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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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obgleich die gewöhnlichen Erzählungen von jenem
Amphiktyonenkrieg eine andere Ansicht darlegen: so
muß doch aus mehreren Gründen behauptet werden,
daß früher Kirrha und der Tempel mit seinen Angehö-
rigen einen Staat bildeten 3. Das bezeichnete Gebiet
bestand nun zwar größtentheils aus Fels und Berg,
und engen Felsschluchten 1, indessen hatte es doch ge-
gen Mittag die bedeutende Krissäische Ebene, und hö-
her hinauf gedieh wenigstens die treffliche Rebe des
Parnaß. Wer bebaute es nun? Von den obenge-
nannten Stämmen der Bevölkerung gewiß keiner, die
Dorischen Herren so wenig als die Kretischen Anlan-
der, welche im Homerischen Hymnus der Gott ver-
lacht, da sie an die Arbeiten des Ackerbaus denken,
und sie immer nur mit den Opfermesser in der Rechten
Schaafe zu schlachten auffordert. -- Es ist also wohl
deutlich, daß es Unterthanen des Tempels gab, wel-
chen außer dem niedern Dienst der Anbau des Ackers,
die Hütung der Tempelheerden u. s. w. oblag. Dies
sind die oft vorkommenden Tempelknechte 2. Auch in
Kreta gab es dergleichen, wie wir oben aus der Fa-
bel von den Athenischen Tributsendungen nachwiesen;
und Kreta sandte nun wieder, wie Eretria, Magnesia 3,
solche "Erstlinge von Menschen" zu dem verwandten
Heiligthume Pytho. Auch ist von einer Hierodulen-
stadt von tausend Menschen in Kreta die Rede 4. Eben

3 So noch
dem Homerischen Hymnus.
1 S. Porphyr de abstin. 2, 17. vgl. Apostol. 6, 93. vgl.
Aesops Geschichte und das Sprüchwort: Delphos aner stephanon
men ekhei, dipsei d'apololen.
2 Der laos oiketor theou Eurip.
Andr. 1092.
3 Plut. de Pyth. orac. 16. p. 273. Die
Thessaler versprachen wenigstens jedes Jahr dem Ap. Kataibates
eine Hekatembe Männer, Schol. Eur. Phön. 1416. Zenob. Thetta-
lon sophisma.
4 Sosikrates bei Suid. 1. S. 621. Hesych
S. 1026. Apostol. 7, 37. Prov. Vatic. App. 3, 91. und Steph.

obgleich die gewoͤhnlichen Erzaͤhlungen von jenem
Amphiktyonenkrieg eine andere Anſicht darlegen: ſo
muß doch aus mehreren Gruͤnden behauptet werden,
daß fruͤher Kirrha und der Tempel mit ſeinen Angehoͤ-
rigen einen Staat bildeten 3. Das bezeichnete Gebiet
beſtand nun zwar groͤßtentheils aus Fels und Berg,
und engen Felsſchluchten 1, indeſſen hatte es doch ge-
gen Mittag die bedeutende Kriſſaͤiſche Ebene, und hoͤ-
her hinauf gedieh wenigſtens die treffliche Rebe des
Parnaß. Wer bebaute es nun? Von den obenge-
nannten Staͤmmen der Bevoͤlkerung gewiß keiner, die
Doriſchen Herren ſo wenig als die Kretiſchen Anlan-
der, welche im Homeriſchen Hymnus der Gott ver-
lacht, da ſie an die Arbeiten des Ackerbaus denken,
und ſie immer nur mit den Opfermeſſer in der Rechten
Schaafe zu ſchlachten auffordert. — Es iſt alſo wohl
deutlich, daß es Unterthanen des Tempels gab, wel-
chen außer dem niedern Dienſt der Anbau des Ackers,
die Huͤtung der Tempelheerden u. ſ. w. oblag. Dies
ſind die oft vorkommenden Tempelknechte 2. Auch in
Kreta gab es dergleichen, wie wir oben aus der Fa-
bel von den Atheniſchen Tributſendungen nachwieſen;
und Kreta ſandte nun wieder, wie Eretria, Magneſia 3,
ſolche “Erſtlinge von Menſchen” zu dem verwandten
Heiligthume Pytho. Auch iſt von einer Hierodulen-
ſtadt von tauſend Menſchen in Kreta die Rede 4. Eben

