Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

wohl von den größern adhängig; viele dagegen stan-
den ganz allein; frühere Uneinigkeiten scheinen sie von
jenem Bunde der Sechsstädte getrennt und entfremdet
zu haben 1. Die Kalymnier wandten sich daher auch
später, bei Gelegenheit schwieriger Processe, nicht an
die größern stammverwandten Städte, sondern an die
zwar früher auch von Argos her Dorischen, aber her-
nach durch die Milesier ganz ionisirten 2 Jasier, die
ihnen fünf Richter sandten: welches indessen auch in
der temporären Aehnlichkeit der Verfassungen seinen
Grund haben konnte 3.

3.

Nachdem ich über die Anlegung dieser Dorischen
Städte die einfachsten historischen Nachrichten und
faktischen Relationen zusammengestellt habe, ist noch
übrig, die mythischen Erzählungen zu prüfen, die
sich daran angesponnen haben, indem man dieselben
Colonien nur durch andere Namen darstellte, und in
entferntere Zeiten zurückschob. Daß es sich so verhalte,
ist sehr klar von dem Mythischen, was sich an die
Troezenische Colonie anknüpft. "Uralte Fürsten der Trö-
zenier, Anthes und sein Sohn Aetios, hätten in Vor-
zeiten Halikarnaß gegründet" 4. Die Sage widerlegt
sich gleich selbst durch den Beisatz bei Kallimachos 5:
Anthes habe Dymanen mit sich geführt, welche eine

1 Vgl. Steph. Byz. Arai, Ionias (falsch. Sie liegen zwi-
schen Sywe und Knidos Athen. 6, 262 f.) nesoi treis outo le-
gomenas dia tas aras, as Dorieis epoiesanto pros tous Penta-
politas, os Aristeides. Nach Dieuchidas bei Athen. ist der Fluch
aus Triopas und Phorbas Zeit.
2 Polyb. 16, 12, 1.
3 S.
das Dekret der Jasier, welches das dorischgeschriebene der Kalym-
nier einschließt, bei Chandler Inscr. P. 1, 58.
4 Strabo 8,
374. sucht der Sage noch dadurch historisches Colorit zu geben,
daß Pelops den Anthes verjagt habe. vgl. 14, 656. Apollodor bei
Steph. Alik.
5 bei Steph. -- Dies sieht auch Raoul-Ro-
chette 3. S. 31 ein.

wohl von den groͤßern adhaͤngig; viele dagegen ſtan-
den ganz allein; fruͤhere Uneinigkeiten ſcheinen ſie von
jenem Bunde der Sechsſtaͤdte getrennt und entfremdet
zu haben 1. Die Kalymnier wandten ſich daher auch
ſpaͤter, bei Gelegenheit ſchwieriger Proceſſe, nicht an
die groͤßern ſtammverwandten Staͤdte, ſondern an die
zwar fruͤher auch von Argos her Doriſchen, aber her-
nach durch die Mileſier ganz ioniſirten 2 Jaſier, die
ihnen fuͤnf Richter ſandten: welches indeſſen auch in
der temporaͤren Aehnlichkeit der Verfaſſungen ſeinen
Grund haben konnte 3.

3.

Nachdem ich uͤber die Anlegung dieſer Doriſchen
Staͤdte die einfachſten hiſtoriſchen Nachrichten und
faktiſchen Relationen zuſammengeſtellt habe, iſt noch
uͤbrig, die mythiſchen Erzaͤhlungen zu pruͤfen, die
ſich daran angeſponnen haben, indem man dieſelben
Colonien nur durch andere Namen darſtellte, und in
entferntere Zeiten zuruͤckſchob. Daß es ſich ſo verhalte,
iſt ſehr klar von dem Mythiſchen, was ſich an die
Troezeniſche Colonie anknuͤpft. “Uralte Fuͤrſten der Troͤ-
zenier, Anthes und ſein Sohn Aëtios, haͤtten in Vor-
zeiten Halikarnaß gegruͤndet” 4. Die Sage widerlegt
ſich gleich ſelbſt durch den Beiſatz bei Kallimachos 5:
Anthes habe Dymanen mit ſich gefuͤhrt, welche eine

