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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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aͤußeres ſinnliches Object nicht betrachten, ohne in ewiger
Veraͤnderung bald dieſes bald jenes erweiternd, beſchraͤnkend
ſich lebhafter einzubilden, wir koͤnnen eine zuſammengeſetzte
architectoniſche Figur nicht beſchauen, ohne eine immer-
waͤhrende Abſtraction der ſinnlichen Vorſtellung, welche
bald dieſen bald jenen durch den ganzen durchſtrebenden
Elementartheil im Sinne feſthaͤlt. Hier iſt uns nur die
der Phantaſie nothwendige Veraͤnderung ihres Objectes
erkennbar, ihr lebendiger Fortſchritt im Erweitern, Be-
ſchraͤnken des ſinnlich Aufgefaßten.

170.

Iſt der Phantaſie in einem aͤußern ſinnlichen Object
die Schranke ihrer Lebensbewegung gegeben, ſo kann ſie
dieſes ihr Nothwendige nicht anders aͤußern, als daß ſie
in einer immerwaͤhrenden abſtrahiren Einbildung einzelner
Theile der Geſammtanſchauung begriffen iſt. Die Sinnes-
thaͤtigkeit, die ſinnliche Auffaſſung iſt nie ohne das Formen
beſchraͤnkende, erweiternde Leben der Phantaſie.

171.

Auch ohne die Beſchraͤnkung auf ein aͤußeres ſinnliches
Object iſt die Phantaſie auf gleiche Weiſe und noch freier
thaͤtig; denn ihr Leben bleibt hier ſich ſelbſt gleich. Sei das
ſinnliche Object ein bloß Vorgeſtelltes, ſo wirkt die Phantaſie,
in ſofern ſie lebt, beſchraͤnkend, erweiternd in dem Begriff
des ſinnlich Vorgeſtellten, gerade ſo wie ſie im aͤußern
ſinnlichen Objecte thaͤtig iſt. Sie kann das ſinnlich Vor-
geſtellte nicht in dieſer ſeiner allgemeinen Beſchraͤnkung
feſthalten, ſie faßt ein Einzelnes in dem ſinnlich Vor-
geſtellten auf, und da das Ganze uͤberhaupt nicht ſinn-
lich gegenwaͤrtig war und ſich nicht immer fort von außen
aufnoͤthigt, ſo hat die Phantaſie keinen Grund, bei dem
Ganzen ſtehen zu bleiben.


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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/113>, abgerufen am 11.02.2025.