Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gastfreund und Tischgenoß; solche hießen hernach doruxenoi, im Gegensatz von dorualotoi.
11.
Wir wenden uns nach Lakonika, welches nach jener Theilungssage dem Aristodemos oder dessen Söhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge- meinen Sage nämlich, die von epischen Dichtern auf- genommen war 1, waren es die Zwillingsbrüder Eury- sthenes und Prokles (Prokleas dorisch) 2, die nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die Spartanische Landestradition ließ dagegen, wie Hero- dot berichtet, Aristodemos selbst einziehn 3, und erst nach dessen Tode die Doppelherrschaft seiner Kinder an- geordnet werden, doch so, daß der Erstgeborne gewis- ser Vorzüge genießen sollte 4. Dem widerspräche zwar wieder Thukydides 5, der als Lakonische Sage anführt, daß die Könige, welche zuerst Lakedämon einnahmen, er meint Eurysthenes und Prokles, mit Chören und Op- fern eingeführt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del- phischen Orakels nachmals dem Pleistoanax bei seiner Wiedereinsetzung wiederfuhr. Indessen liegt diese Ab- weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachläs- sigkeit des Schriftstellers.
12.
Aber weit schwieriger ist es, eine Ansicht von dem Zustande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande- rung zu gewinnen. Denn daß die Geschichte, wie sie
1 S. oben S. 51.
2 Kuhn zu Paus. 3, 1. Nach Po- lyän 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zusammen Lakedä- mon.
3 In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umschreibt, stand wohl mallon de geraiteron esti gerairein.
4 Dieser folgt Plutarch Ages. 19.
5 5, 16. Auch bei Platon Gesetze 3, 683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: kai basileus men -- Lakedaimonos Prokles kai Eurusthenes; pos gar ou; gegen seine Landessage.
Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im Gegenſatz von δορυάλωτοι.
11.
Wir wenden uns nach Lakonika, welches nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge- meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf- genommen war 1, waren es die Zwillingsbruͤder Eury- ſthenes und Prokles (Πϱοκλέας doriſch) 2, die nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero- dot berichtet, Ariſtodemos ſelbſt einziehn 3, und erſt nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an- geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ- ſer Vorzuͤge genießen ſollte 4. Dem widerſpraͤche zwar wieder Thukydides 5, der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt, daß die Koͤnige, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen, er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op- fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del- phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab- weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ- ſigkeit des Schriftſtellers.
12.
Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande- rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie
1 S. oben S. 51.
2 Kuhn zu Pauſ. 3, 1. Nach Po- lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ- mon.
3 In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umſchreibt, ſtand wohl μᾶλλον δὲ γεϱαίτεϱον ἔστι γεϱαίϱειν.
4 Dieſer folgt Plutarch Ageſ. 19.
5 5, 16. Auch bei Platon Geſetze 3, 683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶ βασιλεὺς μὲν — Λακεδαίμονος Πϱοκλῆς καὶ Εὐϱυσϑένης; πῶς γὰϱ οὐ; gegen ſeine Landesſage.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0120"n="90"/>
Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund<lb/>
und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im<lb/>
Gegenſatz von δορυάλωτοι.</p></div><lb/><divn="3"><head>11.</head><lb/><p>Wir wenden uns nach <hirendition="#g">Lakonika</hi>, welches<lb/>
nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen<lb/>
Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge-<lb/>
meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf-<lb/>
genommen war <noteplace="foot"n="1">S. oben S. 51.</note>, waren es die Zwillingsbruͤder <hirendition="#g">Eury-<lb/>ſthenes</hi> und <hirendition="#g">Prokles</hi> (Πϱοκλέας doriſch) <noteplace="foot"n="2">Kuhn zu Pauſ. 3, 1. Nach Po-<lb/>
lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ-<lb/>
mon.</note>, die<lb/>
nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die<lb/>
Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero-<lb/>
dot berichtet, <hirendition="#g">Ariſtodemos</hi>ſelbſt einziehn <noteplace="foot"n="3">In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umſchreibt,<lb/>ſtand wohl μᾶλλονδὲγεϱαίτεϱονἔστιγεϱαίϱειν.</note>, und erſt<lb/>
nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an-<lb/>
geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ-<lb/>ſer Vorzuͤge genießen ſollte <noteplace="foot"n="4">Dieſer<lb/>
folgt Plutarch Ageſ. 19.</note>. Dem widerſpraͤche zwar<lb/>
wieder Thukydides <noteplace="foot"n="5">5, 16. Auch bei Platon Geſetze 3,<lb/>
683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶβασιλεὺς<lb/>μὲν—ΛακεδαίμονοςΠϱοκλῆςκαὶΕὐϱυσϑένης; πῶςγὰϱοὐ;<lb/>
gegen ſeine Landesſage.</note>, der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt,<lb/>
daß <hirendition="#g">die Koͤnige</hi>, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen,<lb/>
er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op-<lb/>
fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del-<lb/>
phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner<lb/>
Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab-<lb/>
weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ-<lb/>ſigkeit des Schriftſtellers.</p></div><lb/><divn="3"><head>12.</head><lb/><p>Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von<lb/>
dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande-<lb/>
rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[90/0120]
Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund
und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im
Gegenſatz von δορυάλωτοι.
11.
Wir wenden uns nach Lakonika, welches
nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen
Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge-
meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf-
genommen war 1, waren es die Zwillingsbruͤder Eury-
ſthenes und Prokles (Πϱοκλέας doriſch) 2, die
nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die
Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero-
dot berichtet, Ariſtodemos ſelbſt einziehn 3, und erſt
nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an-
geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ-
ſer Vorzuͤge genießen ſollte 4. Dem widerſpraͤche zwar
wieder Thukydides 5, der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt,
daß die Koͤnige, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen,
er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op-
fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del-
phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner
Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab-
weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ-
ſigkeit des Schriftſtellers.
12.
Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von
dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande-
rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie
1 S. oben S. 51.
2 Kuhn zu Pauſ. 3, 1. Nach Po-
lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ-
mon.
3 In dem Orakel, welches Herod. 6, 52. umſchreibt,
ſtand wohl μᾶλλον δὲ γεϱαίτεϱον ἔστι γεϱαίϱειν.
4 Dieſer
folgt Plutarch Ageſ. 19.
5 5, 16. Auch bei Platon Geſetze 3,
683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶ βασιλεὺς
μὲν — Λακεδαίμονος Πϱοκλῆς καὶ Εὐϱυσϑένης; πῶς γὰϱ οὐ;
gegen ſeine Landesſage.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/120>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.