1 Vgl. Steph. Byz. Αϱαὶ, Ιωνίας (falſch. Sie liegen zwi-
ſchen Sywe und Knidos Athen. 6, 262 f.) νῆσοι τϱεῖς οὕτω λε-
γομένασ διὰ τὰς ἀϱὰς, ἃς Δωϱιεῖς ἐποιήσαντο πϱὸς τοὺς Πεντα-
πολίτας, ὡς Αϱιστείδης. Nach Dieuchidas bei Athen. iſt der Fluch
aus Triopas und Phorbas Zeit.
2 Polyb. 16, 12, 1.
3 S.
das Dekret der Jaſier, welches das doriſchgeſchriebene der Kalym-
nier einſchließt, bei Chandler Inscr. P. 1, 58.
4 Strabo 8,
374. ſucht der Sage noch dadurch hiſtoriſches Colorit zu geben,
daß Pelops den Anthes verjagt habe. vgl. 14, 656. Apollodor bei
Steph. Ἁλικ.
5 bei Steph. — Dies ſieht auch Raoul-Ro-
chette 3. S. 31 ein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0137" n="107"/>
wohl von den gro&#x0364;ßern adha&#x0364;ngig; viele dagegen &#x017F;tan-<lb/>
den ganz allein; fru&#x0364;here Uneinigkeiten &#x017F;cheinen &#x017F;ie von<lb/>
jenem Bunde der Sechs&#x017F;ta&#x0364;dte getrennt und entfremdet<lb/>
zu haben <note place="foot" n="1">Vgl. Steph. Byz. &#x0391;&#x03F1;&#x03B1;&#x1F76;, &#x0399;&#x03C9;&#x03BD;&#x03AF;&#x03B1;&#x03C2; (fal&#x017F;ch. Sie liegen zwi-<lb/>
&#x017F;chen Sywe und Knidos Athen. 6, 262 f.) &#x03BD;&#x1FC6;&#x03C3;&#x03BF;&#x03B9; &#x03C4;&#x03F1;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03C2; &#x03BF;&#x1F55;&#x03C4;&#x03C9; &#x03BB;&#x03B5;-<lb/>
&#x03B3;&#x03BF;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C3; &#x03B4;&#x03B9;&#x1F70; &#x03C4;&#x1F70;&#x03C2; &#x1F00;&#x03F1;&#x1F70;&#x03C2;, &#x1F03;&#x03C2; &#x0394;&#x03C9;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x03BF;&#x03B9;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF; &#x03C0;&#x03F1;&#x1F78;&#x03C2; &#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2; &#x03A0;&#x03B5;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;-<lb/>
&#x03C0;&#x03BF;&#x03BB;&#x03AF;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2;, &#x1F61;&#x03C2; &#x0391;&#x03F1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B4;&#x03B7;&#x03C2;. Nach Dieuchidas bei Athen. i&#x017F;t der Fluch<lb/>
aus Triopas und Phorbas Zeit.</note>. Die Kalymnier wandten &#x017F;ich daher auch<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;ter, bei Gelegenheit &#x017F;chwieriger Proce&#x017F;&#x017F;e, nicht an<lb/>
die gro&#x0364;ßern &#x017F;tammverwandten Sta&#x0364;dte, &#x017F;ondern an die<lb/>
zwar fru&#x0364;her auch von Argos her Dori&#x017F;chen, aber her-<lb/>
nach durch die Mile&#x017F;ier ganz ioni&#x017F;irten <note place="foot" n="2">Polyb. 16, 12, 1.</note> Ja&#x017F;ier, die<lb/>
ihnen fu&#x0364;nf Richter &#x017F;andten: welches inde&#x017F;&#x017F;en auch in<lb/>
der tempora&#x0364;ren Aehnlichkeit der Verfa&#x017F;&#x017F;ungen &#x017F;einen<lb/>
Grund haben konnte <note place="foot" n="3">S.<lb/>
das Dekret der Ja&#x017F;ier, welches das dori&#x017F;chge&#x017F;chriebene der Kalym-<lb/>
nier ein&#x017F;chließt, bei Chandler <hi rendition="#aq">Inscr. P.</hi> 1, 58.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>3.</head><lb/>
            <p>Nachdem ich u&#x0364;ber die Anlegung die&#x017F;er Dori&#x017F;chen<lb/>
Sta&#x0364;dte die einfach&#x017F;ten <hi rendition="#g">hi&#x017F;tori&#x017F;chen</hi> Nachrichten und<lb/>
fakti&#x017F;chen Relationen zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellt habe, i&#x017F;t noch<lb/>
