Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Atintanen und Keraunischen Gebirgen im Norden von
Epeiros, an der Gränze der griechischen Welt, nahe
dem urältesten Vaterlande der Dorier. Wie merkwür-
dig nun, daß fortwährend auch in historischer Zeit in
derselben Gegend, nämlich am Aoosfluß, der vom Ge-
birge Lakmon strömt, Sonnenheerden weideten, die
des Tages über am Strome gehütet wurden, Nachts
aber in einer Höle im Gebirge, unter dem Schutze von
Männern, welchen die Einwohner der Griechischen Stadt
Apollonia dies Amt als eine vorzügliche Ehre überga-
ben 1. Es ist nicht wahrscheinlich, daß erst die Ko-
rinthischen Griechen, Gründer von Apollonia, diesen
Cultus dahin verpflanzten; obgleich in ihrer Heimat
auch Spuren alter Sonnenverehrung vorkommen: son-
dern sie scheinen, was sie vorfanden, beibehalten und
nach alter Weise fortgeübt zu haben. Unter dieser Vor-
aussetzung wird alles klar. Es gränzte zunächst an
jenes Schattenreich auf der Erdoberfläche eine Gegend
des Sonnencultus, von zahllosen Stierheerden ange-
füllt, die unter der Obhut des Gottes standen: aber

im Lande der Aenianen. Her. raubt die Stiere dort für Kythera Per-
sephassa. Vgl. Antonin. Lib. 4. polemesantas gar auto Keltous
(dicse sind aus einer Geryonis, vgl. Diod. 5, 24. Etym. M. 502,
50. hereingekommen, und nicht zu ändern) kai Khaonas kai The-
sprotous kai sumpantas Epeirotas up' autou kratethenai,
oti tas Geruonou bous sunelthontes (ethelon) aphelesthai. vgl. Ap-
pian Bürgerkr. 2, 29.
1 Herod. 9, 93. Konon 30. Sehr merkwürdig ist auch die
Strafe des Blendens, weil jemand den Sonnencult vernachläs-
sigt; ferner, daß die Griechischen Götter selbst die Wölfe gegen die
Heerden geschickt hatten. -- Homers Sonnenheerden sind keine an-
dern, als die von Tänaron und Epeiros in größere Ferne versetzt;
er giebt auch einen mythischen Grund der nephalioi thusiai des
Helios an, wie sie in mehreren Städten Griechenlands üblich waren.
Odyss. 12, 363.

Atintanen und Kerauniſchen Gebirgen im Norden von
Epeiros, an der Graͤnze der griechiſchen Welt, nahe
dem uraͤlteſten Vaterlande der Dorier. Wie merkwuͤr-
dig nun, daß fortwaͤhrend auch in hiſtoriſcher Zeit in
derſelben Gegend, naͤmlich am Aoosfluß, der vom Ge-
birge Lakmon ſtroͤmt, Sonnenheerden weideten, die
des Tages uͤber am Strome gehuͤtet wurden, Nachts
aber in einer Hoͤle im Gebirge, unter dem Schutze von
Maͤnnern, welchen die Einwohner der Griechiſchen Stadt
Apollonia dies Amt als eine vorzuͤgliche Ehre uͤberga-
ben 1. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß erſt die Ko-
rinthiſchen Griechen, Gruͤnder von Apollonia, dieſen
Cultus dahin verpflanzten; obgleich in ihrer Heimat
auch Spuren alter Sonnenverehrung vorkommen: ſon-
dern ſie ſcheinen, was ſie vorfanden, beibehalten und
nach alter Weiſe fortgeuͤbt zu haben. Unter dieſer Vor-
ausſetzung wird alles klar. Es graͤnzte zunaͤchſt an
jenes Schattenreich auf der Erdoberflaͤche eine Gegend
des Sonnencultus, von zahlloſen Stierheerden ange-
fuͤllt, die unter der Obhut des Gottes ſtanden: aber

im Lande der Aenianen. Her. raubt die Stiere dort fuͤr Kythera Per-
ſephaſſa. Vgl. Antonin. Lib. 4. πολεμήσαντας γὰϱ αὐτῷ Κελτοὺς
(dicſe ſind aus einer Geryonis, vgl. Diod. 5, 24. Etym. M. 502,
50. hereingekommen, und nicht zu aͤndern) καὶ Χάονας καὶ Θε-
σπϱώτους καὶ σύμπαντας Ἠπειϱώτας ὑπ᾽ αὐτοῦ κϱατηϑῆναι,
ὅτι τὰς Γηϱυόνου βοῦς συνελϑόντες (ἤϑελον) ἀφελέσϑαι. vgl. Ap-
pian Buͤrgerkr. 2, 29.
