Platz und in sein eigenstes Licht zu stellen. Nun aber habe ich mich, mehr ein Lernender als ein Lehrender, mit völliger Unbefangenheit der Com- bination des Stoffes überlassen, oft mit dieser beschäftigt den allgemeinen Faden eben nur noch in Händen behalten, oft allgemeinere Resultate fast unerwartet aus der Behandlung des Gegeb- nen hervorwachsen sehn, oft aber auch nach einer übeln Sitte, der ich indeß schwerlich sobald ent- sagen kann, die Forschung auf ein bestimmtes Resultat hinauszuführen unterlassen, weil mir der bornirende Schein der Sicherheit und Vollendung weit gefährlicher dünkt als das Hinausstellen des Abschlusses in die ungewisse Zukunft. Wenn sich dessenungeachtet hie und da ein gewisses Gefühl mit einiger Härte ausspricht, wie es wohl ein wissenschaftliches Verfahren zu begleiten pflegt, das eine eigenthümliche Untersuchungsweise auf eignes Studium der Quellen anwendet: so mag ich versichern, daß dieses Gefühl bei mir niemals im Widerspruch gestanden hat mit der dankbaren Anerkenntniß, durch Anderer Forschungen vielfach belehrt, geleitet, erweckt worden zu sein, und mit der größten Bereitwilligkeit, diese Belehrung auf unzähligen einzelnen Stellen einzugestehn. So werden Voß in der Darstellung des Apollon-Phö- bos, Buttmann in der des menschlichen Herakles manche Idee als die ihrige wiedererkennen; wie vielfachen Reiz der Forschung ich einem andern
Platz und in ſein eigenſtes Licht zu ſtellen. Nun aber habe ich mich, mehr ein Lernender als ein Lehrender, mit voͤlliger Unbefangenheit der Com- bination des Stoffes uͤberlaſſen, oft mit dieſer beſchaͤftigt den allgemeinen Faden eben nur noch in Haͤnden behalten, oft allgemeinere Reſultate faſt unerwartet aus der Behandlung des Gegeb- nen hervorwachſen ſehn, oft aber auch nach einer uͤbeln Sitte, der ich indeß ſchwerlich ſobald ent- ſagen kann, die Forſchung auf ein beſtimmtes Reſultat hinauszufuͤhren unterlaſſen, weil mir der bornirende Schein der Sicherheit und Vollendung weit gefaͤhrlicher duͤnkt als das Hinausſtellen des Abſchluſſes in die ungewiſſe Zukunft. Wenn ſich deſſenungeachtet hie und da ein gewiſſes Gefuͤhl mit einiger Haͤrte ausſpricht, wie es wohl ein wiſſenſchaftliches Verfahren zu begleiten pflegt, das eine eigenthuͤmliche Unterſuchungsweiſe auf eignes Studium der Quellen anwendet: ſo mag ich verſichern, daß dieſes Gefuͤhl bei mir niemals im Widerſpruch geſtanden hat mit der dankbaren Anerkenntniß, durch Anderer Forſchungen vielfach belehrt, geleitet, erweckt worden zu ſein, und mit der groͤßten Bereitwilligkeit, dieſe Belehrung auf unzaͤhligen einzelnen Stellen einzugeſtehn. So werden Voß in der Darſtellung des Apollon-Phoͤ- bos, Buttmann in der des menſchlichen Herakles manche Idee als die ihrige wiedererkennen; wie vielfachen Reiz der Forſchung ich einem andern
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[XIV/0020]
Platz und in ſein eigenſtes Licht zu ſtellen. Nun
aber habe ich mich, mehr ein Lernender als ein
Lehrender, mit voͤlliger Unbefangenheit der Com-
bination des Stoffes uͤberlaſſen, oft mit dieſer
beſchaͤftigt den allgemeinen Faden eben nur noch
in Haͤnden behalten, oft allgemeinere Reſultate
faſt unerwartet aus der Behandlung des Gegeb-
nen hervorwachſen ſehn, oft aber auch nach einer
uͤbeln Sitte, der ich indeß ſchwerlich ſobald ent-
ſagen kann, die Forſchung auf ein beſtimmtes
Reſultat hinauszufuͤhren unterlaſſen, weil mir der
bornirende Schein der Sicherheit und Vollendung
weit gefaͤhrlicher duͤnkt als das Hinausſtellen des
Abſchluſſes in die ungewiſſe Zukunft. Wenn ſich
deſſenungeachtet hie und da ein gewiſſes Gefuͤhl
mit einiger Haͤrte ausſpricht, wie es wohl ein
wiſſenſchaftliches Verfahren zu begleiten pflegt,
das eine eigenthuͤmliche Unterſuchungsweiſe auf
eignes Studium der Quellen anwendet: ſo mag
ich verſichern, daß dieſes Gefuͤhl bei mir niemals
im Widerſpruch geſtanden hat mit der dankbaren
Anerkenntniß, durch Anderer Forſchungen vielfach
belehrt, geleitet, erweckt worden zu ſein, und mit
der groͤßten Bereitwilligkeit, dieſe Belehrung auf
unzaͤhligen einzelnen Stellen einzugeſtehn. So
werden Voß in der Darſtellung des Apollon-Phoͤ-
bos, Buttmann in der des menſchlichen Herakles
manche Idee als die ihrige wiedererkennen; wie
vielfachen Reiz der Forſchung ich einem andern
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/20>, abgerufen am 03.12.2024.
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