Vor den Doriern war ohne Zweifel Mykenä, im höhern Theile der Ebene am Ausgange des Gebirgs gelegen, der bedeutendste und angesehenste Ort in Ar- golis, und Argos, obgleich der Sitz der ältesten Lan- descultur, war davon abhängig und untergeordnet. Zu Mykenä war Eurystheus kyklopische Vorhalle 1; Agamemnons goldreiches Haus; und wenn die befestigte Stadt auch klein war, wie Thukydides mit Recht sagt, so war sie doch -- wie wir jetzt belehrt sind -- voll von großartigen und reichgeschmückten Monumenten, die in ihrer halbbarbarischen aber doch kunstreichen Pracht von der Einfachheit und Ungeschmücktheit des- sen, was nachmals die Dorische Zeit hervorbrachte, ungemein abstachen 2. Die Dorische Eroberung fing da- gegen nicht bei jenen durch Natur und Menschenhand gleich gesicherten Burgen an, sondern schritt auf dem umgekehrten Wege von der Seeküste aus vorwärts. Denn am Meere zwischen Lerna und Nauplia, an der Mündung des Phrixos 3, lag ein befestigter Ort, Te- menion, von welchem aus Temenos, Aristomachos Sohn, mit den Doriern den Tisamenos und die Achäer be-
1 Eurustheos Kuklopia prothura Pind. Fragin. Inc. 48. Böckh.
2 Buch 4.
3 Fourmont glaubt, Temenion in einer Burg südlich von Lerna zu erkennen, aber es muß nördlich liegen.
5.
1.
Vor den Doriern war ohne Zweifel Mykenaͤ, im hoͤhern Theile der Ebene am Ausgange des Gebirgs gelegen, der bedeutendſte und angeſehenſte Ort in Ar- golis, und Argos, obgleich der Sitz der aͤlteſten Lan- descultur, war davon abhaͤngig und untergeordnet. Zu Mykenaͤ war Euryſtheus kyklopiſche Vorhalle 1; Agamemnons goldreiches Haus; und wenn die befeſtigte Stadt auch klein war, wie Thukydides mit Recht ſagt, ſo war ſie doch — wie wir jetzt belehrt ſind — voll von großartigen und reichgeſchmuͤckten Monumenten, die in ihrer halbbarbariſchen aber doch kunſtreichen Pracht von der Einfachheit und Ungeſchmuͤcktheit deſ- ſen, was nachmals die Doriſche Zeit hervorbrachte, ungemein abſtachen 2. Die Doriſche Eroberung fing da- gegen nicht bei jenen durch Natur und Menſchenhand gleich geſicherten Burgen an, ſondern ſchritt auf dem umgekehrten Wege von der Seekuͤſte aus vorwaͤrts. Denn am Meere zwiſchen Lerna und Nauplia, an der Muͤndung des Phrixos 3, lag ein befeſtigter Ort, Te- menion, von welchem aus Temenos, Ariſtomachos Sohn, mit den Doriern den Tiſamenos und die Achaͤer be-
1 Εὐϱυσϑέος Κυκλώπια πϱόϑυϱα Pind. Fragin. Inc. 48. Boͤckh.
2 Buch 4.
3 Fourmont glaubt, Temenion in einer Burg ſuͤdlich von Lerna zu erkennen, aber es muß noͤrdlich liegen.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0108"n="78"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>5.</head><lb/><divn="3"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>or den Doriern war ohne Zweifel Mykenaͤ, im<lb/>
hoͤhern Theile der Ebene am Ausgange des Gebirgs<lb/>
gelegen, der bedeutendſte und angeſehenſte Ort in Ar-<lb/>
golis, und Argos, obgleich der Sitz der aͤlteſten Lan-<lb/>
descultur, war davon abhaͤngig und untergeordnet.<lb/>
Zu Mykenaͤ war Euryſtheus kyklopiſche Vorhalle <noteplace="foot"n="1">ΕὐϱυσϑέοςΚυκλώπιαπϱόϑυϱα Pind. Fragin. <hirendition="#aq">Inc.</hi> 48. Boͤckh.</note>;<lb/>
Agamemnons goldreiches Haus; und wenn die befeſtigte<lb/>
Stadt auch klein war, wie Thukydides mit Recht ſagt,<lb/>ſo war ſie doch — wie wir jetzt belehrt ſind — voll<lb/>
von großartigen und reichgeſchmuͤckten Monumenten,<lb/>
die in ihrer halbbarbariſchen aber doch kunſtreichen<lb/>
Pracht von der Einfachheit und Ungeſchmuͤcktheit deſ-<lb/>ſen, was nachmals die Doriſche Zeit hervorbrachte,<lb/>
ungemein abſtachen <noteplace="foot"n="2">Buch 4.</note>. Die Doriſche Eroberung fing da-<lb/>
gegen nicht bei jenen durch Natur und Menſchenhand<lb/>
gleich geſicherten Burgen an, ſondern ſchritt auf dem<lb/>
umgekehrten Wege von der Seekuͤſte aus vorwaͤrts.<lb/>
Denn am Meere zwiſchen Lerna und Nauplia, an der<lb/>
Muͤndung des Phrixos <noteplace="foot"n="3">Fourmont glaubt, Temenion in einer Burg<lb/>ſuͤdlich von Lerna zu erkennen, aber es muß noͤrdlich liegen.</note>, lag ein befeſtigter Ort, Te-<lb/>
menion, von welchem aus Temenos, Ariſtomachos Sohn,<lb/>
mit den Doriern den Tiſamenos und die Achaͤer be-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[78/0108]
5.
1.
Vor den Doriern war ohne Zweifel Mykenaͤ, im
hoͤhern Theile der Ebene am Ausgange des Gebirgs
gelegen, der bedeutendſte und angeſehenſte Ort in Ar-
golis, und Argos, obgleich der Sitz der aͤlteſten Lan-
descultur, war davon abhaͤngig und untergeordnet.
Zu Mykenaͤ war Euryſtheus kyklopiſche Vorhalle 1;
Agamemnons goldreiches Haus; und wenn die befeſtigte
Stadt auch klein war, wie Thukydides mit Recht ſagt,
ſo war ſie doch — wie wir jetzt belehrt ſind — voll
von großartigen und reichgeſchmuͤckten Monumenten,
die in ihrer halbbarbariſchen aber doch kunſtreichen
Pracht von der Einfachheit und Ungeſchmuͤcktheit deſ-
ſen, was nachmals die Doriſche Zeit hervorbrachte,
ungemein abſtachen 2. Die Doriſche Eroberung fing da-
gegen nicht bei jenen durch Natur und Menſchenhand
gleich geſicherten Burgen an, ſondern ſchritt auf dem
umgekehrten Wege von der Seekuͤſte aus vorwaͤrts.
Denn am Meere zwiſchen Lerna und Nauplia, an der
Muͤndung des Phrixos 3, lag ein befeſtigter Ort, Te-
menion, von welchem aus Temenos, Ariſtomachos Sohn,
mit den Doriern den Tiſamenos und die Achaͤer be-
1 Εὐϱυσϑέος Κυκλώπια πϱόϑυϱα Pind. Fragin. Inc. 48. Boͤckh.
2 Buch 4.
3 Fourmont glaubt, Temenion in einer Burg
ſuͤdlich von Lerna zu erkennen, aber es muß noͤrdlich liegen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/108>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.