeignet hat; ob ſein Stre-
ben nach Fuͤlle und Unvergaͤnglichkeit, worin ſein menſchlicher
Charakter und ſeine Vernunft ſich offenbart, wirklich befrie-
digt iſt; und ob er das einzig ſichere Eigenthum erlangt hat,
zu dem er nur herangelockt wurde, durch den vergaͤnglichen
Schein des Privateigenthums, wie er uͤberhaupt zu allen
hoͤheren Befriedigungen ſeines Daſeyns, durch den gemeinen
Hunger und Durſt herangewoͤhnt worden iſt.

Dem gemeinen Auge erſcheint nur da, wo ihm Privat-
eigenthum zugeſtanden wird, wirkliche Befriedigung; wo es
theilen muß, oder mit dem Ganzen beſitzt, ſieht es nur Nieß-
brauch — gerade wie dem kindiſchen Auge die Erde zu ruhen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0036" n="22"/>
          <p>Wenn wir die Sache wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich &#x017F;treng nehmen, &#x017F;o<lb/>
tritt die&#x017F;e dreyfache Relation bey jedem einzelnen Eigenthume<lb/>
ein, und da &#x017F;ich alle drey unter einander verbu&#x0364;rgen und be-<lb/>
dingen, &#x017F;o hat der Einzelne u&#x0364;berhaupt nur ein Eigenthum,<lb/>
in wie fern er das Object des&#x017F;elben zugleich als Privateigen-<lb/>
thum, als corporatives und als Staatseigenthum betrachtet<lb/>
und behandelt, mit andern Worten, in wie fern er die ihm<lb/>
eigenthu&#x0364;mliche Sache mit den Per&#x017F;onen zu theilen, und dem<lb/>
Staate hinzugeben, allezeit bereit i&#x017F;t. In die&#x017F;em Sinne nur<lb/>
hat er auch das Eigenthum &#x017F;einer eigenen Per&#x017F;on, und das<lb/>
fu&#x0364;hrt &#x017F;eine ganze Stellung als Glied eines großen Ganzen<lb/>
unaufho&#x0364;rlich mit &#x017F;ich, daß er &#x017F;eine &#x017F;a&#x0364;chliche und per&#x017F;o&#x0364;nliche<lb/>
Eigenthu&#x0364;mlichkeit zu theilen und aufzuopfern an allen Orten<lb/>
bereit &#x017F;ey. Das wird das Kennzeichen &#x017F;eyn, ob er &#x017F;ich jenes<lb/>
Ideal eines voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen und dauerhaften Men&#x017F;chen, das er<lb/>
in &#x017F;ich trug, und das nur die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft im Ganzen reali-<lb/>
&#x017F;iren kann, tu&#x0364;chtig und innig angeeignet hat; ob &#x017F;ein Stre-<lb/>
ben nach Fu&#x0364;lle und Unverga&#x0364;nglichkeit, worin &#x017F;ein men&#x017F;chlicher<lb/>
Charakter und &#x017F;eine Vernunft &#x017F;ich offenbart, wirklich befrie-<lb/>
digt i&#x017F;t; und ob er das einzig &#x017F;ichere Eigenthum erlangt hat,<lb/>
zu dem er nur herangelockt wurde, durch den verga&#x0364;nglichen<lb/>
Schein des Privateigenthums, wie er u&#x0364;berhaupt zu allen<lb/>
ho&#x0364;heren Befriedigungen &#x017F;eines Da&#x017F;eyns, durch den gemeinen<lb/>
Hunger und Dur&#x017F;t herangewo&#x0364;hnt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Dem gemeinen Auge er&#x017F;cheint nur da, wo ihm Privat-<lb/>
eigenthum zuge&#x017F;tanden wird, wirkliche Befriedigung; wo es<lb/>
theilen muß, oder mit dem Ganzen be&#x017F;itzt, &#x017F;ieht es nur Nieß-<lb/>
brauch &#x2014; gerade wie dem kindi&#x017F;chen Auge die Erde zu ruhen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0036] Wenn wir die Sache wiſſenſchaftlich ſtreng nehmen, ſo tritt dieſe dreyfache Relation bey jedem einzelnen Eigenthume ein, und da ſich alle drey unter einander verbuͤrgen und be- dingen, ſo hat der Einzelne uͤberhaupt nur ein Eigenthum, in wie fern er das Object desſelben zugleich als Privateigen- thum, als corporatives und als Staatseigenthum betrachtet und behandelt, mit andern Worten, in wie fern er die ihm eigenthuͤmliche Sache mit den Perſonen zu theilen, und dem Staate hinzugeben, allezeit bereit iſt. In dieſem Sinne nur hat er auch das Eigenthum ſeiner eigenen Perſon, und das fuͤhrt ſeine ganze Stellung als Glied eines großen Ganzen unaufhoͤrlich mit ſich, daß er ſeine ſaͤchliche und perſoͤnliche Eigenthuͤmlichkeit zu theilen und aufzuopfern an allen Orten bereit ſey. Das wird das Kennzeichen ſeyn, ob er ſich jenes Ideal eines vollſtaͤndigen und dauerhaften Menſchen, das er in ſich trug, und das nur die Geſellſchaft im Ganzen reali- ſiren kann, tuͤchtig und innig angeeignet hat; ob ſein Stre- ben nach Fuͤlle und Unvergaͤnglichkeit, worin ſein menſchlicher Charakter und ſeine Vernunft ſich offenbart, wirklich befrie- digt iſt; und ob er das einzig ſichere Eigenthum erlangt hat, zu dem er nur herangelockt wurde, durch den vergaͤnglichen Schein des Privateigenthums, wie er uͤberhaupt zu allen hoͤheren Befriedigungen ſeines Daſeyns, durch den gemeinen Hunger und Durſt herangewoͤhnt worden iſt. Dem gemeinen Auge erſcheint nur da, wo ihm Privat- eigenthum zugeſtanden wird, wirkliche Befriedigung; wo es theilen muß, oder mit dem Ganzen beſitzt, ſieht es nur Nieß- brauch — gerade wie dem kindiſchen Auge die Erde zu ruhen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/36
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/36>, abgerufen am 03.12.2024.