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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Noch im leichten Gewand, noch geringelter Locken sich freuend 1;
und dem gemäß stellte ein Delphischer Knabe, dessen
Vater und Mutter lebten, die Begebenheiten des Got-
tes am großen Feste desselben dar. Immer aber war
die Erlegung des Python das Hauptereigniß des hei-
ligen Mythus, der entscheidende Moment, wenn auch
der Ferntreffer an ihm zuerst die Bogenkunst übte 2.
Der Gott bemächtigte sich dadurch der Orakelkluft,
aus welcher früher Gäa selbst in dunkeln Tönen ge-
sprochen hatte. Nicht gutwillig aber weicht sie den An-
sprüchen des jungen Gottes, den sie nach Pindar selbst in
den Tartaros zu stoßen suchte 3. Der Wächter des
alten Erdorakels 4 und ein Kind der Erde selbst, ent-
standen aus dem erwärmten Schlamme, der von der
allgemeinen Fluth zurückgeblieben, ist die Schlange Py-
thon, in einer dunkeln Thalschlucht bei dem Born Ka-
stalia hausend 5, wo sie auch ein anderes Ungeheuer
ernährt hatte, den Sohn der zornigen Hera, Typhaon.
Der Gegensatz, welcher den Kampf hervorbringt, ist
wohl deutlich. Die Schlange gilt hier wie oft als tel-
lurisches Wesen, und repräsentirt jede rohe und maaß-
lose Ausgeburt der Natur; deren prolifike Kraft auch
im Namen des Python, Delphyne 6, bezeichnet scheint,
den man am natürlichsten von delphus, delphua, Bär-
mutter, ableitet. Davon hat auch das fruchtbare und
sich schnell vermehrende Schwein den Namen delphax;

1 Apoll. Rh. 2, 707. vgl. Jambl. Pyth. 10.
2 Hesych
ekatebolos.
3 Schol. Aesch. Eumen. 2.
4 vgl. Hygin.
fb. 140.
5 Hom. Hymn. auf Ap. P. 120. Vergl. Hesych
Toxiou bounos, ein Grabhügel des Python in einer Schlucht bei
Delphi, der auch nach Sikyon versetzt wurde. Paus. 2, 7, 7.
6 Apoll. Rh. 2, 706. Schol. (wo auch Delphunes msc.) Dion.
P. 441. Tz. Lok. 208. Eine emither kore nach Spätern bei Apolld.
1, 6, 3.

Noch im leichten Gewand, noch geringelter Locken ſich freuend 1;
und dem gemaͤß ſtellte ein Delphiſcher Knabe, deſſen
Vater und Mutter lebten, die Begebenheiten des Got-
tes am großen Feſte deſſelben dar. Immer aber war
die Erlegung des Python das Hauptereigniß des hei-
ligen Mythus, der entſcheidende Moment, wenn auch
der Ferntreffer an ihm zuerſt die Bogenkunſt uͤbte 2.
Der Gott bemaͤchtigte ſich dadurch der Orakelkluft,
aus welcher fruͤher Gaͤa ſelbſt in dunkeln Toͤnen ge-
ſprochen hatte. Nicht gutwillig aber weicht ſie den An-
ſpruͤchen des jungen Gottes, den ſie nach Pindar ſelbſt in
den Tartaros zu ſtoßen ſuchte 3. Der Waͤchter des
alten Erdorakels 4 und ein Kind der Erde ſelbſt, ent-
ſtanden aus dem erwaͤrmten Schlamme, der von der
allgemeinen Fluth zuruͤckgeblieben, iſt die Schlange Py-
thon, in einer dunkeln Thalſchlucht bei dem Born Ka-
ſtalia hauſend 5, wo ſie auch ein anderes Ungeheuer
ernaͤhrt hatte, den Sohn der zornigen Hera, Typhaon.
Der Gegenſatz, welcher den Kampf hervorbringt, iſt
wohl deutlich. Die Schlange gilt hier wie oft als tel-
luriſches Weſen, und repraͤſentirt jede rohe und maaß-
loſe Ausgeburt der Natur; deren prolifike Kraft auch
im Namen des Python, Delphyne 6, bezeichnet ſcheint,
den man am natuͤrlichſten von δελφὺς, δελφύα, Baͤr-
mutter, ableitet. Davon hat auch das fruchtbare und
ſich ſchnell vermehrende Schwein den Namen δέλφαξ;