u&#x0364;brig, die <hi rendition="#g">mythi&#x017F;chen</hi> Erza&#x0364;hlungen zu pru&#x0364;fen, die<lb/>
&#x017F;ich daran ange&#x017F;ponnen haben, indem man die&#x017F;elben<lb/>
Colonien nur durch andere Namen dar&#x017F;tellte, und in<lb/>
entferntere Zeiten zuru&#x0364;ck&#x017F;chob. Daß es &#x017F;ich &#x017F;o verhalte,<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ehr klar von dem Mythi&#x017F;chen, was &#x017F;ich an die<lb/>
Troezeni&#x017F;che Colonie anknu&#x0364;pft. &#x201C;Uralte Fu&#x0364;r&#x017F;ten der Tro&#x0364;-<lb/>
zenier, Anthes und &#x017F;ein Sohn Aëtios, ha&#x0364;tten in Vor-<lb/>
zeiten Halikarnaß gegru&#x0364;ndet&#x201D; <note place="foot" n="4">Strabo 8,<lb/>
374. &#x017F;ucht der Sage noch dadurch hi&#x017F;tori&#x017F;ches Colorit zu geben,<lb/>
daß Pelops den Anthes verjagt habe. vgl. 14, 656. Apollodor bei<lb/>
Steph. &#x1F09;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BA;.</note>. Die Sage widerlegt<lb/>
&#x017F;ich gleich &#x017F;elb&#x017F;t durch den Bei&#x017F;atz bei Kallimachos <note place="foot" n="5">bei Steph. &#x2014; Dies &#x017F;ieht auch Raoul-Ro-<lb/>
chette 3. S. 31 ein.</note>:<lb/>
Anthes habe Dymanen mit &#x017F;ich gefu&#x0364;hrt, welche eine<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0137] wohl von den groͤßern adhaͤngig; viele dagegen ſtan- den ganz allein; fruͤhere Uneinigkeiten ſcheinen ſie von jenem Bunde der Sechsſtaͤdte getrennt und entfremdet zu haben 1. Die Kalymnier wandten ſich daher auch ſpaͤter, bei Gelegenheit ſchwieriger Proceſſe, nicht an die groͤßern ſtammverwandten Staͤdte, ſondern an die zwar fruͤher auch von Argos her Doriſchen, aber her- nach durch die Mileſier ganz ioniſirten 2 Jaſier, die ihnen fuͤnf Richter ſandten: welches indeſſen auch in der temporaͤren Aehnlichkeit der Verfaſſungen ſeinen Grund haben konnte 3. 3. Nachdem ich uͤber die Anlegung dieſer Doriſchen Staͤdte die einfachſten hiſtoriſchen Nachrichten und faktiſchen Relationen zuſammengeſtellt habe, iſt noch uͤbrig, die mythiſchen Erzaͤhlungen zu pruͤfen, die ſich daran angeſponnen haben, indem man dieſelben Colonien nur durch andere Namen darſtellte, und in entferntere Zeiten zuruͤckſchob. Daß es ſich ſo verhalte, iſt ſehr klar von dem Mythiſchen, was ſich an die Troezeniſche Colonie anknuͤpft. “Uralte Fuͤrſten der Troͤ- zenier, Anthes und ſein Sohn Aëtios, haͤtten in Vor- zeiten Halikarnaß gegruͤndet” 4. Die Sage widerlegt ſich gleich ſelbſt durch den Beiſatz bei Kallimachos 5: Anthes habe Dymanen mit ſich gefuͤhrt, welche eine 1 Vgl. Steph. Byz. Αϱαὶ, Ιωνίας (falſch. Sie liegen zwi- ſchen Sywe und Knidos Athen. 6, 262 f.) νῆσοι τϱεῖς οὕτω λε- γομένασ διὰ τὰς ἀϱὰς, ἃς Δωϱιεῖς ἐποιήσαντο πϱὸς τοὺς Πεντα- πολίτας, ὡς Αϱιστείδης. Nach Dieuchidas bei Athen. iſt der Fluch aus Triopas und Phorbas Zeit. 2 Polyb. 16, 12, 1. 3 S. das Dekret der Jaſier, welches das doriſchgeſchriebene der Kalym- nier einſchließt, bei Chandler Inscr. P. 1, 58. 4 Strabo 8, 374. ſucht der Sage noch dadurch hiſtoriſches Colorit zu geben, daß Pelops den Anthes verjagt habe. vgl. 14, 656. Apollodor bei Steph. Ἁλικ. 5 bei Steph. — Dies ſieht auch Raoul-Ro- chette 3. S. 31 ein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/137
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/137>, abgerufen am 21.11.2024.