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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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6.

Bedeutendere Institute ließ das Schicksal die
Kretischen Apollodiener an der Ionischen Küste grün-
den. Vor allen das Milesische Didymäon. Wir
wissen, daß vor dem Ionischen Volkszuge, in damals
Karischem Lande, eine Kretische Burg, Milet, unmit-
telbar an der Küste stand 1. Die Divergenz der Sa-
gen von Sarpedon oder Miletos dem Kreter als Grün-
dern bestätigt mehr als sie zweifelhaft macht; beide
Traditionen sagen wieder auf verschiedene Weise das-
selbe. Mit der Gründung dieser Burg war die An-
lage eines Heiligthums verbunden, die einem Delphi-
schen Sühnpriester (kathartes) Branchos, dem Heise-
ren, beigeschrieben wird 2, dessen Name patronymisch
geformt die Priesterreihe 3, das Institut, selbst den
Ort bezeichnet, der sonst auch Didyma heißt. So tref-
fen auch hier wieder Delpher und Kreter zusammen,
die eigentlich für damals fast identisch, wo die ver-
schiedenen Niederlassungen des Stammes sich noch we-
nig gesondert hatten. Der Cultus von Didyma ist
ganz der Delphisch-Kretische; Sühngebräuche und Weis-
sagung vereinigt, diese auch ziemlich mit denselben Ge-
bräuchen, wie beim Pythischen Orakel; Apollon hieß
hier Philesios und Delphinios, welchen Namen von
hier andere Jonier annahmen 4; neben ihm stand Zeus,
beide zusammen Didyma's Ahnherren, wie Kalli-
machos sagt, auch Artemis, mit der zusammen den
Apollon ein alter Hymnus, den man dem mythischen
Branchos beischrieb, als Hekaergos und Hekaerga an-

1 Ephor. bei Str. 14. p. 634 d.
2 S. Kallim. Jamb.
bei Clem. Alex. Strom. 5. p. 570. Str. 9, 421. Konon 33. 44.
Lutat. Stat. Theb. 8, 198 e. -- Gesner Comment. Soc. Gott.
4. p. 121. Ionian antiquities T.
2. (besonders in der neuen
Ausg.)
3 Auch gab es ein Prophetengeschlecht Euaggelidai
da, Konon 44.
4 Str. 4, 179 b. Aeginet. p. 151.
6.

Bedeutendere Inſtitute ließ das Schickſal die
Kretiſchen Apollodiener an der Ioniſchen Kuͤſte gruͤn-
den. Vor allen das Mileſiſche Didymaͤon. Wir
wiſſen, daß vor dem Ioniſchen Volkszuge, in damals
Kariſchem Lande, eine Kretiſche Burg, Milet, unmit-
telbar an der Kuͤſte ſtand 1. Die Divergenz der Sa-
gen von Sarpedon oder Miletos dem Kreter als Gruͤn-
dern beſtaͤtigt mehr als ſie zweifelhaft macht; beide
Traditionen ſagen wieder auf verſchiedene Weiſe daſ-
ſelbe. Mit der Gruͤndung dieſer Burg war die An-
lage eines Heiligthums verbunden, die einem Delphi-
ſchen Suͤhnprieſter (καϑαρτὴς) Branchos, dem Heiſe-
ren, beigeſchrieben wird 2, deſſen Name patronymiſch
geformt die Prieſterreihe 3, das Inſtitut, ſelbſt den
Ort bezeichnet, der ſonſt auch Didyma heißt. So tref-
fen auch hier wieder Delpher und Kreter zuſammen,
die eigentlich fuͤr damals faſt identiſch, wo die ver-
ſchiedenen Niederlaſſungen des Stammes ſich noch we-
nig geſondert hatten. Der Cultus von Didyma iſt
ganz der Delphiſch-Kretiſche; Suͤhngebraͤuche und Weiſ-
ſagung vereinigt, dieſe auch ziemlich mit denſelben Ge-
braͤuchen, wie beim Pythiſchen Orakel; Apollon hieß
hier Phileſios und Delphinios, welchen Namen von
hier andere Jonier annahmen 4; neben ihm ſtand Zeus,
beide zuſammen Didyma’s Ahnherren, wie Kalli-
machos ſagt, auch Artemis, mit der zuſammen den
Apollon ein alter Hymnus, den man dem mythiſchen
Branchos beiſchrieb, als Hekaergos und Hekaerga an-

1 Ephor. bei Str. 14. p. 634 d.
2 S. Kallim. Jamb.
bei Clem. Alex. Strom. 5. p. 570. Str. 9, 421. Konon 33. 44.
Lutat. Stat. Theb. 8, 198 e. — Gesner Comment. Soc. Gott.
4. p. 121. Ionian antiquities T.
2. (beſonders in der neuen
Ausg.)
3 Auch gab es ein Prophetengeſchlecht Εὐαγγελίδαι
da, Konon 44.
4 Str. 4, 179 b. Aeginet. p. 151.
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[224/0254] 6. Bedeutendere Inſtitute ließ das Schickſal die Kretiſchen Apollodiener an der Ioniſchen Kuͤſte gruͤn- den. Vor allen das Mileſiſche Didymaͤon. Wir wiſſen, daß vor dem Ioniſchen Volkszuge, in damals Kariſchem Lande, eine Kretiſche Burg, Milet, unmit- telbar an der Kuͤſte ſtand 1. Die Divergenz der Sa- gen von Sarpedon oder Miletos dem Kreter als Gruͤn- dern beſtaͤtigt mehr als ſie zweifelhaft macht; beide Traditionen ſagen wieder auf verſchiedene Weiſe daſ- ſelbe. Mit der Gruͤndung dieſer Burg war die An- lage eines Heiligthums verbunden, die einem Delphi- ſchen Suͤhnprieſter (καϑαρτὴς) Branchos, dem Heiſe- ren, beigeſchrieben wird 2, deſſen Name patronymiſch geformt die Prieſterreihe 3, das Inſtitut, ſelbſt den Ort bezeichnet, der ſonſt auch Didyma heißt. So tref- fen auch hier wieder Delpher und Kreter zuſammen, die eigentlich fuͤr damals faſt identiſch, wo die ver- ſchiedenen Niederlaſſungen des Stammes ſich noch we- nig geſondert hatten. Der Cultus von Didyma iſt ganz der Delphiſch-Kretiſche; Suͤhngebraͤuche und Weiſ- ſagung vereinigt, dieſe auch ziemlich mit denſelben Ge- braͤuchen, wie beim Pythiſchen Orakel; Apollon hieß hier Phileſios und Delphinios, welchen Namen von hier andere Jonier annahmen 4; neben ihm ſtand Zeus, beide zuſammen Didyma’s Ahnherren, wie Kalli- machos ſagt, auch Artemis, mit der zuſammen den Apollon ein alter Hymnus, den man dem mythiſchen Branchos beiſchrieb, als Hekaergos und Hekaerga an- 1 Ephor. bei Str. 14. p. 634 d. 2 S. Kallim. Jamb. bei Clem. Alex. Strom. 5. p. 570. Str. 9, 421. Konon 33. 44. Lutat. Stat. Theb. 8, 198 e. — Gesner Comment. Soc. Gott. 4. p. 121. Ionian antiquities T. 2. (beſonders in der neuen Ausg.) 3 Auch gab es ein Prophetengeſchlecht Εὐαγγελίδαι da, Konon 44. 4 Str. 4, 179 b. Aeginet. p. 151.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/254>, abgerufen am 24.11.2024.