1 Apoll. Rh. 2, 707. vgl. Jambl. Pyth. 10.
2 Heſych
ἑκατηβόλος.
3 Schol. Aeſch. Eumen. 2.
4 vgl. Hygin.
fb. 140.
5 Hom. Hymn. auf Ap. P. 120. Vergl. Heſych
Τοξὶου βοῦνος, ein Grabhuͤgel des Python in einer Schlucht bei
Delphi, der auch nach Sikyon verſetzt wurde. Pauſ. 2, 7, 7.
6 Apoll. Rh. 2, 706. Schol. (wo auch Δελφύνης msc.) Dion.
P. 441. Tz. Lok. 208. Eine ἡμίϑηϱ κόϱη nach Spaͤtern bei Apolld.
1, 6, 3.
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[316/0346] Noch im leichten Gewand, noch geringelter Locken ſich freuend 1; und dem gemaͤß ſtellte ein Delphiſcher Knabe, deſſen Vater und Mutter lebten, die Begebenheiten des Got- tes am großen Feſte deſſelben dar. Immer aber war die Erlegung des Python das Hauptereigniß des hei- ligen Mythus, der entſcheidende Moment, wenn auch der Ferntreffer an ihm zuerſt die Bogenkunſt uͤbte 2. Der Gott bemaͤchtigte ſich dadurch der Orakelkluft, aus welcher fruͤher Gaͤa ſelbſt in dunkeln Toͤnen ge- ſprochen hatte. Nicht gutwillig aber weicht ſie den An- ſpruͤchen des jungen Gottes, den ſie nach Pindar ſelbſt in den Tartaros zu ſtoßen ſuchte 3. Der Waͤchter des alten Erdorakels 4 und ein Kind der Erde ſelbſt, ent- ſtanden aus dem erwaͤrmten Schlamme, der von der allgemeinen Fluth zuruͤckgeblieben, iſt die Schlange Py- thon, in einer dunkeln Thalſchlucht bei dem Born Ka- ſtalia hauſend 5, wo ſie auch ein anderes Ungeheuer ernaͤhrt hatte, den Sohn der zornigen Hera, Typhaon. Der Gegenſatz, welcher den Kampf hervorbringt, iſt wohl deutlich. Die Schlange gilt hier wie oft als tel- luriſches Weſen, und repraͤſentirt jede rohe und maaß- loſe Ausgeburt der Natur; deren prolifike Kraft auch im Namen des Python, Delphyne 6, bezeichnet ſcheint, den man am natuͤrlichſten von δελφὺς, δελφύα, Baͤr- mutter, ableitet. Davon hat auch das fruchtbare und ſich ſchnell vermehrende Schwein den Namen δέλφαξ; 1 Apoll. Rh. 2, 707. vgl. Jambl. Pyth. 10. 2 Heſych ἑκατηβόλος. 3 Schol. Aeſch. Eumen. 2. 4 vgl. Hygin. fb. 140. 5 Hom. Hymn. auf Ap. P. 120. Vergl. Heſych Τοξὶου βοῦνος, ein Grabhuͤgel des Python in einer Schlucht bei Delphi, der auch nach Sikyon verſetzt wurde. Pauſ. 2, 7, 7. 6 Apoll. Rh. 2, 706. Schol. (wo auch Δελφύνης msc.) Dion. P. 441. Tz. Lok. 208. Eine ἡμίϑηϱ κόϱη nach Spaͤtern bei Apolld. 1, 6, 3.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/346>, abgerufen am 22.11.2024.