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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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kommen waren 1. Daher war die Makedonische Spra-
che voll griechischer Stammwörter. Und daß diese nicht
etwa durch die hellenische oder hellenisirende Königsdy-
nastie hineingekommen sind: geht daraus hervor, daß
viele derselben Bezeichnungen der einfachsten Begriffe
waren, die keine Sprache von einer fremden entlehnt,
und daraus, daß diese Worte nicht in ihrer griechischen
Form, sondern nach einem innerlichen Organismus um-
gebildet erscheinen 2. Man findet im Makedonischen
grammatische Formen, die gemeinhin aeolisch genannt
werden 3, manches Arkadische 4 und Thessalische 5; und
was vielleicht am meisten Aufschluß verheißt, mehrere
Worte, die aus dem Griechischen verschwunden, sich
noch im Latein erhalten haben 6. Zum Dorischen Dia-
lekt zeigt sich keine besondre Verwandtschaft; daher wir
Herodots, auch sonst wenig unterstützte Annahme einer
ursprünglichen Identität des Dorischen und Makednischen
(Makedonischen) Volks auf sich beruhen lassen. Bei
Andern heißt Makednos Sohn des Arkadischen Völkerva-
ters Lykaon 7, oder Makedon Bruder des Magnes, oder
Sohn des Aeolos, wie Hesiod und Hellanikos ange-

1 Herod. 1, 57. S. zur Stelle Band 1. S. 444.
2 Vgl.
z. B. dainein tödten, danos Tod mit thanein, thanatos; eeldo
(eeldor Homer) mit ethelo, adraia für aithria, worin th eben
so seine Aspiration verliert wie ph in kebale (Haubet) abroutis für
ophrus (Braue), Bilippos, Berenike, balakros u. a. Auch fällt
öfter der Spiritus asper weg. endomenia oder endumenia Hausrath
(Polyb.) mit Verwechselung von o und u.
3 Z. B. die Nomi-
native ippota u. s. w. die sonst Aeolisch-boeotisch, Dorisch, auch
Thessalisch genannt werden. Sturz a. O. S. 28.
4 Z. B.
zerethra für barathra.
5 Z. B. tagon aga die Anführung
des Tagos, wie in Thessalien; mattua Leckerspeise, Thessalisch, Ma-
kedonisch und auch Spartanisch.
6 Z. B. Birrox, hirsutus,
hirtus
, garkan (Gerte) virgam, ilex ilex. Auch der Mangel an
Aspiration bildet einen Vergleichungspunkt.
7 Apollodor 3, 8, 1.
1 *

kommen waren 1. Daher war die Makedoniſche Spra-
che voll griechiſcher Stammwoͤrter. Und daß dieſe nicht
etwa durch die helleniſche oder helleniſirende Koͤnigsdy-
naſtie hineingekommen ſind: geht daraus hervor, daß
viele derſelben Bezeichnungen der einfachſten Begriffe
waren, die keine Sprache von einer fremden entlehnt,
und daraus, daß dieſe Worte nicht in ihrer griechiſchen
Form, ſondern nach einem innerlichen Organismus um-
gebildet erſcheinen 2. Man findet im Makedoniſchen
grammatiſche Formen, die gemeinhin aeoliſch genannt
werden 3, manches Arkadiſche 4 und Theſſaliſche 5; und
was vielleicht am meiſten Aufſchluß verheißt, mehrere
Worte, die aus dem Griechiſchen verſchwunden, ſich
noch im Latein erhalten haben 6. Zum Doriſchen Dia-
lekt zeigt ſich keine beſondre Verwandtſchaft; daher wir
Herodots, auch ſonſt wenig unterſtuͤtzte Annahme einer
urſpruͤnglichen Identitaͤt des Doriſchen und Makedniſchen
(Makedoniſchen) Volks auf ſich beruhen laſſen. Bei
Andern heißt Makednos Sohn des Arkadiſchen Voͤlkerva-
ters Lykaon 7, oder Makedon Bruder des Magnes, oder
Sohn des Aeolos, wie Heſiod und Hellanikos ange-

1 Herod. 1, 57. S. zur Stelle Band 1. S. 444.
2 Vgl.
z. B. δαίνειν toͤdten, δάνος Tod mit ϑανεῖν, ϑάνατος; ἐέλδω
(ἐέλδωϱ Homer) mit ἐϑέλω, ἀδϱαία fuͤr αἰϑϱία, worin ϑ eben
ſo ſeine Aſpiration verliert wie φ in κεβαλὴ (Haubet) ἀβϱοῦτις fuͤr
ὀφϱὺς (Braue), Βίλιππος, Βεϱενίκη, βαλακϱός u. a. Auch faͤllt
oͤfter der Spiritus asper weg. ἐνδομενία oder ἐνδυμενία Hausrath
(Polyb.) mit Verwechſelung von ο und υ.
3 Z. B. die Nomi-
native ἵπποτα u. ſ. w. die ſonſt Aeoliſch-boeotiſch, Doriſch, auch
Theſſaliſch genannt werden. Sturz a. O. S. 28.
4 Z. B.
ζέϱεϑϱα fuͤr βάϱαϑϱα.
5 Z. B. ταγῶν ἀγὰ die Anfuͤhrung
des Tagos, wie in Theſſalien; ματτύα Leckerſpeiſe, Theſſaliſch, Ma-
kedoniſch und auch Spartaniſch.
6 Z. B. Βἰϱ̓ϱ̔οξ, hirsutus,
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Aſpiration bildet einen Vergleichungspunkt.
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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/33>, abgerufen am 29.04.2024.