1 Herod. 9, 93. Konon 30. Sehr merkwuͤrdig iſt auch die
Strafe des Blendens, weil jemand den Sonnencult vernachlaͤſ-
ſigt; ferner, daß die Griechiſchen Goͤtter ſelbſt die Woͤlfe gegen die
Heerden geſchickt hatten. — Homers Sonnenheerden ſind keine an-
dern, als die von Taͤnaron und Epeiros in groͤßere Ferne verſetzt;
er giebt auch einen mythiſchen Grund der νηφάλιοι ϑυσίαι des
Helios an, wie ſie in mehreren Staͤdten Griechenlands uͤblich waren.
Odyſſ. 12, 363.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0453" n="423"/>
Atintanen und Kerauni&#x017F;chen Gebirgen im Norden von<lb/>
Epeiros, an der Gra&#x0364;nze der griechi&#x017F;chen Welt, nahe<lb/>
dem ura&#x0364;lte&#x017F;ten Vaterlande der Dorier. Wie merkwu&#x0364;r-<lb/>
dig nun, daß fortwa&#x0364;hrend auch in hi&#x017F;tori&#x017F;cher Zeit in<lb/><hi rendition="#g">der&#x017F;elben</hi> Gegend, na&#x0364;mlich am Aoosfluß, der vom Ge-<lb/>
birge Lakmon &#x017F;tro&#x0364;mt, <hi rendition="#g">Sonnenh</hi>eerden weideten, die<lb/>
des Tages u&#x0364;ber am Strome gehu&#x0364;tet wurden, Nachts<lb/>
aber in einer Ho&#x0364;le im Gebirge, unter dem Schutze von<lb/>
Ma&#x0364;nnern, welchen die Einwohner der Griechi&#x017F;chen Stadt<lb/>
Apollonia dies Amt als eine vorzu&#x0364;gliche Ehre u&#x0364;berga-<lb/>
ben <note place="foot" n="1">Herod. 9, 93. Konon 30. Sehr merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t auch die<lb/>
Strafe des <hi rendition="#g">Blendens</hi>, weil jemand den Sonnencult vernachla&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;igt; ferner, daß die Griechi&#x017F;chen Go&#x0364;tter &#x017F;elb&#x017F;t die Wo&#x0364;lfe gegen die<lb/>
Heerden ge&#x017F;chickt hatten. &#x2014; Homers Sonnenheerden &#x017F;ind keine an-<lb/>
dern, als die von Ta&#x0364;naron und Epeiros in gro&#x0364;ßere Ferne ver&#x017F;etzt;<lb/>
er giebt auch einen mythi&#x017F;chen Grund der &#x03BD;&#x03B7;&#x03C6;&#x03AC;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BF;&#x03B9; &#x03D1;&#x03C5;&#x03C3;&#x03AF;&#x03B1;&#x03B9; des<lb/>
Helios an, wie &#x017F;ie in mehreren Sta&#x0364;dten Griechenlands u&#x0364;blich waren.<lb/>
Ody&#x017F;&#x017F;. 12, 363.</note>. Es i&#x017F;t nicht wahr&#x017F;cheinlich, daß er&#x017F;t die Ko-<lb/>
rinthi&#x017F;chen Griechen, Gru&#x0364;nder von Apollonia, die&#x017F;en<lb/>
Cultus dahin verpflanzten; obgleich in ihrer Heimat<lb/>
auch Spuren alter Sonnenverehrung vorkommen: &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;ie &#x017F;cheinen, was &#x017F;ie vorfanden, beibehalten und<lb/>
nach alter Wei&#x017F;e fortgeu&#x0364;bt zu haben. Unter die&#x017F;er Vor-<lb/>
aus&#x017F;etzung wird alles klar. Es gra&#x0364;nzte zuna&#x0364;ch&#x017F;t an<lb/>
jenes Schattenreich auf der Erdoberfla&#x0364;che eine Gegend<lb/>
des Sonnencultus, von zahllo&#x017F;en Stierheerden ange-<lb/>
fu&#x0364;llt, die unter der Obhut des Gottes &#x017F;tanden: aber<lb/><note xml:id="seg2pn_43_2" prev="#seg2pn_43_1" place="foot" n="4">im Lande der Aenianen. Her. raubt die Stiere dort fu&#x0364;r Kythera Per-<lb/>
&#x017F;epha&#x017F;&#x017F;a. Vgl. Antonin. Lib. 4. &#x03C0;&#x03BF;&#x03BB;&#x03B5;&#x03BC;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x03B3;&#x1F70;&#x03F1; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1FF7; &#x039A;&#x03B5;&#x03BB;&#x03C4;&#x03BF;&#x1F7A;&#x03C2;<lb/>
