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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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den Dienst der den Uebermuth niederbeugenden Neme-
sis. In demselben Sinne verderbt er die stolze Mutter
Niobe 1, die unbändigen Aloiden 2, die Götterfeinde
Python und Tityos. Besondere Gründe historischer
Art veranlassen seinen Kampf mit Eurytos von Oecha-
lia, und mit Phorbas dem Phlegyer, dort nämlich die
Feindschaft der Dorier und Oechalier, hier des Pythi-
schen Heiligthums und der Phlegyer. Den letztern über-
windet er im Faustkampfe, den erstern im Bogenschusse,
zu dem Eurytos alle Götter herausgefordert hatte 3.
So verleihet er überhaupt den Faustkämpfern Glück 4,
und ist besonders bei den jagdliebenden Doriern ein Vor-
stand der Bogenschützen und Jäger (Agreus, Agraios,
Agreutas, Thereitas) 5, weil der kämpfende Gott
auch gymnastisch und kriegerisch ausgebildet sein muß
-- nicht etwa umgekehrt.

2.

Wir wollen die Idee des rächenden und
strafenden Apollon, wie sie Homer anregt, noch bei
andern Dichtern und in Cultusmythen nachweisen. Sehr
ausdrucksvoll sagt Archilochos:

O Fürst Apollon, schäd'ge du die Schuldigen,
Vernichte sie, so wie du zu vernichten pflegst. 6

und mit einer deutenden Anspielung auf den Namen
Aeschylos: Apollon apolesas 7, die indeß schwerlich
zur Meinung berechtigen kann, der Name Apollon

1 Il. 24, 606.
2 Od. 11, 517.
3 8, 227.
4 Il. 23, 660. daher wohl mit Hermes auf einem Altar zu Olym-
pia. Auch zu Delphi als puktes, zu Sparta und in Kreta dro-
maios. Plut. Qu. Symp. 8, 4. p. 362.
5 Il. 23, 872.
Sophokl. Oed. Kol. 1091. Daher zähmt Ap. die Kastorischen
Hunde, Pollux 5, 5, 39. Daß Ap. Agreus auch mit Aristäos
zusammenfällt, s. S. 282.
6 Fragm. 4. bei Macr. S. 1,
17.
7 Agam. 1091. Auf dieselbe Ableitung deutet Platon
Kratyl. 405. und Eurip. Phaeth. a. O.

den Dienſt der den Uebermuth niederbeugenden Neme-
ſis. In demſelben Sinne verderbt er die ſtolze Mutter
Niobe 1, die unbaͤndigen Aloiden 2, die Goͤtterfeinde
Python und Tityos. Beſondere Gruͤnde hiſtoriſcher
Art veranlaſſen ſeinen Kampf mit Eurytos von Oecha-
lia, und mit Phorbas dem Phlegyer, dort naͤmlich die
Feindſchaft der Dorier und Oechalier, hier des Pythi-
ſchen Heiligthums und der Phlegyer. Den letztern uͤber-
windet er im Fauſtkampfe, den erſtern im Bogenſchuſſe,
zu dem Eurytos alle Goͤtter herausgefordert hatte 3.
So verleihet er uͤberhaupt den Fauſtkaͤmpfern Gluͤck 4,
und iſt beſonders bei den jagdliebenden Doriern ein Vor-
ſtand der Bogenſchuͤtzen und Jaͤger (Ἀγϱεὺς, Ἀγραῖος,
Ἀγρεύτας, Θηρείτας) 5, weil der kaͤmpfende Gott
auch gymnaſtiſch und kriegeriſch ausgebildet ſein muß
— nicht etwa umgekehrt.

2.