3 So noch
dem Homeriſchen Hymnus.
1 S. Porphyr de abstin. 2, 17. vgl. Apoſtol. 6, 93. vgl.
Aeſops Geſchichte und das Spruͤchwort: Δελφὸς ἀνὴϱ στέφανον
μὲν ἔχει, δίψει δ᾽ἀπὀλωλεν.
2 Der λαὸς οἰκήτωϱ ϑεοῦ Eurip.
Andr. 1092.
3 Plut. de Pyth. orac. 16. p. 273. Die
Theſſaler verſprachen wenigſtens jedes Jahr dem Ap. Καταιβάτης
eine Hekatembe Maͤnner, Schol. Eur. Phoͤn. 1416. Zenob. Θεττα-
λῶν σόφισμα.
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[255/0285] obgleich die gewoͤhnlichen Erzaͤhlungen von jenem Amphiktyonenkrieg eine andere Anſicht darlegen: ſo muß doch aus mehreren Gruͤnden behauptet werden, daß fruͤher Kirrha und der Tempel mit ſeinen Angehoͤ- rigen einen Staat bildeten 3. Das bezeichnete Gebiet beſtand nun zwar groͤßtentheils aus Fels und Berg, und engen Felsſchluchten 1, indeſſen hatte es doch ge- gen Mittag die bedeutende Kriſſaͤiſche Ebene, und hoͤ- her hinauf gedieh wenigſtens die treffliche Rebe des Parnaß. Wer bebaute es nun? Von den obenge- nannten Staͤmmen der Bevoͤlkerung gewiß keiner, die Doriſchen Herren ſo wenig als die Kretiſchen Anlan- der, welche im Homeriſchen Hymnus der Gott ver- lacht, da ſie an die Arbeiten des Ackerbaus denken, und ſie immer nur mit den Opfermeſſer in der Rechten Schaafe zu ſchlachten auffordert. — Es iſt alſo wohl deutlich, daß es Unterthanen des Tempels gab, wel- chen außer dem niedern Dienſt der Anbau des Ackers, die Huͤtung der Tempelheerden u. ſ. w. oblag. Dies ſind die oft vorkommenden Tempelknechte 2. Auch in Kreta gab es dergleichen, wie wir oben aus der Fa- bel von den Atheniſchen Tributſendungen nachwieſen; und Kreta ſandte nun wieder, wie Eretria, Magneſia 3, ſolche “Erſtlinge von Menſchen” zu dem verwandten Heiligthume Pytho. Auch iſt von einer Hierodulen- ſtadt von tauſend Menſchen in Kreta die Rede 4. Eben 3 So noch dem Homeriſchen Hymnus. 1 S. Porphyr de abstin. 2, 17. vgl. Apoſtol. 6, 93. vgl. Aeſops Geſchichte und das Spruͤchwort: Δελφὸς ἀνὴϱ στέφανον μὲν ἔχει, δίψει δ᾽ἀπὀλωλεν. 2 Der λαὸς οἰκήτωϱ ϑεοῦ Eurip. Andr. 1092. 3 Plut. de Pyth. orac. 16. p. 273. Die Theſſaler verſprachen wenigſtens jedes Jahr dem Ap. Καταιβάτης eine Hekatembe Maͤnner, Schol. Eur. Phoͤn. 1416. Zenob. Θεττα- λῶν σόφισμα. 4 Soſikrates bei Suid. 1. S. 621. Heſych S. 1026. Apoſtol. 7, 37. Prov. Vatic. App. 3, 91. und Steph.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/285>, abgerufen am 24.11.2024.