(dic&#x017F;e &#x017F;ind aus einer Geryonis, vgl. Diod. 5, 24. Etym. M. 502,<lb/>
50. hereingekommen, und nicht zu a&#x0364;ndern) &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03A7;&#x03AC;&#x03BF;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x0398;&#x03B5;-<lb/>
&#x03C3;&#x03C0;&#x03F1;&#x03CE;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C3;&#x03CD;&#x03BC;&#x03C0;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F28;&#x03C0;&#x03B5;&#x03B9;&#x03F1;&#x03CE;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C2; &#x1F51;&#x03C0;&#x1FBD; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03BA;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03D1;&#x1FC6;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9;,<lb/>
&#x1F45;&#x03C4;&#x03B9; &#x03C4;&#x1F70;&#x03C2; &#x0393;&#x03B7;&#x03F1;&#x03C5;&#x03CC;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5; &#x03B2;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C2; &#x03C3;&#x03C5;&#x03BD;&#x03B5;&#x03BB;&#x03D1;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2; (&#x1F24;&#x03D1;&#x03B5;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD;) &#x1F00;&#x03C6;&#x03B5;&#x03BB;&#x03AD;&#x03C3;&#x03D1;&#x03B1;&#x03B9;. vgl. Ap-<lb/>
pian Bu&#x0364;rgerkr. 2, 29.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0453] Atintanen und Kerauniſchen Gebirgen im Norden von Epeiros, an der Graͤnze der griechiſchen Welt, nahe dem uraͤlteſten Vaterlande der Dorier. Wie merkwuͤr- dig nun, daß fortwaͤhrend auch in hiſtoriſcher Zeit in derſelben Gegend, naͤmlich am Aoosfluß, der vom Ge- birge Lakmon ſtroͤmt, Sonnenheerden weideten, die des Tages uͤber am Strome gehuͤtet wurden, Nachts aber in einer Hoͤle im Gebirge, unter dem Schutze von Maͤnnern, welchen die Einwohner der Griechiſchen Stadt Apollonia dies Amt als eine vorzuͤgliche Ehre uͤberga- ben 1. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß erſt die Ko- rinthiſchen Griechen, Gruͤnder von Apollonia, dieſen Cultus dahin verpflanzten; obgleich in ihrer Heimat auch Spuren alter Sonnenverehrung vorkommen: ſon- dern ſie ſcheinen, was ſie vorfanden, beibehalten und nach alter Weiſe fortgeuͤbt zu haben. Unter dieſer Vor- ausſetzung wird alles klar. Es graͤnzte zunaͤchſt an jenes Schattenreich auf der Erdoberflaͤche eine Gegend des Sonnencultus, von zahlloſen Stierheerden ange- fuͤllt, die unter der Obhut des Gottes ſtanden: aber 4 1 Herod. 9, 93. Konon 30. Sehr merkwuͤrdig iſt auch die Strafe des Blendens, weil jemand den Sonnencult vernachlaͤſ- ſigt; ferner, daß die Griechiſchen Goͤtter ſelbſt die Woͤlfe gegen die Heerden geſchickt hatten. — Homers Sonnenheerden ſind keine an- dern, als die von Taͤnaron und Epeiros in groͤßere Ferne verſetzt; er giebt auch einen mythiſchen Grund der νηφάλιοι ϑυσίαι des Helios an, wie ſie in mehreren Staͤdten Griechenlands uͤblich waren. Odyſſ. 12, 363. 4 im Lande der Aenianen. Her. raubt die Stiere dort fuͤr Kythera Per- ſephaſſa. Vgl. Antonin. Lib. 4. πολεμήσαντας γὰϱ αὐτῷ Κελτοὺς (dicſe ſind aus einer Geryonis, vgl. Diod. 5, 24. Etym. M. 502, 50. hereingekommen, und nicht zu aͤndern) καὶ Χάονας καὶ Θε- σπϱώτους καὶ σύμπαντας Ἠπειϱώτας ὑπ᾽ αὐτοῦ κϱατηϑῆναι, ὅτι τὰς Γηϱυόνου βοῦς συνελϑόντες (ἤϑελον) ἀφελέσϑαι. vgl. Ap- pian Buͤrgerkr. 2, 29.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/453
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/453>, abgerufen am 22.11.2024.