Wir wollen die Idee des raͤchenden und
ſtrafenden Apollon, wie ſie Homer anregt, noch bei
andern Dichtern und in Cultusmythen nachweiſen. Sehr
ausdrucksvoll ſagt Archilochos:

O Fuͤrſt Apollon, ſchaͤd’ge du die Schuldigen,
Vernichte ſie, ſo wie du zu vernichten pflegſt. 6

und mit einer deutenden Anſpielung auf den Namen
Aeſchylos: Ἀπόλλων ἀπώλεσας 7, die indeß ſchwerlich
zur Meinung berechtigen kann, der Name Apollon

1 Il. 24, 606.
2 Od. 11, 517.
3 8̓, 227.
4 Il. 23, 660. daher wohl mit Hermes auf einem Altar zu Olym-
pia. Auch zu Delphi als πύκτης, zu Sparta und in Kreta δϱο-
μαῖος. Plut. Qu. Symp. 8, 4. p. 362.
5 Il. 23, 872.
Sophokl. Oed. Kol. 1091. Daher zaͤhmt Ap. die Kaſtoriſchen
Hunde, Pollux 5, 5, 39. Daß Ap. Agreus auch mit Ariſtaͤos
zuſammenfaͤllt, ſ. S. 282.
6 Fragm. 4. bei Macr. S. 1,
17.
7 Agam. 1091. Auf dieſelbe Ableitung deutet Platon
Kratyl. 405. und Eurip. Phaeth. a. O.
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[294/0324] den Dienſt der den Uebermuth niederbeugenden Neme- ſis. In demſelben Sinne verderbt er die ſtolze Mutter Niobe 1, die unbaͤndigen Aloiden 2, die Goͤtterfeinde Python und Tityos. Beſondere Gruͤnde hiſtoriſcher Art veranlaſſen ſeinen Kampf mit Eurytos von Oecha- lia, und mit Phorbas dem Phlegyer, dort naͤmlich die Feindſchaft der Dorier und Oechalier, hier des Pythi- ſchen Heiligthums und der Phlegyer. Den letztern uͤber- windet er im Fauſtkampfe, den erſtern im Bogenſchuſſe, zu dem Eurytos alle Goͤtter herausgefordert hatte 3. So verleihet er uͤberhaupt den Fauſtkaͤmpfern Gluͤck 4, und iſt beſonders bei den jagdliebenden Doriern ein Vor- ſtand der Bogenſchuͤtzen und Jaͤger (Ἀγϱεὺς, Ἀγραῖος, Ἀγρεύτας, Θηρείτας) 5, weil der kaͤmpfende Gott auch gymnaſtiſch und kriegeriſch ausgebildet ſein muß — nicht etwa umgekehrt. 2. Wir wollen die Idee des raͤchenden und ſtrafenden Apollon, wie ſie Homer anregt, noch bei andern Dichtern und in Cultusmythen nachweiſen. Sehr ausdrucksvoll ſagt Archilochos: O Fuͤrſt Apollon, ſchaͤd’ge du die Schuldigen, Vernichte ſie, ſo wie du zu vernichten pflegſt. 6 und mit einer deutenden Anſpielung auf den Namen Aeſchylos: Ἀπόλλων ἀπώλεσας 7, die indeß ſchwerlich zur Meinung berechtigen kann, der Name Apollon 1 Il. 24, 606. 2 Od. 11, 517. 3 8̓, 227. 4 Il. 23, 660. daher wohl mit Hermes auf einem Altar zu Olym- pia. Auch zu Delphi als πύκτης, zu Sparta und in Kreta δϱο- μαῖος. Plut. Qu. Symp. 8, 4. p. 362. 5 Il. 23, 872. Sophokl. Oed. Kol. 1091. Daher zaͤhmt Ap. die Kaſtoriſchen Hunde, Pollux 5, 5, 39. Daß Ap. Agreus auch mit Ariſtaͤos zuſammenfaͤllt, ſ. S. 282. 6 Fragm. 4. bei Macr. S. 1, 17. 7 Agam. 1091. Auf dieſelbe Ableitung deutet Platon Kratyl. 405. und Eurip. Phaeth. a. O.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/324>, abgerufen am 21.11.2024.